"kommunalpolitisches forum Land Brandenburg" e.V.



Großflughafenprojekt BBI

Vorläufiges Fazit nach 10 Jahren
Planung oder Chaos?
Recherchen zwischen Euphorie und Katzenjammer

erarbeitet
im Auftrag des "kommunalpolitischen forums Land Brandenburg" e.V.
von Uwe Malich und Frank Welskop,
Studien-Gesellschaft Brandenburg-Berlin für Regionalentwicklung, Verkehr und Umwelt e.V. (SGBB)

(Redaktionsschluß: 16. April 2001)


Inhaltsverzeichnis
Seite in der Broschüre
I. Vorbemerkungen
3
II. Zur bisherigen Vorgeschichte des Flughafenprojektes Berlin Brandenburg International (BBI) und zur realen Geschichte des Berliner Luftverkehrs
5
III. Systematisierung der Konstruktionsfehler bei der bisherigen Flughafenplanung 20 IV. Ausblick auf die Zukunftsrisiken des BBI-Projektes
33
IV.1 Zur Kritik der Prognosen im Planfeststellungsverfahren
33
IV.2 Die langfristigen Einflußpotentiale auf den BBI
36
IV.2.1 Klimawandel und Luftverkehr
36
IV.2.2 Künftige Vermeidungs- und Verlagerungspotenziale des Luftverkehrs
42
IV.2.3 Langfristige demographische und ökonomische Einflußfaktoren auf die Luftverkehrsnachfrage im Einzugsgebiet des BBI
43
V. Zusammenfassende Darstellung der Kritik der BBI-Prognosen im Planeststellungsverfahren und des BBI-Planungsprozesses
51
VI. Resümee und Konsequenzen
57


Seite 3

I. Vorbemerkungen

Im März 2000 bot die Studien-Gesellschaft Brandenburg-Berlin für Regionalentwicklung, Verkehr und Umwelt e.V. (SGBB) dem "kommunalpolitischen forum Land Brandenburg" e.V. an, im Zusammenhang mit dem laufenden Planfeststellungsverfahren zum geplanten Ausbau des Flughafens Schönefeld zum Großflughafen (resp. Single-Airport) Berlin Brandenburg International insbesondere dessen ökonomische Voraussetzungen und Begründungen noch einmal einer kritischen Untersuchung zu unterziehen.

Ende September 2000 wurde der entsprechende Auftrag an die SGBB erteilt. Im Frühjahr 2001, nach einigen Verzögerungen, aber immerhin noch rechtzeitig vor Beginn der Anhörungen im Planfeststellungsverfahren, kann das Ergebnis hiermit vorgelegt werden.

Nach den Arbeiten der Studien-Gesellschaft für das "kommunalpolitische forum" von 1992 (Entscheidungsfindung zum Großflughafenbau im Land Brandenburg: Politik im Konfliktfeld von Wirtschaft und Umwelt. Studien und Standpunkte zur Problemlage) und 1995 (Das Urteil der Bürger. Ergebnisse einer Akzeptanzanalyse zum geplanten Großflughafen "Berlin-Brandenburg-International") wird mit den jetzigen Recherchen auch ein vorläufiges Fazit zu mittlerweile mehr als 10 Jahren Projektplanung BBI gezogen.

Das methodische Vorgehen der beiden Autoren Dr. Frank Welskop (Abschnitte III, IV, V, VI) und Dr. sc. Uwe Malich (Abschnitt II) bei ihren Analysen unterscheidet sich dabei durchaus. Die komplexe Systematisierung der großen, insbesondere ökonomischen Zusammenhänge unter verschiedenen Gesichtspunkten einerseits (Welskop) und andererseits die historisierende Betrachtung der bisherigen Projektentwicklung einschließlich seiner Vorläufer (Malich) ergeben denn auch in Teilbereichen, etwa in bezug auf die Bewertung der Ergebnisse des Raumordungsverfahrens von 1994, der langfristigen Entwicklungsdynamik des Berlin-Brandenburger Luftverkehrs und der Entstehung des BBI-Projektes, unterschiedliche, sich partiell ergänzende, aber auch kontroverse Resultate.

Gemeinsames Fazit der verschiedenen Recherchen ist freilich, dass sich das BBI-Projekt in einer Sackgasse befindet, aus der ein Herausfinden auf einen zukunftsfähigen Entwicklungspfad nur schwer möglich zu sein scheint. Nach dem weitgehenden Versagen von (Landes-)Politik und Fachplanung wird der "Schwarze Peter" der Projektentwicklung deshalb demnächst mit hoher Wahrscheinlichkeit der "Dritten Kraft", der Justiz, zugespielt werden.

Die ist allerdings um ihre Aufgabe keineswegs zu beneiden. Am Standort Schönefeld dürften die Interessengegensätze zwischen Flughafenbetreiber, Airlines und Anwohnern schlechthin unversöhnlich sein, zumal vor dem Hintergrund der sich deutlich abzeichnenden Veränderung der maßgeblichen Rechtslage, namentlich der Nivellierung des Fluglärmgesetzes. Ein tragfähiger Vergleich scheint an diesem Standort also kaum vorstellbar, könnte jedoch, wenn er denn doch zustande kommt, die politisch Verantwortlichen, egal wie er ausfällt, zunächst spürbar entlasten.

Die Suche einer Lösung an einem anderen Standort - auch einen solchen Weg könnte die Rechtsprechung der Politik und Planung schließlich weisen - stößt zum einen auf das Problem des damit verbundenen weiteren erheblichen Zeitverzuges für die Projektrealisierung (angesichts eines dynamischen Profilierungswettbewerbes der Verkehrsflughäfen im Zeitalter der Globalisierung!) und auf Restriktionen durch den mittlerweile fortgeschrittenen Flächenverbrauch besonders für Wohnbebauung (Suburbanisierung) am Stadtrand von Berlin.

Die beiden Autoren der Studien-Gesellschaft hoffen, mit den Ergebnissen ihrer Recherchen zur weiteren notwendigen gesellschaftlichen Diskussion um das BBI-Projekt beitragen zu können. Von einem befriedigenden Stand, gerade unter den Aspekten nachhaltige Zukunftsfähigkeit und insbesondere auch Wirtschaftlichkeit, ist das Vorhaben jedenfalls noch weit entfernt.

Anregungen und Kritik sowie Bestellungen der Broschüre bitte an das "kommunalpolitische forum Land Brandenburg" e.V., Geschäftsstelle Bernau, Heinersdorfer Straße 8, 16321 Bernau, Tel. 033 38 - 45 92 93/4, Fax 033 38 - 45 92 95.

Wildau, 16. April 2001

Dr. sc. Uwe Malich
(Vorsitzender SGBB)


Seite 5

Uwe Malich

II. Zur bisherigen Vorgeschichte des Flughafenprojektes Berlin Branden-
burg International (BBI) und zur realen Geschichte des Berliner Luftverkehrs

Ihr ihrer Vereinbarung für ein Gesamtverkehrskonzept Brandenburg-Berlin und Flughafen 2000 vom Frühjahr 1991 orientierten die vier seinerzeit zuständigen Landesminister bzw. Senatoren der Länder Brandenburg und Berlin auf die Inbetriebnahme eines neuen Verkehrsflughafens, der die bis dato bestehenden Verkehrsflughäfen in Berlin und Brandenburg ersetzen sollte, bis zum Jahr 2000 ("Flughafen 2000"). /1/ Als Tag der Inbetriebnahme wurde in Potsdamer Amtsstuben schon mal der 24. Dezember 1999 ins Auge gefasst. /2/

Im Frühjahr 2001, unmittelbar vor Beginn des Anhörungsverfahrens im Planfeststellungsverfahren, halten die Landespolitik und die Berlin Brandenburg Flughafenholding (BBF) noch treu an der mit dem Planfeststellungsantrag von Ende 1999 fixierten Zielsetzung einer Eröffnung von Berlin Brandenburg International (BBI) im Jahr 2007 fest. /3/

Kritische Experten wie die verkehrspolitische Sprecherin der Brandenburger PDS-Landtagsfraktion Anita Tack sehen diese Terminstellung jedoch als unrealistisch an: "Aus heutiger Sicht wird der Flughafen nicht planmäßig in Betrieb gehen."/4/

Im laufenden Planfeststellungsverfahren wurden über 130.000 Einwände gegen das Großflughafenprojekt gemacht, gerichtliche Auseinandersetzungen und Auflagen für die Betreiber sind programmiert. Andererseits ist die Finanzierung, es geht nach unterschiedlichen Schätzungen immerhin um 8 - 12 Milliarden Mark, zu erheblichen Teilen noch ungeklärt. /5/

Berlin Brandenburg International - eine unendliche (Vor-)Geschichte?

Lange Vorlaufzeiten bei Flughafen-Großprojekten sind grundsätzlich nicht ungewöhnlich. So wurde mit den konzeptionellen Arbeiten zum Ausbau des Münchener Flughafens (ursprünglich am Standort Riem vorgesehen) beispielsweise schon Mitte der 50er Jahre begonnen, als sich der Einsatz von Düsenflugzeugen in der zivilen Luftfahrt abzeichnete. Der neue Münchener Großflughafen "Franz-Josef-Strauß", nordöstlich von München im Erdinger Moos gelegen, konnte dann aber erst am 17. Mai 1992 eröffnet werden. Knapp 40 Jahre dauerte damit die Vorgeschichte des Flughafens München II. Also braucht man aus Berlin-Brandenburger Sicht gar nicht nervös zu werden, wenn der Termin 2007 doch nicht gehalten werden kann!?

Sowohl ein genauerer Blick zurück, auf die Planungs- und Entscheidungsfindungsgeschichte des BBI, als auch ein geschärfter Blick nach vorn, auf die zukünftigen Anforderungen an den Berlin-Brandenburger Luftverkehr im Standortwettbewerb der Regionen unter den Bedingungen der Globalisierung zeigt indes, dass historische Analogien wie zu München als Beruhigungsmittel nicht taugen, der aktuellen Bedeutung und Brisanz des BBI-Projektes keineswegs gerecht werden.

Die Bemühungen, in Berlin einen modernen Großflughafen zu bauen, gehen schon viel weiter zurück als bis in die Zeit der "Wende", den Untergang der DDR und den Beitritt der neuen Bundesländer zur Bundesrepublik Deutschland.

Bereits Ende Oktober 1934 forderte der damalige Reichskanzler mit Blick auf das Jahr 2000 "eine dreifache Vergrößerung des Flughafens Tempelhof". "Der Flughafen Tempelhof müsse der größte und schönste Zivilflughafen der Welt sein." /6/ Der größte Flughafen der Welt für die zukünftige "Hauptstadt der Welt"! /7/

Der Ausbau begann noch 1935, "nach den Plänen des Führers", wie der Geschäftsbericht der Berliner Flughafengesellschaft (BFG) für 1935/36 vermeldete./8/

In späteren Planungen des Regimes für den Umbau Berlins zur "Welthauptstadt Germanin" war schließlich der Neubau von 4 Flughäfen außerhalb des Autobahnringes vorgesehen, von denen der südliche für eine nähere Zukunft geplant war und bereits 1950 den Flughafen Tempelhof ersetzen sollte. /9/

Mit Kriegsbeginn kam der Ausbau Tempelhofs - nach wesentlichen Teilfertigstellungen bis dahin - zum Erliegen. Ende April 1945 wurde der Flughafen von der Roten Armee besetzt.

In der zweiten Hälfte der 20er Jahre und in den 30er Jahren hatte Berlin mit dem Zentralflughafen Tempelhof als Heimatflughafen der Deutschen Lufthansa (gegründet 1926, planmäßiger Luftverkehr ab 06. April 1926) eine überragende Position innerhalb des deutschen Luftverkehrs. Ein dichtes Netz nationaler und internationaler Fluglinien wurde von Tempelhof aus betrieben. Berlin-Tempelhof war der Zentralflughafen des Deutschen Reiches und galt schon früh als "Luftkreuz Europas"./10/

Unter den größeren Verkehrsflughäfen Deutschlands wies Berlin-Tempelhof die höchsten jährlichen Wachstumsraten auf. Der Anteil Berlins am deutschen Passagieraufkommen stieg dementsprechend bis Ende der 30er Jahre immer weiter an. Bezogen auf das Aufkommen der 11 späteren bundesdeutschen Verkehrsflughäfen (einschließlich Berlin-West) betrug der Anteil Berlins im Jahre 1938 immerhin 45,4 Prozent! Der Anteil am gesamten deutschen Passagieraufkommen von 1938 belief sich auf 31,8 Prozent./11/ Das Passagieraufkommen Berlins war in jenem Jahr fast viermal (!) so hoch wie das Aufkommen in Frankfurt/Main./12/

Im Ergebnis des 2. Weltkrieges, der bedingungslosen Kapitulation des Deutschen Reiches und der vollständigen Besetzung Deutschlands durch die Alliierten kam es zunächst zu einem völligen Erliegen der deutschen Luftfahrt. Herstellung, Erwerb oder Unterhaltung von Luftfahrtgerät aller Art wurden verboten./13/

Die verschiedenen Bemühungen zur Wiederaufnahme des zivilen deutschen Luftverkehrs in den Nachkriegsjahren gestalteten sich in Ost und West kompliziert, auch nach der Gründung der beiden deutschen Nachkriegs-Staaten im Jahre 1949./14/ Sowohl politische als auch besatzungsrechtliche Nachwirkungen des Weltkrieges, als auch der beginnende Kalte Krieg zwischen Ost und West beeinflussten die Luftfahrt und insbesondere den gewerblichen Luftverkehr noch über lange Zeit in erheblichem Maße. Die Hoheit über den Westberliner Luftverkehr erlangte Deutschland schließlich erst im Zuge seiner Wiedervereinigung am 03. Oktober 1990.

In der Nachkriegsperiode bis 1990 kam es innerhalb des (west-)deutschen Verkehrsflughafensystems zu tiefgreifenden strukturellen Veränderungen. Insbesondere verlor Berlin/15/, d. h. konkret der Flughafen Tempelhof bzw. später (ab 01.09.1975) Tegel, die traditionelle, in der Zwischenkriegszeit entstandene Stellung als zentrales Drehkreuz im gewerblichen deutschen Luftverkehr. Der Anteil Berlins (TXL und THF) am gesamten Passagieraufkommen der bundesdeutschen Verkehrsflughäfen entwickelte sich wie folgt:/16/

Tab. 1: Fluggäste (an + ab) im gewerblichen Verkehr 1950 - 1989 (Anteile am westdeutschen Gesamtaufkommen in Prozent)

Jahr
(1938)
1950
1960
1970
1980
1989
Berlin
(45,4)
30,6
22,1
18,2
9,6
8,5

Aus dem Berlinzentrierten Flughafensystem entstand auf der Grundlage der neuen föderalen politischen Strukturen und in enger Beziehung zur räumlichen Verteilung der Bevölkerung und der materiellen Produktionsfaktoren (insbesondere des Kapitalstocks) ein multizentrales und multifunktionales System mit Frankfurt/Main als neuem Haupt-Airport und Euro-Hub (europäisches Drehkreuz). /17/

Im Jahr 1989 betrug der Anteil Frankfurts am westdeutschen Passagieraufkommen immerhin 37 Prozent. Das Aufkommen in Frankfurt war damit fast 4,5 mal so groß wie das Berliner Aufkommen./18/ Wenn man das Frachtaufkommen einschließlich Post einbezieht, ist die Dominanz Frankfurts im Allgemeinen und im Vergleich zu Berlin im Besonderen noch ausgeprägter. 1989 entfielen 43,8 Prozent der auf bundesdeutschen Verkehrsflughäfen abgefertigten Verkehrseinheiten (1 Passagier = 1 VE und 100 kg Fracht bzw. Post = 1 VE) auf Frankfurt/Main und 7 Prozent auf Berlin./19/

Während sich in der Bundesrepublik Deutschland einschließlich Westberlin ein räumlich und funktionell ausdifferenziertes Flughafensystem unter Führung Frankfurts herausbildete, entstand parallel dazu in der DDR vor dem Hintergrund einer deutlich weniger dynamischen Entwicklung des Luftverkehrs/20/ ein hochgradig zentralisiertes Flughafensystem. Im Jahre 1989 hatte der Zentralflughafen Berlin-Schönefeld einen Anteil von 84,8 Prozent aller auf den Verkehrsflughäfen der DDR abgefertigten Passagiere./21/ Wegen Baumaßnahmen auf dem Dresdner Flughafen 1988/89 war der Schönefelder Anteil in diesen Jahren allerdings etwas überhöht. 1987 hatte er bei 77,8 Prozent gelegen./22/

Trotz der nicht gerade geringen Anfangsschwierigkeiten in der DDR und namentlich am Standort Schönefeld (Ausgangsbasis war der dortige ehemalige Werkflughafen der Henschel-Flugzeugwerke), den zivilen Luftverkehr wieder aufzubauen,/23/ begann die Deutsche Lufthansa der DDR im Auftrage des Innenministeriums schon ab Ende 1955 mit Arbeiten an einem Generalausbauplan für Schönefeld./24/ Den Anforderungen des sich abzeichnenden Verkehrs mit Düsenmaschinen sollte in Schönefeld entsprochen werden. Außerdem ging man in den damaligen DDR-Planungen davon aus, dass Schönefeld für Berlin als Hauptstadt eines wiedervereinigten Deutschlands eine Luftkreuzfunktion wahrnehmen müsste. Zum Teil der Mittelstrecken-, aber insbesondere der Berliner Langstreckenverkehr sollte über Schönefeld abgewickelt werden, in Arbeitsteilung mit Tempelhof und Tegel, von wo aus vor allem die innerdeutschen Ziele bedient werden sollten./25/

Nichts weniger als ein "Großflughafen Berlin-Schönefeld" war damals das Ziel der DDR-Lufthansa-Planer./26/ Die Vertiefung der deutschen Spaltung Anfang der 60er Jahre, insbesondere durch den Bau der Berliner Mauer seitens der DDR, ließ diese Planungen dann aber für rund 3 Jahrzehnte obsolet werden.

Dennoch kam es in den Jahren 1961 - 1989 zu einem nicht unerheblichen Wachstum des Luftverkehrs von den Westberliner Flughäfen wie vom DDR-Zentralflughafen Berlin-Schönefeld aus. Innerhalb des Westberliner Flughafensystems fand dabei 1975 eine fast vollständige Verkehrsverlagerung von Tempelhof nach Tegel statt./27/ Die Entwicklung der Abfertigungsleistung im Passagierverkehr in diesem Zeitraum in Tempelhof/Tegel einerseits und Schönefeld andererseits zeigt die nachfolgende Abbildung.

Abb. 1: Die Entwicklung der Passagier-Abfertigungsleistung (an + ab) im Berliner Luftverkehr 1961 - 1989 /28/

Dieses Wachstumsbild soll indes nicht darüber hinweg täuschen, dass der Berliner Luftverkehr über 40 Jahre durch - in Ost und West unterschiedliche, wenn auch in Wechselwirkung zueinander stehende - spezifische Rahmenbedingungen in seiner Entwicklung gebremst und, wie gezeigt, von der allgemeinen Luftverkehrsentwicklung relativ abgekoppelt wurde. Gemessen an den abgefertigten Verkehrseinheiten sackte Westberlin (TXL/THF) in der Rangfolge der westdeutschen Verkehrsflughäfen immerhin von Platz 1 im Jahr 1950 auf Platz 5 - hinter Frankfurt Main, Düsseldorf, München und Hamburg - im Jahre 1989./29/

Die Interpretation dieser Entwicklung sollte ab 1989 eine gravierende, die Berlin-Brandenburger Flughafensituation bis heute maßgeblich bestimmende Bedeutung erlangen.

Die ersten (vor-)entscheidenden Marken wurden dabei von der Deutschen Lufthansa und namentlich ihrem langjährigen Vorstandsvorsitzenden Prof. Heinz Ruhnau gesetzt. Die Lufthansa, jedenfalls ihre damalige Führung, wollte zurück nach Berlin, in ihre "Heimatstadt". "Der Kranich ist in sein Nest zurückgekehrt", formulierte der damalige Berliner Verkehrssenator Horst Wagner am 28. Oktober 1990, als die Lufthansa nach mehr als 45 Jahren wieder in einem Linienflug Berlin angesteuert hatte. /30/ "Die große Berliner Vergangenheit der Lufthansa hat mehr denn je Zukunft", umschrieb der Lufthansa-Vorstandschef Ruhnau seine Erwartungen und Zielvorstellungen in diesem Zusammenhang./31/

Tatsächlich war die Lufthansa in Verfolgung ihrer Absicht, wieder von Berlin aus die Welt mit ihren Linien zu bedienen, schon frühzeitig sehr aktiv geworden. Bereits Ende 1989, kurz vor Weihnachten, befasste sich eine gemeinsame Kommission Interflug/Lufthansa u. a. mit der Standortplanung eines Berliner Großflughafens./32/ Dabei kam man zu dem "Grundkonsens ..., dass der Standort Berlin-Schönefeld über alle erforderlichen Voraussetzungen für einen künftigen Großflughafen verfügt."/33/

Allerdings berichtete nur wenige Wochen später die tageszeitung (taz), dass sich Senatsplaner (Anfang Februar 1990! - U.M.) und Lufthansa einig wären, der neue Großflughafen soll "in der Nähe von Zossen" (gemeint war das Gelände des damaligen sowjetischen Militärflughafens Sperenberg - U. M.) gebaut werden./34/

Offenbar war der Lufthansa, nachdem sich die deutsche Wiedervereinigung immer klarer am geschichtlichen Horizont abzeichnete/35/, der Platz in Schönefeld für die Verwirklichung ihrer Planungen nunmehr als zu klein erschienen. Immerhin ging die Lufthansa davon aus, dass sich Berlin zu "einer Dienstleistungs- und Kommunikationsmetropole ähnlich Los Angeles, London oder Frankfurt/Main" entwickeln würde. /36/ Dementsprechend müßte auch der Luftverkehr wachsen.

Bereits für ihre Beratungen mit der Interflug Ende 1989 hatte die Lufthansa eine Luftverkehrsprognose für Berlin zur Hand, in der eine Aufkommenssteigerung bis zum Jahr 2005 auf 30 Millionen Passagiere erwartet wurde./37/ In einer Studie der Lufthansa Consulting GmbH zur Entwicklung der Berliner Flughäfen von Mitte 1990, mit der ein Ausbau Schönefelds als Zwischenlösung bis zur Inbetriebnahme von "Berlin-International" etwa 2002/03 abgesteckt wurde, wurden für das Jahr 2000 24 Millionen Passagiere, für 2005 29 Millionen und für 2010 41 Millionen Passagiere prognostiziert./38/

Die Lufthansa Consulting erwartete zum einen ein geradezu sprunghaftes Anwachsen des sog. Basis-Potentials der regionalen Luftverkehrsnachfrage durch ein äußerst dynamisches Wirtschafts- und Einkommenswachstum in den neuen Bundesländern (Angleichung an die westdeutsche Entwicklung bis 2000, spätestens aber 2010), das zudem noch durch Sonderfaktoren wie den Hauptstadt-Effekt und ein Bevölkerungswachstum weiter gesteigert werden sollte.

Außerdem wurde ein erheblicher Umsteigeverkehr (2010: 10 Millionen Passagiere), das heißt die (neuerliche) Ausprägung eines internationalen Luftdrehkreuzes ("Hub") in Berlin unterstellt./39/

In einer Fortschreibung vom Mai 1991 bestätigte die Lufthansa Consulting im Wesentlichen ihre Entwicklungserwartungen, begründete ihr Votum für einen Neubau nunmehr aber auch noch umweltpolitisch bzw. mit den Luftverkehrsbelastungen für die Anwohner. So wäre der Ausbau Schönefelds zum Großflughafen (d. h. die jetzt verfolgte Entwicklungsvariante - U. M.) "auf Grund der Stadtrandlage und der damit verbundenen Belastung von zehntausenden von Anwohnern und wichtigen Naherholungsgebieten...nicht ratsam"./40/ "Der Standort Schönefeld ist als alleiniger Flughafen für Berlin nicht zu empfehlen. Von allen untersuchten Standorten schneidet Schönefeld am schlechtesten ab. Auf Grund der Fluglärm- und Besiedlungsproblematik, der zu geringen Flächenverfügbarkeit auch für Industrieansiedlungen und der Belastung der Umwelt kann Schönefeld die zukünftigen Anforderungen an den neuen Flughafen vergleichsweise nicht erfüllen."/41/

Die Lufthansa-Prognosen wurden im übrigen in ihrer Größenordnung durch eine Reihe weiterer Expertisen renommierter Institute Anfang der 90er bestätigt./42/ Auch im Kontext der nunmehr gesamtdeutschen Verkehrswegeplanung wurde damals eine exorbitante Steigerung des ostdeutschen Luftverkehrs erwartet (900 % im Planungszeitraum)./43/

Die überschießenden Prognosen wurden in dieser Zeit allerdings auch grundsätzlicher Kritik unterzogen, so in der eben angeführten SGBB-Studie für das kommunalpolitische forum von 1992. Kritisiert wurde damals vor allem die verbreitete Wundergläubigkeit in Bezug auf den ökonomischen Angleichungsprozess in den neuen Bundesländern ("blühende Landschaften", "zweites (ost-)deut-sches Wirtschaftswunder") und die fast völlige Vernachlässigung der mit hoher Wahrscheinlichkeit auf lange Sicht zunehmenden (global-)ökologischen Restriktionen für das Luftverkehrswachstum./44/ An anderer Stelle wurde auch auf die Bedeutung der (gegenüber den 20er und 30er Jahren veränderten) wirtschaftsgeographischen Situation in Deutschland, die inzwischen deutlich stärkere Konzentration/Agglomeration der deutschen (und europäischen) Wirtschaftskraft und Bevölkerung entlang der Rheinschiene mit ihren nachhaltigen, auch gegenwärtig spürbaren Attraktionswirkungen auf Kapital und Arbeitskraft, namentlich zu Lasten der neuen Bundesländer, hingewiesen./45/

Anzuführen wäre zudem noch die föderale politische Struktur in der Bundesrepublik Deutschland als Grundlage für das in der Nachkriegszeit entstandene multizentrale Flughafensystem. Die offene oder unterschwellige Erwartung vieler Prognosen, Berlin würde wieder in eine politische, wirtschaftliche und kulturelle Stellung hinein-wachsen, wie sie die Stadt in den 20er und 30er Jahren als "Reichshauptstadt" hatte, verkennt offensichtlich die tatsächlichen politischen Gegebenheiten im heutigen Deutschland in ihrer Relevanz für das Flughafensystem.

Kritik war allerdings in jener Zeit, als große Teile der Politik und Wirtschaft in Berlin und Brandenburg sich in eine regelrechte Euphorie (sorglose, heitere Gemütsverfassung, u.a. nach der Aufnahme von Rauschgift) hinein gesteigert hatten, nicht gern gesehen. Es gab damals "eine euphorische Stimmung zu Gunsten des Flughafenausbaus", stellte im Nachhinein auch der Untersuchungsausschuss des Brandenburger Landtages zur Aufklärung des Grunderwerbs in Berlin und Schönefeld durch die Berlin Brandenburg Flughafen Holding GmbH (BBF) und die Flughafen Berlin-Schönefeld GmbH (FBS) fest./46/

Staatssekretär a. D. Prof. Heinz Ruhnau (bis 31.08.1991 Vorstandsvorsitzender der Deutschen Lufthansa, ab 05.06.1991 "auf Bitte von Herrn Stolpe" Ersatzaufsichtsratsmitglied bzw. Berater der Flughafen Berlin-Schönefeld GmbH, ab 30.03.1992 Mitglied des Aufsichtsrates der Berlin Brandenburg Flughafenholding GmbH und in dieser Funktion zugleich Vorsitzender des sog. 6er Ausschusses des Aufsichtsrates, "der Finanzierungsalternativen und Wirtschaftlichkeitsrechnungen zum Flughafenausbau prüfen und Vorschläge für weitere Planungsschritte erarbeiten"... sollte/47/) etwa beschwor die Weltgeltung Berlins und des Berliner Luftverkehrs, "...keine Weltmetropole ohne Weltflughafen..." und sah ein Passagieraufkommen von mehr als 60 Millionen Passagieren/Jahr am Horizont der Berliner Luftverkehrsentwicklung. /48/

Für Ministerpräsident Manfred Stolpe war der Großflughafen nach damaligen Presseberichten das "Lieblingskind", u.a. weil er "Aufschwung und Neuaufbau (symbolisiert)"./49/ Wie wahr, könnte man heute kommentieren, wo vieles "auf der Kippe steht", das Flughafenprojekt eingeschlossen.

Die richtige Analyse und in der Größenordnung richtige Abschätzung der langfristigen Berlin-Brandenburger Luftverkehrsentwicklung ab Anfang der 90er Jahre war indes nicht allein eine akademische Frage, die als solche durch die reale Entwicklung mittlerweile entschieden ist: Tatsächlich wurden in 2000 - durch konjunkturelle Einflüsse noch zusätzlich beflügelt - 13,311 Millionen Passagiere auf den drei Berlin-Brandenburger Verkehrsflughäfen abgefertigt/50/ (statt der von der Lufthansa Consulting 1990 für 2000 prognostizierten 24 Millionen).

Die seinerzeit vorherrschenden, im Grundsatz falschen Entwicklungserwartungen in Bezug auf den Berlin-Brandenburger Luftverkehr, die "Prognosen von Profis"/51/, bedingten vielmehr wesentlich eine luftverkehrspolitische Weichenstellung, die schließlich die Flughafenentwicklung für Berlin und Brandenburg auf ein "totes Gleis" resp. in eine Sackgasse geführt hat.

In dieser Sackgasse schreiten die Flughafenholding BBF und ihre Gesellschafter noch immer munter voran, glauben den "Point of no return" längst hinter sich. Selbst die Beteiligten, die das Ende des Weges schon erkennen können, versichern sich und anderen unentwegt, dass es erfolgreich vorwärts geht (gelernte DDR-Bürger kennen dies aus anderen Zusammenhängen bereits).

In Anspielung auf eine berühmte Überlegung von Marx/52/ zu einem Schlüsselaspekt des Geschichtsverständnisses von Hegel kann man hier diagnostizieren, dass die Wiederholung des Berlin- und Flughafenwahns der 30er Jahre, damals Teil einer großen, weltgeschichtlichen Tragödie, in den frühen 90er Jahren den Weg bereitet hat für eine Farce (die allerdings für Teile der (Flughafenanlieger-) Bevölkerung sich durchaus auch zu einer Tragödie - anderer Art - noch auswachsen kann).

Ausgehend von den vorliegenden Prognosen "der Profis" wurde die Größe der zu erwartenden Flughafenfläche bestimmt und darauf im Weiteren die Standortsuche ausgerichtet.

Nach zwei früheren Standortsuchverfahren Anfang der 90er Jahre erlangte das von der BBF veranlasste, von Ende 1992 bis Mitte 1993 durchgeführte Suchverfahren in Vorbereitung des Raumordnungsverfahrens Flughafen Berlin Brandenburg international (1993/94) eine entscheidende Bedeutung.

Gesucht wurde nach einem Standort, der mit einer Fläche von 3.600 Hektar für einen Endausbau mit 6 Start- und Landebahnen und damit die Abfertigung von mehr als 60 Millionen Passagieren geeignet ist./53/

In einem aufwendigen mehrstufigen Verfahren wurden schließlich Sperenberg und Jüterbog-Ost als geeignete Flughafenstandorte ausgewählt und für das Raumordnungsverfahren vorgeschlagen./54/ Schönefeld-Süd wurde als "Sonderfall" (so jedenfalls noch die Klassifizierung am 14.06.93, die sich in den Informationen zur Antragskonferenz vom 01.07.93 allerdings so nicht mehr findet) trotz vergleichsweise schlechter Bewertung im Ergebnis des Suchverfahrens/55/ ebenfalls in das Raumordnungsverfahren eingebracht./56/

Ohne diesen Aspekt hier vertiefen zu wollen, fällt bei der Durchsicht der entsprechenden Unterlagen der BBF zum Standortsuchverfahren doch auf, dass der Standort Sperenberg systematisch schön interpretiert wurde. So wurde zum einen seine Berlin-Nähe hervorgehoben (bei einer Entfernung von ca. 45 km Luftlinie vom Stadtzentrum Berlin) und gleichzeitig (!) auf den möglichen positiven Beitrag zum "Konzept der dezentralen Konzentration", d.h. zur beabsichtigten Stärkung der peripheren Räume Brandenburgs verwiesen. Das Problem der Induzierung gewaltiger Verkehrsströme zwischen dem Aufkommensschwerpunkt und Sperenberg wurde hingegen weitgehend ausgeblendet.

Die Raumordnungsbehörde des Landes Brandenburg, das Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung des Landes Brandenburg, hatte die Flughafen-Planungen der BBF auf "Vereinbarkeit mit den Erfordernissen der Raumordnung und Landesplanung und den Planungen öffentlicher und anderer Planungsträger sowie die Vereinbarkeit des Vorhabens mit der Umwelt an den potentiellen Standorten" zu untersuchen und zu prüfen./57/ Abschließend wurde dazu eine "raumordnerische Gesamtabwägung" formuliert./58/

Die Raumordnungsbehörde insistierte im Ergebnis ihrer Untersuchungen und Prüfungen auf eine drastische Beschränkung der Dimensionen des Flughafenvorhabens. Unter Berufung auf neuere Erkenntnisse sah die Behörde eine Kapazität von etwa 30 Millionen Passagieren pro Jahr auch langfristig als angemessen an./59/ Dementsprechend sah sie zwei Start- und Landebahnen sowie eine Ausbaureserve für eine weitere Start- und Landebahn "auch weit über das Jahr 2010 hinaus als ausreichend" an./60/ Damit wurde das Vorhaben in seiner Größenordnung faktisch halbiert. Der Expansionswahn hatte einem neuen Realismus Platz gemacht,/61/ jedenfalls partiell.

Die Raumordnungsbehörde hatte im Zusammenhang mit der Neubewertung der voraussichtlichen Entwicklungsdynamik des Berlin-Brandenburger Luftverkehrs die große Chance, das Flughafenprojekt in Erfolg versprechende Bahnen zu lenken. Um so unverständlicher ist, warum diese Möglichkeit verpasst wurde, warum die Raumordnungsbehörde aus ihrem eigenen radikalen Schnitt in das Flughafenvorhaben, seine Reduzierung auf ein realistisches Maß, keinerlei Konsequenzen für das Standortverfahren gezogen hat!

Erwartungsgemäß wurden, zum Teil mit nicht unproblematischen Bewertungen im Einzelnen, Sperenberg und Jüterbog-Ost als geeignet befunden, während Schönefeld verworfen wurde. "Der Standort Schönefeld-Süd entspricht nicht den Erfordernissen der Raumordnung und Landesplanung... Der Standort Schönefeld wird aus landesplanerischer Sicht abgelehnt."/62/

Es fehlt in der abschließenden Einschätzung der Raumordnungsbehörde indes jeder Hinweis darauf, dass die Halbierung des Vorhabens doch auch die Standortfrage völlig neu auf die Tagesordnung setzen musste und auch völlig neue Möglichkeiten bot, zu einem tatsächlich tragfähigen Standortoptimum zu kommen./63/

Für den Single-Airport BBI wird eine Flughafenfläche von 1.400 Hektar benötigt./64/ In der ersten Stufe des 1993er Suchverfahrens wurden zunächst 93 "Kernflächen" mit einer Mindestgröße von 2,5 x 5,5 Kilometer (= 1.375 ha) ausgemacht (Schönefeld-Süd ist nicht einmal durch die Raster dieses ersten Auswahlverfahrens gekommen), die in einem weiteren sogenannten Flächenwachstumsverfahren auf 16 Standortbereiche mit mindestens 30 km2 Fläche eingegrenzt wurden./65/

Diese Verfahrensstufe hätte man sich unter den neuen Größenbedingungen aber sparen können und unmittelbar aus den 93 Kernflächen über die Einpassung eines geeigneten technischen Flughafendesigns, die Prüfung der luftfahrttechnischen Eignung sowie der Möglichkeit, eine leistungsfähige Schienenanbindung zu gewährleisten (Einbindung in das Fernverkehrsnetz, Erreichbarkeit des Lehrter Bahnhofs) usw./66/ einen optimalen Standort herausfiltern können. Natürlich wären dabei im Interesse der Verfahrenseffektivität auch neue Zwischenfilter denkbar gewesen, um den Kreis der 93 Kernflächen schrittweise zu reduzieren.

Es hätte sich jedenfalls die Chance geboten, einen besseren Standort als Sperenberg zu finden. Einen Standort näher an Berlin, am Aufkommensschwerpunkt, am hauptsächlichen Markt des Flughafens! Einen Standort, der weniger zusätzlichen Verkehrsaufwand (Verkehrsleistung) verursacht hätte! Einen Standort, von dem Brandenburg und Berlin in etwa gleichermaßen hätten wirtschaftlich profitieren können, der es wegen tatsächlicher Nähe zu Berlin den Berlinern leichter gemacht hätte, auf ihre beiden traditionellen Flughäfen zu verzichten.

Diese Chance ist vertan worden, aus Gründen, die zunächst nicht nachvollziehbar sind, die aber wohl eine gründliche Untersuchung verdient hätten. War es die Angst vor der Blamage der Landespolitik, ein viertes Standortsuchverfahren innerhalb kürzester Frist auslösen zu müssen? War es ideologische Befangenheit in dem Konzept der dezentralen Konzentration? Oder waren Erwägungen im Rahmen der intraregionalen Standortkonkurrenz mit Berlin maßgebend?

Im Ergebnis hat die Raumordnungsbehörde des Landes Brandenburg damit maßgeblich den sog. "Konsensbeschluss" der Gesellschafter der BBF vom 28.05.1996 provoziert, für "den heute erkennbaren Bedarf und unter Berücksichtigung der Möglichkeiten der BBF..., den Standort Schönefeld über das Integrationskonzept als Single-Standort zu entwickeln."

Mit dem Konsensbeschluss wurde gerade der Standort wieder ins Rennen gebracht, gegen den bis dato geradezu emsig immer mehr Argumente vorgebracht wurden.

Der Konsensbeschluss bedeutet denn auch voraussichtlich nur einen scheinbaren Fortschritt für das Flughafenprojekt. Es spricht tatsächlich eher sehr viel dafür, dass damit lediglich grünes Licht für eine weitere (kostspielige) Vorwärtsbewegung in der bereits bemühten Sackgasse der Flughafenentwicklung gegeben wurde.

Diese Einschätzung ist vor allem dann nicht übertrieben, wenn man die wesentliche Projektbedingung "uneingeschränkter 24-Stunden-Betrieb" bedenkt./67/ Uneingeschränkter 24-Stunden-Betrieb bedeutet logischer Weise auch uneingeschränkten Nachtflugverkehr. Gerade der aber dürfte angesichts einer beträchtlichen Siedlungsdichte und damit einer großen Anzahl von Fluglärm betroffener Menschen östlich wie westlich vom Flughafen (gesundheits-)politisch kaum verantwortbar und rechtlich kaum durchsetzbar sein.

Der Antragsteller im Planfeststellungsverfahren für den Ausbau Schönefelds behauptet zwar, dass auch "nach dem Erreichen der Endausbaustufe keine der heute besiedelten Flächen im Gesundheitsgefährdungsgebiet (liegt)", muss aber zugleich einräumen, dass nachts in einer größeren Zahl von Ortschaften "eine erhebliche Belästigung" der Einwohner eintreten wird - mindestens sechsmal Überschreiten eines Lärmwertes von 75 dB(A) pro Nacht./68/

Ob von den entsprechenden Lärmwerten bzw. von den Lärmwerten, die bei passivem Schallschutz in den Innen- einschließlich Schlafräumen der Anwohner festzustellen sind, eine Gesundheitsgefährdung ausgeht oder nicht, wird mit Sicherheit noch Gutachter und Gerichte beschäftigen.

In diesem Zusammenhang ist die von der Bundesregierung noch für 2001 angestrebte Novellierung des Fluglärmgesetzes von erheblicher Bedeutung. Die Bundesregierung will insbesondere den Schutz der Nachtruhe verbessern. Mit der Novellierung des Fluglärmgesetzes sollen die entsprechenden Schutzzonen "durch deutlich verschärfte Grenzwerte neu bestimmt werden"./69/ Außerdem plant die Bundesregierung, mittels einer neuen Lärmschutzverordnung "gesonderte Nachtschutzzonen" auszuweisen, die "einen erhöhten Schutz der Anrainer vor Störung der Nachtruhe sicher stellen"./70/

Lärmkarten des Bürgervereins Brandenburg-Berlin e.V. (BVBB), die niedrigere Grenzwerte für die entsprechende Fluglärmzonenbestimmung zu Grunde legen, zeigen, dass gerade von dem gesundheitsgefährdenden Nachtfluglärm wahrscheinlich wesentlich mehr Menschen betroffen sein werden, als in den Karten der Antragsunterlagen auf der Grundlage entsprechender Berechnungen anhand der Grenzwerte nach dem noch geltenden Fluglärmgesetz dargestellt./71/

Das Konzeptpapier der Bundesregierung ist von der Luftverkehrslobby massiv kritisiert worden. Auch die BBF hat sich entsprechend gegen die "verfehlte ‚Philosophie' der Luftverkehrskonzeption" positioniert. Sie sieht dadurch "die Argumente der radikalen Flughafengegner geradezu beflügelt"./72/ Das Ausbauprojekt BBI hätte bei einer Umsetzung der Konzeption "mit schweren zusätzlichen Belastungen zu rechnen"./73/ "Die Realisierung des BBI geriete in größte Gefahr, wenn insbesondere die im Konzept der Bundesregierung vorgesehenen Maßnahmen zur Fluglärmbekämpfung umgesetzt würden."/74/ "... die Auswirkungen auf den Ausbau des Flughafens Schönefeld zum BBI (Endausbauzustand) mit einer angenommenen Flugbewegungszahl von 360.000 (pro Jahr - U.M.) sind dramatisch... Es käme zu einer Vergrößerung der Schutzgebiete von ca. 180 auf 430 km2."/75/Sollten die Vorstellungen der Bundesregierung umgesetzt werden, wäre der Ausbau von Flughäfen in Stadtnähe in Zukunft prinzipiell nahezu unmöglich."/76/

Quellen und Anmerkungen

/1/ Siehe Landespressedienst Berlin, 10.05.1991 und Haase, H.; Hassemer, V.; Platzeck, M.; Wolf, J.: Brandenburg und Berlin vereinbaren Gesamtverkehrskonzept für Verkehr. In: IHK-Beiträge zu aktuellen Fragen der Stadtentwicklung. Flughafen Berlin-Brandenburg. Seminar am 05. März 1992. Materialien und Programm, (Berlin 1992).
/2/ 8. Berliner Verkehrswerkstatt. Flughafenentwicklung in der Region Berlin. 16. Oktober 1992. Dokumentation (November 1992), S. 7.
/3/ Siehe SXF. TXL. THF. BBI. Zahlen. Fakten. 2000, hg. V. Berlin Brandenburg Flughafen Holding GmbH, (Berlin 2001), S. 4f.
/4/ Neues Deutschland, 16.03.2001, S. 8.
/5/ vgl. ebenda.
/6/ Adolf Hitler am 29.10.1934 bei einem Zwischenaufenthalt in Berlin-Tempelhof in einer Besprechung mit der Flughafenverwaltung, zit. nach: Thies, Jochen: Architekt der Weltherrschaft. Die "Endziele" Hitlers, Düsseldorf 1980, S. 89.
/7/ Hitler nach ebenda, S. 80f.
/8/ Nach Treibel, Werner: Geschichte der deutschen Verkehrsflughäfen. Eine Dokumentation von 1909 bis 1989, Bonn 1992, S. 58ff.
/9/ Nach Wolf, Winfried: Berlin - Weltstadt ohne Auto? Eine Verkehrsgeschichte 1848 - 2015, Köln 1995, S. 75f.
/10/ Nach Treibel, S. 53ff. und Ott, Günther: Pioniere der Verkehrsluftfahrt - Deutscher Luftverkehr 1919 - 1945. In: Hundert Jahre deutsche Luftfahrt. Liliental und seine Erben, Gütersloh und München 1991, S. 65ff.
/11/ Nach Treibel, S. 17f.
/12/ Nach ebenda, S. 17.
/13/ Siehe z. B. Grenzdörfer, Joachim; Seifert, Karl-Dieter: Geschichte der ostdeutschen Verkehrsflughäfen. Die Verkehrsflughäfen und Landeplätze in den neuen Bundesländern von 1919 bis 1995 und in den ehemaligen Ostgebieten bis 1945, Bonn 1997, S. 31; vgl. Treibel.
/14/ Siehe ausführlich Seifert, Karl-Dieter: Der deutsche Luftverkehr 1955 - 2000 - Weltverkehr, Liberalisierung, Globalisierung, Bonn 2001.
/15/ Der allgemeinen Praxis entsprechend werden die Westberliner Daten hier trotz der bis 1990 spezifischen staatsrechtlichen Stellung der Westsektoren Berlins als "bundesdeutsche" subsummiert.
/16/ Nach Treibel, S. 17 und 36.
/17/ Ebenda, S. 28 und Flughafenkonzept der Bundesregierung (Entwurfsfassung vom 05. Juni 2000) S. 15ff.
/18/ Nach Treibel, S. 36.
/19/ Treibel, S. 35.
/20/ Die spezifischen Bedingungen eines kleinen Landes (auf Grund der geringen Entfernungen war ein rentabler Inlandsverkehr kaum möglich) mit eingeschränkten Möglichkeiten, an der internationalen Arbeitsteilung teilzunehmen, und gravierenden, politisch und wirtschaftlich bedingten Beschränkungen der Reisefreiheit der Bevölkerung über die Landesgrenzen hinweg, insbesondere in Bezug auf das westliche, nichtsozialistische Ausland, bremsten das ostdeutsche Luftverkehrswachstum nachhaltig. Im Jahre 1989 wurden bei einer Gesamtbevölkerungszahl von 62,679 Millionen auf den gewerblichen Verkehrsflughäfen der Bundesrepublik einschließlich Westberlin 69,905 Millionen Passagiere abgefertigt. Der Passagieraufkommensquotient bezogen auf die Gesamtbevölkerung beträgt damit 1,12. In der DDR wurden bei 16,434 Millionen Einwohnern im Jahr 1989 3,417 Millionen Passagiere abgefertigt. Der entsprechende Aufkommensquotient beträgt nur 0,21. Das sind 18,75 % des westdeutschen Niveaus. (Berechnet nach Treibel, S. 36; Grenzdörfer; Seifert, S. 33 und Datenreport 7. Zahlen und Fakten über die Bundesrepublik Deutschland 1995/96, Bonn 1997, S. 21.)
/21/ Grenzdörfer; Seifert, S. 34.
/22/ Ebenda.
/23/ Siehe ausführlich Seifert, S. 27 f., 33 ff. und 47 ff. sowie Grenzdörfer; Seifert, S. 31 ff. und 43ff.
/24/ Siehe ebenda, S. 49ff.
/25/ Ebenda.
/26/ Ebenda.
/27/ Ausführlich Treibel, S. 66ff.
/28/ Nach ebenda, S. 71 und Grenzdörfer; Seifert, S. 63.
/29/ Nach Treibel, S. 35.
/30/ Lufthansa Jahrbuch `91 (Köln 1991), S. 150 und 156f.
/31/ Nach Süddeutsche Zeitung, 27./28.10.1990.
/32/ Seifert, S. 171.
/33/ Zit. nach ebenda.
/34/ die tageszeitung, 08.02.1990.
/35/ Deutlicher Ausdruck dessen war u. a. das Modrow-Konzept "Für Deutschland, einig Vaterland" vom 01. Februar 1990.
/36/ Nach Neue Zeit, 22.01.1990, S. 2.
/37/ Nach Seifert, S. 170.
/38/ Lufthansa Consulting GmbH: Management Summary 06/90, S. XVIII.
/39/ Ebenda, S. Ixff.
/40/ Lufthansa Consulting GmbH: Die Entwicklung der Flughäfen im Großraum Berlin, (Köln im Mai 1991), S. 5.
/41/ Ebenda, S. 7.
/42/ Siehe dazu Entscheidungsfindung zum Großflughafenbau im Land Brandenburg. Politik im Konfliktfeld von Wirtschaft und Umwelt. Studien und Standpunkte zur Problemlage (erarbeitet im Auftrag des kommunalpolitischen forums Land Brandenburg, Potsdam 1992), S. 12 ff.; vgl. Ausbau Flughafen Schönefeld. Antrag auf Planfeststellung. Gutachten. M1: Verkehrsprognose und Modellflugplan (erstellt von AvioPlan, Februar 2000), S. 25ff.
/43/ Nach Antrag der Abgeordneten Dr. Dagmar Enkelmann und der Gruppe der PDS/Linke Liste: Erarbeitung eines ökologisch integrierten Gesamtverkehrskonzeptes für die Bundesrepublik Deutschland (Entwurf, 1992), S. 1.
/44/ Entscheidungsfindung zum Großflughafenbau, S. 14ff.
/45/ Malich, Uwe: Zwischen-, Teil- oder finale Lösung - zu welchem Ende wird der Flughafen Schönefeld ausgebaut? SGBB-Material für eine Anhörung im Kreistag Königs Wusterhausen, (1992), S. 6.
/46/ Beschlussempfehlung und Bericht des Untersuchungsausschusses 2/1 zur Aufklärung des Grunderwerbs in Berlin und Schönefeld durch die Berlin Brandenburg Flughafen Holding GmbH (BBF) und die Flughafen Berlin-Schönefeld GmbH (FBS), (Potsdam, Januar 1997), S. 69.
/47/ Nach Lufthansa Jahrbuch `91, S. 18 und 147 sowie Beschlussempfehlung und Bericht des Untersuchungsausschusses, S. 119, Anlagen B III und B IV sowie Tack, Anita: Minderheitenvotum zur Beschlussempfehlung und zum Bericht des Untersuchungsausschusses 2/1... vorgelegt durch die PDS-Fraktion im Landtag Brandenburg, S. 27 und 51. Tack stellte in ihrem Votum zur Problematik der verfehlten und für die BBF und die Gesellschafter höchst verlustträchtigen Grundstückskäufe für das sog. Baufeld Ost noch heraus, dass Prof. Ruhnau in dieser Zeit auch im Verwaltungsrat der Westdeutschen Landesbank saß, während deren 100%ige Tochtergesellschaft DIHB (Deutsche Industrie- und Handelsbank) maßgeblich in die Finanzierung der entsprechenden Grundstücksankäufe involviert war. (Ebenda, S. 26.) Die gute alte Stamokap-Theorie fand hier wieder eine glänzende Bestätigung!
/48/ Nach Beschlussempfehlung und Bericht des Untersuchungsausschusses, S. 59f.
/49/ Nach Entscheidungsfindung zum Großflughafenbau, S. 22.
/50/ SXF. TXL. THF. BBI, S. 2.
/51/ Beschlussempfehlung und Bericht des Untersuchungsausschusses, S. 57.
/52/ Marx, Karl: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte. In: MEW, Bd. 8, S. 115.
/53/ Nach BBF. Berlin Brandenburg Flughafen Holding GmbH: Flughafen Berlin Brandenburg International (BBI). Informationen zur Antragskonferenz (Stand 1. Juli 1993), S. 7, 18 und 44; BBF. Berlin Brandenburg Flughafen Holding GmbH. Ergebnisse der Standortsuche. Zusammenfassung der Gutachten (Management Summary). Vorläufige Endfassung (14.6.1993), S. 5f. und 14; (BBF. Berlin Brandenburg Flughafen Holding GmbH): Niederschrift der 9. Sitzung des 6er-Ausschusses vom 11. Mai 1993, S. 4.
/54/ Informationen zur Antragskonferenz, S. 2.
/55/ Ergebnisse der Standortsuche, S. 2 und 19f. "Der Standort Schönefeld-Süd hält per Saldo den angewandten Suchkriterien nicht stand. Trotzdem hat die Geschäftsführung die Absicht, Schönefeld-Süd als Sonderfall in das Raumordnungsverfahren einzubringen ..." (Berlin Brandenburg Flughafen Holding GmbH: Ergebnisse der Standortsuche für den Flughafen Berlin Brandenburg International. Vorlage der Geschäftsführung für die Sitzung des Sechser-Ausschusses am 21. April 1993, S. 10.)
/56/ Informationen zur Antragskonferenz, S. 2.
/57/ Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung: Zusammenfassung Ergebnisse Raumordnungsverfahren Flughafen Berlin Brandenburg international (17. November 1994), S. 2.
/58/ Ebenda, S. 21.
/59/ Ebenda, S. 5.
/60/ Ebenda.
/61/ Die Zielmarke von 30 Millionen Passagieren pro Jahr wurde von der aktuellen Prognose von AvioPlan für das gegenwärtig laufende Planfeststellungsverfahren bestätigt. (AvioPlan: Gutachten. M1.)
/62/ Zusammenfassung Ergebnisse Raumordnungsverfahren, S. 1 und 21.
/63/ Frühzeitig, in der Beratung des 6er-Ausschusses des BBF-Aufsichtsrates vom 11. Mai 1993, hatte etwa Heinz Ruhnau darauf aufmerksam gemacht, dass schon eine Beschränkung auf maximal 50 Millionen Passagiere "möglicherweise völlig andere Fragen für die Standortentscheidung (aufwirft)". (Niederschrift der 9. Sitzung des 6er-Ausschusses, S. 4.)
/64/ Flughafen Berlin Schönefeld GmbH: Wegweiser für den Planfeststellungsantrag (2000), S. 10.
/65/ Informationen zur Antragskonferenz, S. 11; Ergebnisse der Standortsuche, S. 7.
/66/ Siehe ebenda, S. 8ff. und Informationen zur Antragskonferenz, S. 11f.
/67/ Wegweiser für den Planfeststellungsantrag, S. 10. Die Bedeutung des 24-Stunden-Betriebes hat erst kürzlich wieder Lufthansa-Chef Jürgen Weber betont. (Berliner Wirtschaft. Informationen der Industrie- und Handelskammer zu Berlin, 02/2001, S. 68.) Die Lufthansa ist u. a. am Berliner Frachtgeschäft stark interessiert.
/68/ Wegweiser für den Planfeststellungsantrag, S. 53.
/69/ Flughafenkonzept der Bundesregierung (Entwurfsfassung vom 05. Juni 2000), S. 31.
/70/ Ebenda, S. 33.
/71/ Vgl. www.bvbb-ev.de/Karte/Dauerpegel_Nacht, ... Dauerpegel_Tag, ... Maximalpegel_Ostwind,...Maximalpegel_Westwind und Karten Fluglärmbelastung tagsüber und Fluglärmbelastung nachts bei Inbetriebnahme des BBI. In: Weweiser für den Planfeststellungsantrag.
/72/ Positionspapier des BBF-Konzerns zum Entwurf des Flughafenkonzeptes der Bundesregierung vom 05.06.2000, S. 1.
/73/ Ebenda, S. 2.
/74/ Ebenda.
/75/ Ebenda, S. 3.
/76/ Ebenda.


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Frank Welskop

III. Systematisierung der Konstruktionsfehler bei der bisherigen Flughafenplanung

0. Ausgangspunkt des Planungsdesasters

In einer grundsätzlichen Einschätzung muss der gegenwärtige Zustand der Flughafenplanung für den BBI als Desaster bezeichnet werden. Wie und warum es dazu kam, soll im Folgenden skizziert werden. Dabei geht es nicht um das Vollständigkeitsprinzip, sondern um die Darstellung der essentiellen, sich zum Teil bedingenden und verstärkenden Konstruktionsfehler des BBI.

Alles begann mit der politischen Wende im Osten Deutschlands. Durch den politisch transportierten Glauben von den blühenden Landschaften in Ostdeutschland wurden Tür und Tor für Hoffnungen und Spekulationen weit aufgestoßen. Ebenso sorgte das scheinbar unbegrenzte Wachstum des weltweiten Luftverkehrs für einen Höhenflug des Optimismus in dieser Branche.

Das Gemisch dieser euphorischen Wahrnehmungen führte letztlich dazu, dass der politische Glaube an einen prosperierenden Luftverkehr über den "blühenden Landschaften" des Ostens, natürlich (oder besser: besonders) auch die Region Berlin-Brandenburg infizierte. Das war der "Urknall" des Großflughafens!

In diesem Zusammenhang wird heute kein realistisch denkender Mensch ernsthaft abstreiten, dass viele Schritte bei der Planung des BBI falsch oder nicht erfolgreich waren. Anders ist die gegenwärtig 10-jährige Verzögerung des BBI nicht zu begründen, da ursprünglich 1997 die Inbetriebnahme des Großflughafens geplant war. Aber kaum einer aus den Befürworterkreisen des BBI wird zugeben, dass nicht nur einige Schritte Fehltritte waren, sondern der ganze Weg zum BBI als solcher falsch war und dieser ohne wesentliche Korrekturen in einer Sackgasse enden wird.

Das Problem des BBI sind jedoch nicht nur einzelne Fehlentscheidungen bei seiner Entwicklung und Planung, sondern die offensichtlich nicht vorhandene Erkenntnis, dass durch grundsätzlich falsche Ausgangspositionen die Weichen für den gesamten weiteren Planungsprozess falsch gestellt wurden.

Aus den zum Teil richtigen Ableitungen von allerdings grundfalschen Ausgangsprämissen aus bzw. generell falschen Implikationen im Planungsprozeß selbst entstand ein Teufelskreis, der immer weniger durch die hohe Kunst des politischen Lavierens überlistet werden konnte und kann.

1. Ursprünglich extrem überdimensionierter Großflughafen für die Region

Die Tatsachen sprechen für sich und gegen die ursprüngliche Großflughafenkonfiguration: ein auf 6 Bahnen erweiterbares "4-Start- und Landebahnen-System" bestehend aus 2 unabhängig voneinander betreibaren Landebahnpaaren für 60 Mio. Passagiere pro Jahr!

Die Prognosen für diesen offensichtlich völlig überdimensionierten Großflughafen waren jedoch ebenso falsch wie dessen ursprüngliche zeitliche Planung. Wie extrem falsch die Prognosen des Luftverkehrs für das Einzugsgebiet des Großflughafens generell waren, ist an deren einschneidenden Korrekturen ablesbar: Im Jahr 1994 plante man noch einen Großflughafen für 60 Mio. Passagiere pro Jahr. Sieben Jahre später, also im Jahr 2000, sollen es für das Jahr 2023 "nur noch" 30 Mio. Passagiere pro Jahr sein./1/

Es lässt sich an dieser Stelle weder beweisen noch widerlegen, ob es in 7 Jahren, nämlich zur gegenwärtig geplanten Eröffnung des BBI wieder eine Halbierung der Prognosen gibt. Vielleicht haben sich die Rahmenbedingungen in dieser schnelllebigen Zeit derartig geändert (und gerade das ist nicht unwahrscheinlich), dass nur noch mit 15 Mio. Passagieren pro Jahr gerechnet werden kann und der BBI im Jahr 2007 wiederum in weite Ferne gerückt ist.

Sicher ist nur, und das lässt sich nicht widerlegen, dass die Prognosen gravierend falsch waren und dadurch eine Kettenreaktion von Fehlentwicklungen ausgelöst wurde, die für das ehrgeizige Projekt pures Gift waren und immer noch sind.

Dass diese Verzerrungen und Verzögerungen bei dem "Vorzeigeprojekt" der Landesregierungen Berlins und Brandenburgs überhaupt soweit auswuchern konnten, ist u.a. auch dem Umstand geschuldet, dass es im Prinzip bis heute keine Flughafenplanung des Bundes gibt. Denn Flughafenplanung ist eigentümlicherweise nach wie vor Länderssache.

Aus dieser Summe von Fehlprojektionen entstand zugleich eine massive psychologische Abwehrhaltung der Anlieger-Gemeinden und der betroffenen Bevölkerung als heute anscheinend unüberwindbare Barrikade. Diese und viele andere Faktoren führten zu einer drastischen Entschleunigung des Projektes, wobei der Grundsatz gilt, je größer die Entschleunigung, desto größer die anfallenden Kosten. Und je höher diese Kosten, desto unrentabler das Projekt.

2. Falscher Standort für einen zu großen BBI

Eigentlich liegt es auf der Hand. Wäre nur ein relativ geringfügiger Ausbau für den Flughafen Schönefeld geplant gewesen, gäbe es bei der Erweiterung des Flughafens vergleichsweise nichtige Probleme.

Zu der Gigantomanie in der frühen Phase der Flughafenkonzeptionierung und Standortsuche kam die kontraproduktive Haltung des Landes Brandenburgs, Wohnungsbau im Umfeld des Mega-Airports bis zur relativ späten Erlassung einer Veränderungssperrre zuzulassen./2/ Die Strategie eines "scheibchenweisen" Ausbaus für einen realitätsnahen Flughafen für die Region Berlin/Brandenburg wäre dann für die Entwickler einfacher umzusetzen gewesen, als einen Mega-Airport zwischen wachsende Siedlungen zu zwängen.

Wäre jedoch andererseits von Beginn an ernsthaft über einen strategischen und perspektivischen Zuschnitt des Airports als Berlin-Brandenburg-International nachgedacht worden, hätte sich der Standort Schönefeld von alleine ausgeschlossen. Zu viele Entwicklungsrestriktionen und -risiken hätten das Projekt an diesem Standort nachhaltig in Frage gestellt. Vergleichsweise moderne Flughafenprojekte werden in der heutigen Zeit nicht in Siedlungsräume städtischer Urbanität hinein geplant und gebaut, zumal die Region Berlin/Brandenburg an geeigneten Flächen für derartige Projekte reich gesegnet ist.

Eine ungeklärte Frage bleibt in diesem Zusammenhang auch, warum mit dem Abschluß des Raumordnungsverfahrens wider besseren Wissens für den Standort Schönefeld durch die Politik votiert wurde. Denn das Raumordnungsverfahren attestierte dem Standort Schönefeld die schlechtesten Noten für den Großflughafen./3/

Spätestens zu diesem Zeitpunkt wurde trotz aller Alarmsignale in die falsche Richtung bei der Entwicklung des Großflughafens investiert. Die Frage steht also im Raum, ob diese Entscheidung ein völliges Versagen der Verantwortlichen ist oder eine politische Klüngelei zu Gunsten Berlins bzw. zu Lasten des Landes Brandenburg. Letztlich geht diese politische Entscheidung für den Standort Schönefeld jedoch zu Lasten der zahlreichen Einwohner der BBI-Umlandgemeinden.

3. Kauf falscher Flächen für einen zu großen BBI am falschen Standort

Das Trauerspiel um die Mißgeburt des BBI war ab dem Zeitpunkt kaum mehr zu übertreffen, als durch die LEG, eine 100-%ige Tochter des Landes Brandenburg, im Auftrag der BBF ca. 118 ha Flächen (sog. Baufeld Ost) für den Großflughafen an einem Standort gekauft wurden/4/, an dem sie sich im Nachhinein als völlig unbrauchbar erwiesen. Diese mittlerweile 500 Mio. DM Fehlinvestition (inklusive Zinskosten), die lediglich einige Bauern beglückte, hat sich bis heute als schwergewichtiges Entwicklungshemmnis für die stets am finanziellen Abgrund operierenden BBF erwiesen.

Hier ist die Frage zu beantworten, warum die Flughafenexperten, also die BBF, den Kauf falscher Flächen beauftragten, die LEG kritiklos diesen Auftrag ausführte und die Aufsichtsräte und Gesellschafter der BBF bzw. LEG nicht gegen diesen Kauf intervenierten. Hier verstärkt sich nochmals der Eindruck, dass die Planung des BBI von kollektiver Unfähigkeit geprägt war oder dieses Geschäftsgebaren zumindest von der Wirkung her einem Sabotageakt gleichkommt.

Aus diesen gravierenden Fehlentscheidungen und offensichtlichem Missmanagement ergibt sich eigentlich nur noch ein irreversible Kette von Fehlkonstruktionen, von dem das internationale Vorzeigeprojekt gezeichnet ist. Während in dieser Situation zwar einzelne Schritte zur Abwendung oder Abschwächung der Misere als richtig erscheinen, so wird jedoch immer klarer, dass der Weg zum BBI als solcher bisher falsch ist: ein zu großer Flughafen am falschen Standort im Raum Berlin-Brandenburg, der im Zeitalter der Globalisierung zu spät kommt. Denn in der gegenwärtigen Zeit werden die Luftverkehrsmärkte aggressiver denn je aufgeteilt. Wäre der BBI, wie ursprünglich geplant, 1997 in Betrieb gegangen, hätten sich völlig andere Chancen für ihn ergeben.

4. Hub - falsches Konzept für den zu großen BBI am falschen Standort

Für die Zukunft des BBI hat sich eigentlich seit einiger Zeit eine relativ gesicherte Erkenntnis herauskristallisiert: Einerseits erfordert die zu optimistisch angelegte BBI-Dimension einen Hub bzw. ein Drehkreuz für den Umsteigeverkehr, da sonst die Wirtschaftlichkeit des BBI kaum zu realisieren ist. Diese Feststellung ist auch in den Unterlagen zum Planfeststellungsverfahren, wenn auch nur in einem Exkurs, nachvollziehbar./1/ Andererseits ist der angestrebte BBI-Standort Schönefeld für einen Hub völlig ungeeignet.

Wichtiger noch ist allerdings die Frage, ob es in dieser Region überhaupt einen Hub geben kann. Damit verbunden ist wiederum die Kardinalfrage nach der Wirtschaftlichkeit des BBI.

Aus folgenden Gründen ist ein Hub an diesem Standort, in dieser Region aus heutiger Sicht mehr denn je fraglich:

1. Ein Hub ist nur sehr langfristig aufzubauen, in Schönefeld also frühestens ab 2007, währenddessen die Luftverkehrsmärkte, wie bereits erwähnt, heute aufgeteilt werden. Deshalb wird der BBI auch bei der Aufteilung der Hub-Märkte mit hoher Wahrscheinlichkeit zu spät kommen (Zeitaspekt). Das gilt auch für sogenannte Ost-Hubs, für die der BBI eigentlich prädestiniert gewesen wäre. Wäre ein weitaus früherer BBI-Eröffnungstermin eingehalten worden, hätten sich ganz andere Möglichkeiten hierfür ergeben.

2. Hubs benötigen sehr viel Erweiterungsfläche, da sie ein dynamisches und prosperierendes Wachstum aufweisen, wenn sie am richtigen Standort den Umsteigeverkehr bedienen (Entwicklungsaspekt).

3. Ein Hub scheitert an Restriktionen wie z.B. Nachtflugverbot, da ein uneingeschränkter 24-Stunden-Betrieb aus städtebaulicher und gesundheitspolitischer Sicht in Schönefeld nicht ohne weiteres durchsetzbar sein wird (restriktiver Aspekt).

4. Ein Hub setzt ein dichtes Netz von Linienflug- und Umsteigeverkehr voraus und benötigt bereits in der gegenwärtigen Planungsphase des BBI einen Mega-Carrier, mit dem man gemeinsam plant, baut, betreibt, um das Risiko von Fehlplanungen in Grenzen zu halten (funktionaler Aspekt). Jedoch gerade in Berlin ist der umsteigeverkehr völlig bedeutungslos. Andererseits ist es kaum denkbar, dass Deutschland noch ein weiteres Luftdrehkreuz verträgt oder benötigen wird. Und eine Airline, die in Schönefeld ab 2007 einen Hub aufzubauen gedenkt, ist auch nicht in Sicht.

Somit ist die Hub-Planung für den BBI irrational oder zumindest rein spekulativ, was wiederum bedeutet, dass ohne Hub nicht die erforderlichen Verkehrszahlen für den ohnehin schieflagigen BBI erreicht werden. Ohne Hub rechnet sich also diese Investition nicht, da die Betreibung des BBI erst ab einer kritischen Passagiermenge Rendite abwirft, die mit dem regionalen Ziel- und Quellverkehr nicht zu erreichen ist.

5. Trotz Wachstumseuphorie: Einführung einer Flughafengebühr

Die Implementierung verschiedener Instrumentarien läßt den Verdacht aufkommen, dass der BBI in dieser bisher an sich dynamischen Wachstumsbranche doch nicht so lukrativ zu sein scheint, wie immer wieder politisch und gebetsmühlenartig vorgekaut. Die Krücke für den BBI, die Einführung einer Flughafengebühr, ist Widerspruch in sich und Paradoxon zugleich:

Widerspruch, weil ein künftig angeblich so rasantes Luftverkehrswachstum für Berlin durch eine Flughafengebühr flankiert werden muss, da offensichtlich nur bei deren Einführung der Flughafenbetrieb für den Betreiber des Flughafens wirtschaftlich ist. Das Paradoxe an der Flughafengebühr ist aber zugleich, dass ein wirtschaftlicher Flugbetrieb am BBI sowohl mit als auch ohne Flughafengebühr unmöglich ist:

Ohne Flughafengebühr würde sich nur sehr schwer ein Investor finden lassen, der ihn plant, baut und betreibt. Der damalige Aufsichtsratsvorsitzende der BBF und Chef der Brandenburgischen Staatskanzlei, Herr Linde, stellte noch 1999 nüchtern fest, dass der BBI ohne Flughafengebühr gestorben ist, wobei er optimistisch davon ausging, dass die Flughafengebühr zu 97 Prozent kommen würde./5/

Mit Flughafengebühr ist der Standort für die Airlines, die Kunden des BBI, zu teuer und nimmt daher für sie diskriminierende Züge an. Hieraus würden wiederum 2 Verödungseffekte für die Berliner Flughafenlandschaft resultieren, die ja im Jahr 2007 ohnehin nur noch "Monokultur" in Gestalt des politisch verabredeten Single-Airports sein würde:

Der Abwanderungseffekt: Weil ohnehin nicht ausreichend zahlungskräftige Kunden in der Region Berlin-Brandenburg vorhanden sind, wandern strategisch wichtige Airlines ab (z.B. Rückzug von Delta Airlines auch ohne Flughafengebühr). Selbst Billig-Airlines wie Virgin warfen im Jahr 2000 ohne Einführung einer Flughafengebühr das Handtuch, weil der Flugbetrieb in Berlin für sie unwirtschaftlich war.

Der Vermeidungseffekt: Der ohnehin ungeliebte Standort Schönefeld wird von den Airlines von vornherein gemieden, da offensichtlich auch künftig nicht übermäßig viel zahlungskräftige Passagiere in Berlin sitzen werden.

Das ramponierte Image des künftigen BBI-Standortes hätte am allerwenigsten die wuchtige Drohgebärde einer Flughafengebühr benötigt. Da das im Februar 2001 fusionierte Konsortium aus Hochtief und IVG (Berlin Brandenburg International Partner, BBIP) zur Planung und Entwicklung des BBI von der Flughafengebühr offensichtlich immer noch nicht ablassen möchte, befürchten die EU-Wettbewerbshüter, dass der BBI zum teuersten Flughafen Europas avanciert./6/ Aber offensichtlich gibt es wohl nach wie vor hinreichend wirtschaftliche Engpässe, die dazu zwingen, dass Risiko dieser abschreckenden Zwangsabgabe einzugehen.

6. Kompromiß: Reduktion der Flughafengebühr und deren Konsequenzen

Ebenso wie jahrelang die ursprünglichen Prognosen für einen Ausbau des Flughafens für 60 Mio. Passagiere pro Jahr mit aller Macht politisch verteidigt und hartnäkkig begründet wurden, geschah es mit der Flughafengebühr. Trotz vehementer und langwieriger Verteidigung der Flughafengebühr wurde den Planern und Gesellschaftern der BBF in den Jahren 1999 und 2000 offensichtlich bewußt bzw. von außen bewußt gemacht, dass die Einführung einer Flughafengebühr im Rahmen der Privatisierung der BBF ein Kardinalfehler ist.

Ein möglicher Ausweg aus dem Problem ist für die Politiker eine spürbare Senkung der Flughafengebühr, gegen die die in der IATA vereinigten Airlines allerdings auch klagen würden. Besonders die Berlin anfliegenden und in der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Luftfahrtunternehmen (ADL) zusammengeschlossenen Fluggesellschaften protestierten geschlossen gegen die drohende Flughafengebühr. Sie würden generell weder dieses Finanzierungsentgelt zahlen, noch Beihilfen zur Eintreibung des Geldes von den Passagieren leisten./7/

Zeitweise war aus diesen Gründen auch eine völlige Aussetzung der Flughafengebühr im Gespräch. Mittlerweile hat die Projektplanungsgesellschaft Schönefeld (PPS) per 07.02.2001 die richtige Position eingenommen, dass das fusionierte Konsortium aus Hochtief und IVG (BBIP) diese Flughafengebühr nicht zur Finanzierung des BBI erheben sollte, da der BBI ansonsten nicht konkurrenzfähig ist.

Sollte die Flughafengebühr tatsächlich nicht mehr in Erwägung gezogen werden, hat das zur Konsequenz, dass die Investitionen für die Verkehrs- oder/und Flughafeninfrastruktur gekürzt oder/und gestreckt werden: Die Verkehrsanbindung des BBI bleibt mangelhaft und die Airlines, die ohnehin nicht nach Schönefeld wollen, kommen erst recht nicht. Das hätte wiederum zur Folge, dass die Wirtschaftlichkeit des BBI für den Betreiber unter entsprechend verschlechterten Rahmenbedingungen noch stärker in Frage gestellt wird. Die daraus resultierende negative Rückkopplung auf das Flugaufkommen würde die Diskrepanz von Prognosen und Realität noch weiter ausprägen.

Vor diesem Hintergrund forderte das im Flughafenbau erfahrene Hochtiefkonsortium frühzeitig die Einführung einer Flughafengebühr, um dadurch die Refinanzierung der erforderlichen Investitionen und somit die Voraussetzungen für einen wirtschaftlich betreibaren Airport zu bekommen.

Die Flughafengebühr lässt sich aber, wie dargestellt, kaum gegen die Airlines durchsetzen. Damit liegt ebenso die Vermutung nahe, dass das Gezerre um die Flughafengebühr Indiz für die Unwirtschaftlichkeit des Projektes an sich ist und somit zugleich Ausdruck für die Fehlerhaftigkeit des prognostizierten Flugaufkommens.

7. Vertraglich garantierte Superrendite trotz Flughafengebühr

Ein weiterer Konstruktionsfehler der Flughafenplanung war die beabsichtigte Einräumung einer gegenüber Hochtief vertraglich fixierten 15-%igen Renditegarantie und einer Option für den Ausstieg aus dem Projekt./8/ Hochtief war für einige Zeit das letzte im Privatisierungsverfahren verbliebene Konsortium, während sich das IVG-Konsortium - wegen Ungereimtheiten bei Hochtief - per Gericht später wieder in das Privatisierungsverfahren einklagte. Die seitens der BBF-Gesellschafter zuvor eingeräumte exorbitante Renditegarantie für Hochtief läßt nur 2 Schlüsse zu:

Entweder hat Hochtief einfach falsch kalkuliert (wovon nicht auszugehen ist) oder die wirtschaftliche Betreibung des BBI ist aus Sicht von Hochtief tatsächlich nicht anders sicherzustellen. Für diesen Fall ist es im Prinzip egal, welchen Namen das Konsortium trägt, um den BBI zu bauen und zu betreiben. Denn eine 15-%ige Renditegarantie und die noch im Jahr 1999 laut Politik mit Sicherheit einzuführende Flughafengebühr hieße auch für jedes andere Unternehmen/Konsortium zumindest wieder zweierlei:

1. Ohne Renditegarantie und Flughafengebühr gäbe es wahrscheinlich kein BBI-Engagement durch ein Konsortium. Offensichtlich war die Wirtschaftlichkeit des BBI für die meisten anderen Konsortien von vornherein nicht gegeben, da sie bereits vor oder zu Beginn des Privatisierungsverfahrens abgesprungen sind. Im Umkehrschluss heißt dies, dass bei einem sicheren lukrativen BBI-Geschäft weder eine Flughafengebühr noch eine derartige Renditegarantie in die vertraglichen Vereinbarungen eingeflossen wären. Außerdem hätten sich im Wettbewerb um dieses Projekt die anderen Konsortien nicht so frühzeitig verabschiedet.

2. Wenn dieser Flughafen unter den sich für ihn verkomplizierenden Rahmenbedingungen ein Flop werden würde, und die Wahrscheinlichkeit dessen wächst stetig, wäre das eine dramatische finanzielle Belastung für die armen Länder Berlin und Brandenburg, da die finanziellen Risiken im Prinzip nur bei diesen liegen.

Nach der großen Palette von Fehlleistungen und dem in aller Öffentlichkeit zur Schau gestellten Missmanagement bei diesem Projekt ist davon auszugehen, dass die Gesellschafter auch künftig nicht das erforderliche feinfühlige Risikobewußtsein für die BBI-Turbulenzen haben werden. Zumindest hat der Vertrauensverlust gegenüber der Öffentlichkeit bei dem schlappenbesetzten BBI-Projekt mittlerweile irreparable Züge angenommen. Das gravierende bei dieser Entwicklung ist jedoch, dass der Konflikt zwischen lukrativem Flughafenbau und unwirtschaftlicher Flughafenbetreibung zu Ungunsten der Gesellschafter der BBF, also besonders zu Lasten der Länder Berlin und Brandenburg gelöst zu werden droht.

8. Kompensation des Finanzierungsdefizits durch den Nonaviationbereich

Auch der Versuch, die zu erwartenden Renditeprobleme des BBI durch den sogenannten Nonaviationbereich zu kompensieren wird an diesem Standort scheitern. Während prosperierende Metropolenflughäfen tatsächlich einen Umsatz von bis zu 40 Prozent im Nonaviationbereich realisieren (Dutyfree, Einkaufscenter, Konferenzcenter, Hotels etc.) kann das an diesem Standort nicht funktionieren, weil

a) der BBI unter den oben diskutierten Aspekten kein prosperiender Flughafen sein wird,

b) das Brandenburgische Städtebauministerium ein Überangebot an großflächigem Einzelhandel und Dienstleistungen auf der Grünen Wiese im sogenannten Speckgürtel zugelassen hat, und zugleich in Berlin ein sehr großes Angebot existiert,

c) die Kaufkraft durch die niedrigeren Einkommen im Osten Deutschlands ohnehin relativ eng begrenzt ist.

Diese mehrfach eingeschränkte Kaufkraft ist auch für den Nonaviationbereich des BBI nicht vermehrbar, erst recht dann nicht, wenn Brandenburg die rote Laterne im Wirtschaftswachstum aller Bundesländer trägt und Berlin in enger Verbundenheit auf einem der anderen letzten Plätze liegt.

9. Die Illusion von der Jobmaschine im märkischen Sand

Ein weiterer Konstruktionsfehler des BBI ist die Illusion der Flughafenpolitik von der Jobmaschine. Der Mythos von der Jobmaschine verursacht eine Umkehrung aller bestehenden Regeln über die ökonomischen Zusammenhänge um Flughäfen. Die Architektur dieses Kartenhauses besteht im Folgenden:

Wenn Flughafeninfrastruktur bereitgestellt wird, dann wächst der Luftverkehr, und wenn der Luftverkehr wächst, dann wächst auch die Wirtschaft, und wenn die Wirtschaft wächst, dann werden Jobs geschaffen.

Die richtige Faustregel, die durch die Luftverkehrsbranche immer wieder bemüht wird, wurde in Berlin und Brandenburg offensichtlich niemals ernsthaft verstanden. Denn die sagt aus, dass es genau anders herum funktioniert: Wenn 1 Prozent Wirtschaftswachstum stattfindet, dann impliziert das 2 Prozent Luftverkehrswachstum und pro 1 Million Fluggäste werden dann 1000 direkte Flughafenarbeitsplätze innerhalb des Flughafenzaunes geschaffen und weitere multiplikativ im flughafenbegleitenden und im flughafennahen Bereich "außerhalb des Zaunes".

Das Berliner und Brandenburger Wirtschaftswachstum verläuft genau spiegelverkehrt zu den Luftverkehrsplänen der Regierungen beider Länder: Während das Wirtschaftswachstum der beiden Länder seit Jahren eher auf den letzten Plätzen rangiert, übernimmt man sich andererseits mit gigantischen und kostenintensiven Projekten.

Höheres Wachstum ist in Berlin in Zukunft nicht ausgeschlossen, in Brandenburg eher fraglich. Auf keinen Fall wird das Wirtschaftswachstum durch die praktizierte "Leuchtturmpolitik" verursacht, sondern eigentlich dadurch eher gebremst. Ein zukunftsfähiger BBI könnte dieses Wirtschaftswachstum allerdings verstärken, wenn für den Flughafen die Basis gegeben wäre.

Es wird bei dem Konstrukt Jobmaschine verschwiegen, dass die Installation solch eines Prozesses Jahre dauert und einer glücklicheren Hand bedarf als der, die in Berlin und Brandenburg bisher am Wirken ist. Weiter darf nicht vergessen werden, dass andere Metropolen andere wirtschaftliche und infrastrukturelle Voraussetzungen aufzuweisen haben als Berlin.

In Brandenburg wird das BBI-Projekt jedoch als Maßnahme zur Ankurbelung der Bauwirtschaft verinnerlicht, da die am Boden liegende Baubranche für das schlechte wirtschaftliche Abschneiden Brandenburgs verantwortlich gemacht wird. Inzwischen versucht die Flughafenpolitik der regionalen Wirtschaft Glauben zu machen, dass sie dieses Mal bei der Auftragsvergabe für den BBI-Bau tatsächlich nicht leer ausgeht, obwohl bei Großprojekten die Regel eine ganz andere ist. Hochtief engagiert sich für das Vorhaben natürlich hauptsächlich, um an Bauleistungen zu verdienen.

10. "Verwirtschaftlichung" des BBI durch Zulassung von Nachtflug

Im Labyrinth der Auswege aus der wirtschaftlichen und planerischen Misere des BBI gibt es eine besonders markante Geschmacklosigkeit der BBF:

Wenn tatsächlich alles so schlimm ist, wie unter den obigen 9 Punkten dargestellt (oder gar noch schlimmer), dann ist die BBF zum Durchpeitschen dieses Projektes geradewegs gezwungen. Dabei sind alle Maßnahmen zur Aufwertung des ramponierten Images des BBI gerade recht, auch das Ansinnen, unbeschränkten Nachtflug zuzulassen.

In diesem Kontext wird die nächtliche Verlärmung der Region als ausgesprochen harter Wirtschaftsstandortfaktor auf Kosten der Nerven und der Gesundheit der Anwohner in Kauf genommen, um einen Wettbewerbsvorteil für den BBI herauszuschinden. Auch in diesem Zusammenhang ist zumindest die Regierung Brandenburgs ausgesprochen kontraproduktiv:

Einerseits wird eine den engeren Verflechtungsraum stärkende Siedlungspolitik betrieben, um in dieser Region für Eigenheimbauer bzw. Umzugswillige zu werben.
Andererseits wird jedoch gerade durch das Flughafenprojekt Wohnen und Erholen im Grünen in einem großteiligen und dichtbesiedelten Teil des engeren Verflechtungsraumes konterkariert.

Weiterhin spielt offensichtlich keine Rolle im Kalkül der BBF-Akteure, dass schärfere Umweltgesetze und die Novellierung des Fluglärmgesetztes im Sinne "gesundheitsverträglicherer" Lärmzonen unmittelbar bevorstehen.

Gegenwärtig werden im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens die Bürgereinwendungen durch das Landesamt für Bauen, Verkehr und Straßenwesen des Landes Brandenburg geprüft. Es wird dahingehend auch zu prüfen sein, ob bei der Berechnung der Fluglärmzonen auf Basis des jetzigen Fluglärmgesetzes Fehler gemacht worden sind, wodurch die Lärmschutzbereiche zu Gunsten des Flughafens deutlich kleiner ausfallen. Sollte tatsächlich ein Berechnungsfehler gerade in diesem sensiblen Metier entstanden sein, wird das kein betroffener Einwohner als zufälligen Fehler in einer Kette endloser Fehler interpretieren, sondern als gezielte Vertuschung und Manipulation der tatsächlichen Lärmbelastung.

Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung die Fluglärmbelastungen des geplanten BBI aus fachlicher Sicht ebenso kritisch beurteilt, wie das Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung des Landes Brandenburgs den Standort Schönefeld als den ungünstigsten im Raumordnungsverfahren von 1994 bewertet hat.

Es ist offensichtlich, dass auch an diesem Punkt wieder Folgekosten an anderer Stelle, nämlich bei den im Flughafenumfeld wohnenden Menschen auftreten. Argumentiert wird seitens der BBF jedoch dahingehend, dass sich mit der avisierten Schließung von Tegel und Tempelhof die Lärmbilanz insgesamt "verbessert":

Wäre Schönefeld der einzig mögliche Standort im Land Brandenburg, könnte diese Argumentation noch nachvollzogen werden. Aber in dem Moment, wo das Raumordnungsverfahren mehrere andere Standorte positiver bewertet als Schönefeld, aber trotzdem für Schönefeld per politischer Verfügung durch die Gesellschafter der BBF entschieden wird, ist solch eine Denkweise an Zynismus kaum zu überbieten.

11. Flughafenentwicklung und -finanzierung durch die öffentliche Hand

Des öfteren wird durch Politiker wie den Brandenburgischen Wirtschaftsminister Fürniß geäußert, dass der BBI in jedem Fall 2007 in Betrieb gehen wird, notfalls finanziert und baut die öffentliche Hand den Flughafen selbst, um diesen eben danach zu privatisieren./9/ In diesem Fall wäre die Privatisierung der BBF endgültig gescheitert und die entstehende Kostenlawine durch eine ohnehin inkompetente Flughafenpolitik völlig außer Kontrolle.

Gerade vor dem Hintergrund, dass sich Hochtief und IVG außergerichtlich einigten und ein gemeinsames Konsortium bilden, entsteht eine Machtkonzentration, welche die Gesellschafter der BBF zur Durchsetzung ihrer Interessen durchaus unter Druck setzen könnte. Insofern dürfte das Statement des Ministers weniger als Drohung denn als Witz angesichts der tatsächlichen Konstellation zu verstehen sein.

Während bereits das Raumordnungsverfahren gescheitert ist, weil dessen Ergebnisse nicht umgesetzt wurden, besteht bei derartigen Äußerungen der Verdacht, dass auch das Privatisierungsverfahren im Zusammenhang mit den entstandenen Verwicklungen und Komplikationen letztendlich zum Scheitern verurteilt ist. Die fachlich begründeten Forderungen nach kompletter Neuausschreibung des Privatisierungsverfahrens waren jedenfalls unüberhörbar.

Die Drohung also, den Flughafen auch selbst bauen und finanzieren zu wollen, firmiert daher zugleich als schlechter bis gefährlich kostspieliger Witz gegenüber dem hiesigen Steuerzahler. Denn dieser müßte tiefer in die Tasche greifen, wenn in Brandenburg wieder überdimensionierte Anlagen gebaut werden und auf der anderen Seite z.B. soziale Infrastruktur abgewickelt wird. Das Land Brandenburg und die BBF haben ja u.a. bereits in der Vergangenheit mit dem kostspieligen Kauf falscher Flughafenflächen unmissverständlich unter Beweis gestellt, wie "kompetent" sie bei derartigen Projekten agieren.

12. Gründungsabsicht einer Flughafenentwicklungsgesellschaft

Der Brandenburgische Wirtschaftsminister Fürniß hat im Sommer 2000 seinen Willen bekundet/9/, eine Flughafenentwicklungsgesellschaft mit den Umlandgemeinden des BBI zu gründen. Es geht an dieser Stelle nicht darum zu zeigen, dass dieser Schritt falsch ist, sondern dass er wieder einmal zu spät kommt, und zwar knapp 10 Jahre.

Dieses Versäumnis ist wieder ein typisches Beispiel dafür, wie Fehler korrigiert werden sollen, die prinzipiell nicht korrigierbar sind. Diesbezüglich gibt es wieder 2 Ansätze, die dieses Defizit in der Flughafenpolitik erklären:

Entweder hat man die letzten 10 Jahre konsequent versucht, an den Kommunen vorbei zu planen, oder man hat es einfach nicht für nötig befunden, gleich zu Beginn des Planungsprozesses die Kommunen einzubinden. Allerdings ist es schwer vorstellbar das Letzteres zutrifft, da sich seit langem für alle Welt sichtbar erbitterter Widerstand in den Anrainergemeinden gegen dieses Projekt formiert.

Aus diesem Umstand ergibt sich noch ein dritter Aspekt: ist es nicht mittlerweile fast undenkbar geworden, solch eine Entwicklungsgesellschaft zu gründen, weil es die Chemie der Beteiligten nicht mehr zulässt oder vielleicht auch noch nie zugelassen hat. Die Bürgermeister können nur mit einer Mehrheit der Abgeordneten dieser Entwicklungsgesellschaft beitreten und diese Mehrheit wird es in den meisten betroffenen Kommunen nicht geben, da es nur im Amt Schönefeld einige wenige Gewinnergemeinden bei diesem Projekt geben kann.

Insofern wäre dies ein erneuter, aber eigentlich hoffnungsloser Versuch des Wirtschaftsministers, eine solche Gesellschaft zu gründen, da bereits 1994 vor dem Hintergrund eines lediglich kleindimensionierten Ausbaus von Schönefeld die Gründung eines Planungsverbandes bzw. einer Interessengemeinschaft an der absehbar ungerechten Verteilung von Chancen und Nachteilen scheiterte./10/ Wäre die Gründung einer Entwicklungsgesellschaft einer der ersten Schritte bei der Planung des BBI im Jahr 1990 oder 91 gewesen, wären die Chancen hierfür deutlich höher gewesen.

13. Fortsetzung des verfahrenen Verfahrens trotz offenkundiger Fehler

Mit der Vielfalt der Fehler tritt auch deren Wiederholung ein! Wie sich schon oben herauskristallisierte, kann das Projekt als wirtschaftliches eigentlich nicht mehr gerettet werden, nur noch als politisches (und unwirtschaftliches). Aber wer tatsächlich noch ernsthaft an dieses kostspielige Milliardenprojekt glaubt, hätte nichts wichtigeres zu tun gehabt, als die Privatisierung der BBF neu auszuschreiben und unheilbare Fehler im Planfeststellungsverfahren per Wiederholung des Verfahrens auszumerzen. Wenn das geschehen würde, müßte konsequenterweise auf Grundlage der Ergebnisse des Raumordnungsverfahren mit einer erneuten Standortwahl im Kontext realistischer Prognosen begonnen werden.

Durch solche konsequenten und tiefgreifenden Fehlerkorrekturen würde eine Kettenreaktion entstehen, die das Projekt an den Ausgangspunkt seiner Planung zurückwerfen würde. Das wiederum hätte weitreichende politische Konsequenzen und würde das Eingeständnis implizieren, daß in Anbetracht des Zeit-, Vertrauens- und Kapitalverlustes das BBI-Projekt endgültig gestorben ist. Da die verantwortlichen Politiker diese Konsequenzen natürlich scheuen wie der Teufel das Weihwasser, wird einmal mehr so weiter gemacht wie bisher: man gibt sich vorwärtsblickend optimistisch und wartet auf ein Wunder.

14. Ignoranz künftiger Umwelt- und Fluglärmgesetze

Der BBI ist für viele Planer und Befürworter noch nicht Vergangenheit. Falls es rationale Gründe für die Zukunftsfähigkeit und - notwendigkeit dieses Projektes gibt, dann sind die Befürworter gut beraten, wenn sie auch die in absehbarer Zeit geltenden Umwelt- und Fluglärmgesetze mit in den Airport "einbauen". Zukunftsfähigkeit des BBI heißt ebenso, in die Prognosen einzurechnen, dass wachsende Umwelt- und Mineralölkosten das Flugaufkommen künftig stark beeinflussen werden.

15. Torpedierung des Konsensbeschlusses zwischen Berlin und Brandenburg

Bis Ende November 2000 wurde durch alle maßgeblichen Parteien in Berlin und Brandenburg zumindest offiziell am Konsensbeschluss zur Schließung der Flughäfen Tegel und Tempelhof bis zur Eröffnung des Singleflughafens BBI festgehalten. Das sollte sich mit dem 26.11.2000 ändern, als die Berliner CDU auf ihrem Landesparteitag für die Offenhaltung der beiden Berliner Flughäfen Tegel und Tempelhof votierte./11/

Dieser Beschluss steht im krassen Gegensatz zu den Vereinbarungen der Länder Berlin und Brandenburg über die Entwicklung des BBI sowie zur Privatisierung der BBF. Diese parteipolitische Torpedierung des Projektes ist zumindest ein klares Indiz für die Schieflage bzw. politische Erosion des BBI-Vorhabens und zeigt sehr klar, dass die stärkste Berliner Partei offensichtlich nicht mehr hinter dem Projekt steht.

16. Konservatives Festhalten am Standort Schönefeld: Tod auf Raten

In dieser Auflistung von Mängeln, Fehlern und Missmanagement konnte und sollte bei weitem nicht alles berücksichtigt werden, wie etwa juristisch monierte Daten-schutzverfehlungen im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens etc....

Die dargestellte Kette oder Abfolge falscher Schritte bei der Geburt eines fehlkonstruierten BBI ist ausreichend zur Illustration eines Planungsnotstandes, der auf allen Ebenen der BBI-Entwicklung stattfand und stattfindet. Eindeutiger Indikator hierfür ist der bisherige Zeitverzug von knapp 10 Jahren. Auch wenn immer wieder und wie immer behauptet wird, es gebe keine weiteren Verzögerungen bei der Entwicklung des BBI, werden diese durch neue und ungelöste Projektkonflikte immer wieder präsent.

Auch die Festsstellung von BBI-Chefplanern, Senatoren und Ministern, dass der

- "Point of no return weit hinter uns liegt" /12/ oder
- "... der BBI kommt, weil er kommen muß..." /13/

zeigt ein tiefsitzendes Leiden: Nämlich die Unfähigkeit bei entstandenen Fehlern umzudenken oder diese überhaupt zu entdecken.

Solange die Fehlentscheidung, den Standort Schönefeld für den BBI zu favorisieren, nicht revidiert worden ist und die Prognosen für das erhoffte Flugaufkommen nicht entschieden nach unten korrigiert werden, wird die irreversible Kette des Zeitverzuges immer gravierender. Das Standortproblem für den BBI korrespondiert dabei in fataler Weise mit dem falschen Standpunkt, den man durch die zu optimistischen Prognosen eingenommen hat.

Um noch deutlicher zu werden: Welche Gründe hat das sture Festhalten am BBI Schönefeld (oder das neudeutsche BBF-Gerede vom "Point of no return")? Kann diese schier unglaubliche Palette von Fehlleistungen zumindest partiell nicht auch ein geschickt eingefädeltes intrigantes Spiel sein: Motivationen gäbe es hierfür genug! Denn ist es nicht so, dass die Kapitalvernichtung am "Baufeld Ost", die aufgrund von Inkompetenz der Entscheider und deren Kontrolleure durch sinnlose Flächenkäufe entstanden ist, sich nur über wertsteigernde "Maßnahmen" für dieses gegenwärtig billige Bauerwartungsland umkehren lässt? Anders herum gesagt, wenn der BBI woanders hin gehen würde, wäre dieses Szenario obsolet. Das hieße wiederum, dass ohne die annähernd kostendeckende Verwertung dieser Flächen die Privatisierung der BBF gefährdet ist und mehr als fraglich bleibt.

Es drängt sich also tatsächlich die Frage auf, ob sich entgegen allen anderen rationalen Gründen die Politik deshalb an den BBI am Standort Schönefeld klammert, um die Fehl-Investition "Baufeld Ost" noch rückgängig machen zu können und die sich ansonsten abzeichnende Kapitalvernichtung von bald 1 Mrd. DM aufzufangen. Das wäre wirklich starker Tobak!

Quellen und Anmerkungen

/1/ Ausbau Flughafen Schönefeld. Antrag auf Planfeststellung. M 1: Verkehrsprognose und Modellflugplan.
/2/ Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung, Kabinettsvorlage Nr. 2147/93, Sicherung der Planung für den neuen Flughafen Berlin Brandenburg International (BBI) gemäß §§ 11, 12 Vorschaltgesetz zum Landesplanungsgesetz und Landesentwicklungsprogramm für das Land Brandenburg (Vorsch GLPIG), beschlossen am 17.08.1993.
/3/ Beendigung des Raumordnungsverfahren des Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung des Landes Brandenburgs am 17.11.1994.
/4/ Vertrag über den treuhänderischen Erwerb und die Verwaltung von Grundstücken zwischen der BBF und der LEG vom 20.03.1992.
/5/ Märkische Allgemeine Zeitung, 14.01.1999, S. 2.
/6/ Berliner Morgenpost, 06.02.2001, S. 1.
/7/ Berliner Zeitung, 30.05.2000, S. 36.
/8/ Finanzierungsalternativen zum Ausbau des Flughafens "Berlin-Schönefeld" zum Airport "Berlin Brandenburg International (BBI)", Berlin, März 2000, S. 7 ff.
/9/ Wirtschaftsminister Fürniß auf der 4. Brandenburgische Wirtschaftswoche in Königs Wusterhausen/Wildau am 26.09.2000.
/10/ Regionales Strukturkonzept Umland Flughafen Schönefeld, erarbeitet im Auftrag des Landkreises Königs Wusterhausen (1994).
/11/ Berliner Zeitung, 27.11.2000, S. 33.
/12/ Hans Döhring, Geschäftsführer Technik der Flughafen Berlin-Schönefeld GmbH, auf der 4. Brandenburgische Wirtschaftswoche in Königs Wusterhausen/Wildau am 26.09.2000.
/13/ Volker Liepelt, Staatssekretär in der Senatsverwaltung für Wirtschaft und Technologie Berlin auf der 4. Brandenburgische Wirtschaftswoche in Königs Wusterhausen/Wildau am 26.09.2000.


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Frank Welskop

IV. Ausblick auf die Zukunftsrisiken des BBI-Projektes

IV.1 Zur Kritik der Prognosen im Planfeststellungsverfahren

Die Kritik an den Prognosen des Planfeststellungsverfahrens kann im Rahmen dieser Broschüre nur skizzenhaft erfolgen. Grundlage dafür sind die Unterlagen zum Plan-feststellungsverfahren, Band M: Gutachten, M 1: Verkehrsprognosen und Modellflug-plan (Schönefeld 2000).

Dieser Band M 1 hat für das Projekt allerhöchste Priorität, da in ihm der Bedarf für den BBI nachgewiesen werden soll. Sollten die den BBI basierenden Prognosen in diesen Unterlagen so realitätsfern sein wie die bisherige Flughafenpolitik, ist das Projekt ebenso in Frage gestellt wie beispielsweise der Transrapid. Bei der Analyse der Unterlagen zum Planfeststellungsverfahren stellten sich nun in der Tat gravierende Mängel heraus, die in den folgenden Ausführungen dargestellt und diskutiert werden:

Erstens: Aus wirtschaftlicher Sicht wird die Basisprognose für den BBI aufgebläht wie ein Heißluftballon, indem einfach das Bruttoinlandsprodukt Deutschlands unbe-reinigt auf Ostdeutschland übertragen wird. Da aber die Industrieproduktion in Ost-deutschland im Vergleich zu Westdeutschland ein enormes Gefälle aufweist, ergibt sich daraus eine völlig andere Situation als im gesamtdeutschen Durchschnitt. Die wirtschaftliche Situation Ostdeutschlands ist als dramatisch einzuschätzen. Es be-steht sogar die große Gefahr, dass die neuen Bundesländer vom Wachstum West-deutschlands auf lange Sicht abgekoppelt werden. Das hätte natürlich auch langfristig negative Konsequenzen für den BBI.

Zweitens: Weiterhin wird die bereits aufgeblähte Basisprognose durch einen sogenannten "Berlin-Indikatoren-Zuschlag" nochmals optimistisch auffrisiert. Im einzelnen werden genannt der Umzug der Regierung von Bonn nach Berlin, die Hub- oder Drehkreuzwirkung in Berlin, das Engagement neuer Fluggesellschaften, der Überlaufverkehr aus Frankfurt a.M., der Osteuropaeffekt, die neue Flughafeninfrastruktur, die optimale Verkehrsanbindung des BBI und der Transrapid Berlin - Hamburg.

Es ist an dieser Stelle nicht genug Raum, um auf die vielen Aspekte im Spektrum zwischen Dichtung und Wahrheit einzugehen, daher nur 2 Beispiele an dieser Stelle:

Zum Transrapid ist nur so viel zu sagen, dass er offensichtlich, dass gleiche Krankheitsbild wie der BBI hatte: Unwirtschaftlichkeit!

Interessant und aufschlußreich ist allerdings die Methode, wie mit einem schön gerechneten Projekt ein anderes Projekt, also BBI mit einer hervorragenden Transrapidanbindung bzw. -nähe, noch schöner gerechnet wird.

Der zweite hier zu benennende Aspekt ist die Hub- oder Drehkreuzfunktion des BBI, worauf schon in Kapitel III hingewiesen wurde. Den Gutachtern ist zwar zumindest in einem Exkurs des Bandes M 1 bewußt geworden, dass es kompliziert und langwierig ist, einen Hub aufzubauen und dass die erforderlichen Verkehrszahlen für den BBI ohne Hub eigentlich nicht zu realisieren sind./1/

Unabhängig und außerhalb dieses etwas kritischen Exkurses wird jedoch in den Prognosen und in der Bedarfsbegründung des BBI völlig unkommentiert und unkritisch ein Hub unterstellt, der sich zwar nicht als europäischer Hub im Stil von Frankfurt oder Amsterdam entwickeln kann, "da Berlin zu weit östlich von den wichtigsten europäischen Verkehrsflughäfen liegt. Um eine Hubentwicklung in Berlin zu ermöglichen, wäre eine Spezialisierung als Verbindungsglied zwischen Ost- und Westrouten sinnvoll, da hierbei die geographische Lage Berlin vorteilhaft zu nutzen wäre"./2/

Dazu ist zu bemerken, dass die Hublandschaft in Europa heute eigentlich abgesteckt ist! Beispielsweise etabliert sich Wien gegenwärtig als osteuropäischer Hub sehr dynamisch.

Da der Berlin-Indikatoren-Zuschlag eindeutig zu optimistisch ist, ist er auch falsch. Aber vor dem Hintergrund, dass für Berlin-Brandenburg vor allem eine Auflistung von Negativfaktoren vorgenommen werden müsste, die natürlich mit keinem Wort Erwähnung in den Unterlagen zum Planfeststellungsverfahren finden, wird das an dieser Stelle für die Gutachter stellvertretend getan.

Was sind diese Negativfaktoren für Berlin-Brandenburg, die die Prognosen deutlich schmälern müßten, wenn man sie zur Kenntnis genommen und quantifiziert hätte?

1. In Ostdeutschland sind die Vermögen und Einkommen weitaus geringer als im Westen Deutschlands. Sie werden letztlich durch das Bruttoinlandsprodukt determiniert und definieren wiederum die zahlungsfähige Nachfrage nach Luftverkehr. Da die Vermögensbildung im Osten Deutschlands ohnehin geringer war als in Westdeutschland und die Einkommen auf lange Sicht geringer bleiben werden (und eine 2-3 mal höhere Arbeitslosigkeit als in Westdeutschland sich strukturell negativ auf die Einkommenssituation auswirkt) liegt es auf der Hand, dass die Luftverkehrsnachfrage in Brandenburg bzw. Berlin auf Dauer empfindlich eingeschränkt sein wird. Das gilt erst recht dann, wenn mittlerweile 10 Jahre nach der politischen Wende der Reise-Nachholbedarf keine nennenswerte Bedeutung mehr hat.

2. Aber nicht nur im Privatreiseverkehr ist das Einzugsgebiet mit ausgesprochen großen Schwächen und Unsicherheiten behaftet. Auch im Dienstreiseverkehr weist das Einzugsgebiet des BBI enorme Nachteile auf. Denn Industrie und übrige Wirtschaft sind in Berlin und Brandenburg eher schwach. Teilweise wandert das Kapital noch immer aus Berlin ab, so dass das Wachstum und die Wertschöpfung in Berlin und Brandenburg im Bundesvergleich im unteren Bereich liegen. Das spiegelt sich ebenfalls in der hohen Arbeitslosigkeit wider, die chronisch angelegt zu sein scheint. Entscheidend ist, dass durch das (relative) Fehlen von bedeutenden Firmensitzen, die für die Airlines lukrative und entscheidende Nachfrage nach Firstclass und Businessclass völlig unbefriedigend ist. Aus keinem anderen Grund hat sich Delta Airlines 1998 aus dem Berlingeschäft zurückgezogen.

3. Das Einzugsgebiet des BBI ist mit 5 Mio. Menschen vom Bevölkerungspotenzial her ausgesprochen klein. Der Flughafen Düsseldorf mit 16 Mio. Passagieren pro Jahr hat ein Einzugsgebiet mit mindestens 12 bis 16 Mio. Einwohnern. Auf dem BBI sollen im Jahr 2023 bei 5 Mio. Einwohnern im Einzugsgebiet 30 Mio. Passagiere abgefertigt werden. Das scheint eigentlich kaum vorstellbar.

4. Neben der geringen zahlungsfähigen Nachfrage eines demokratisch und monetär kleinen Einzugsgebietes ist zu bedenken, dass sich das entsprechende Potential für den Luftverkehr außerdem durch die zunehmende Überalterung der Bevölkerung in Berlin-Brandenburg eher noch verringern wird. In spätestens 20 Jahren wird die Region diesbezüglich dramatische Probleme haben. Die Jungen ziehen dorthin, wo sie Jobs bekommen und die Alten haben nur begrenzt Sparguthaben zur Verfügung (begrenzte Vermögensbildungschancen in der Vergangenheit für die Ostberliner und Brandenburger!). Auf diesen durch die BBI-Planer völlig vernachlässigten Aspekt (obwohl der Lebensbaum bereits heute unwiderruflich kippt) ist gesondert im Punkt IV.3 einzugehen.

5. Und schließlich verringert sich durch einen weiteren Aspekt das Einzugsgebiet des BBI, wovon frappierender Weise an keiner Stelle in dem Gutachten die Rede ist: Die nachbarschaftliche Flughafenkonkurrenz in Gestalt des aufstrebenden Leipziger Flughafens und des in der Schublade schlummernden Großflughafens Stendal, der die sächsische und die märkische Region bedienen könnte. Beide Alternativen haben im Gegensatz zum Standort Schönefeld kaum Restriktionen in ihrer Entwicklung.

Drittens: In den Prognosen zum Planfeststellungsverfahrens findet der Einfluß des Hochgeschwindigkeitsschienenverkehrs (HGV) als Konkurrenz zum Inlandsluftverkehr keine ausreichende Berücksichtigung. Dieses Problem wird lediglich genannt, aber gleichzeitig durch folgende Aussage neutralisiert: Der Inlandflugverkehr gilt als ausgereift und kann daher kaum ausgeweitet werden./3/ Es wird somit nicht ernsthaft genug beachtet, dass der HGV auch das Segment des Inlandflugverkehrs reduzieren könnte. Die Beschleunigung der Bahn gerade zwischen den Metropolen (zwar auf Kosten des SPNV), kann in den nächsten Jahrzehnten sehr nachhaltig zur wachsenden Ablösung von Inlandsflügen führen, zumindest im 500 km Bereich.

Der unverhohlene Optimismus, der einem aus den Prognosen zur Begründung des BBI direkt in die Augen springt, lässt sich generell und verallgemeinernd aus den Unterlagen zum Planfeststellungsantrag zitieren: "Es ist zu erwarten, dass sich das langfristige Wachstum des Sozialprodukts respektive des Einkommens sowie die Verbilligung der Flugtarife auch in Zukunft fortsetzen wird und dadurch einen deutlichen Anstieg der Nachfrage bedingt"./4/

Es ist jedoch davon auszugehen, dass zumindest auf lange Sicht die Kerosinpreise steigen werden und/oder dass die Befreiung von der Mineralölsteuer für Flugbenzin fallen wird.

Zum anderen wäre es natürlich sehr wünschenswert, dass das Sozialprodukt respektive die Einkommen in Ostdeutschland wachsen würden, aber die Aussichten dafür sind aus verschiedenen Gründen eher trübe.

Dass der BBI, der ja im Jahr 2007 fertiggestellt werden soll, außerdem noch mit einer "unterentwickelten Reisetätigkeit", also einem entsprechenden Nachholbedarf in Ostdeutschland begründet wird, ist eigentlich nur noch lächerlich. Das Argument "Reisenachholebedarf" ist ebenso wirklichkeitsfremd wie die Behauptung, der Automarkt wächst im Jahr 2007 immer noch, weil die Ostdeutschen vom Trabant auf den Westwagen umsteigen.

Die entscheidende Frage ist jedoch eigentlich die, ob man sich das hohe Niveau der Reisetätigkeit im Osten Deutschlands oder in Deutschland generell auf Dauer noch leisten kann, nicht zuletzt, weil auch eine gewisse Sättigung des gesamtdeutschen Reisemarktes eintreten kann. In der Prognose zum Planfeststellungsverfahrens wird immerhin angesprochen, dass es zu dieser Sättigung des Reisemarktes in Deutschland kommen kann.

In den folgenden Punkten des Kapitel IV werden die hier lediglich angerissenen Aspekte weiter vertieft. Das betrifft besonders die langfristigen und immer bedeutsamer werdenden Einflußfaktoren auf den BBI.


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IV.2 Die langfristigen Einflußpotentiale auf den BBI

IV.2.1 Klimawandel und Luftverkehr

Aufgabe dieser Studie kann es natürlich nicht sein, auf das komplizierte Forschungsfeld Luftverkehr und Klima erschöpfend einzugehen. Es sollen jedoch an dieser Stelle einige wichtige klimarelevante Eckpunkte skizziert werden, die auf das Wachstum des Luftverkehrs und damit auch auf den geplanten BBI Einfluß haben werden. Da kurz vor Erscheinen dieser Studie im Januar 2001 eine neue und hochbrisante Klimastudie vom IPCC, dem Intergovernmental Panel on Climate Chan-ge,/5/ veröffentlicht wurde, werden grundlegende Aussagen dieser Studie in den Mittelpunkt dieses Kapitels gestellt. Folgende wichtige Wechselbeziehungen zwischen Klimawandel und Luftverkehr lassen sich auf Basis des gegenwärtigen Informationsstandes zu dieser Thematik sichtbar machen.

Erstens: Der Einfluß des Klimawandels auf den Tourismus/Luftverkehr

Das Reiseverhalten der Touristen wird vor allem durch 2 Aspekte bestimmt. Zum einen bestimmen die Reisekosten die Wahl des Urlaubsortes und die Aufenthaltsdauer der Reise. Zum anderen spielen psychologische Faktoren wie Erholungswert und Sicherheit am Urlaubsort eine maßgebliche Rolle. In diesem psychologischen Entscheidungsspektrum erfahren die Umweltzerstörung, der Klimawandel und das damit immer öfter verbundene Risiko von Umweltkatastrophen in den entsprechenden Urlaubsgebieten eine zunehmende Gewichtung. Der Erholungsbedürftige reist nicht in ein Dürregebiet mit sengenden Temperaturen, erst recht dann nicht, wenn die Temperaturen in Deutschland im Sommer mittlerweile subtropischen Charakter angenommen haben. Der Klimawandel hat also im Zusammenhang mit anderen psychologischen und wirtschaftlich-monetären Faktoren einen immer größeren Einfluß auf das Reiseverhalten der Touristen.

Der Klimawandel ist ein seit Jahrzehnten auftretendes Phänomen, dessen Ursachen in der Vergangenheit teilweise umstritten waren. Die Mehrheit der Klimaforscher geht jedoch nunmehr mit Sicherheit davon aus, dass die anthropogenen, d.h. die durch den Menschen verursachten Beeinflussungen des Klimas in den letzten Jahrzehnten immer mehr an Gewicht gewonnen haben und heute eindeutig dominant sind. Unklar war bis vor kurzen nur, in welchem Ausmaß die Erwärmung des Erdballs vonstatten geht und mit welchem Szenario in dem wahrscheinlichen Spektrum von 1 bis 3,5 Grad Celsius Erwärmung für dieses Jahrhundert zu rechnen ist. Die neuesten Forschungsergebnisse des IPCC weisen in der bereits erwähnten Studie vom Januar 2001 eine noch dramatischere Entwicklung in einem voraussichtlichen Erwärmungsspektrum zwischen 1,4 bis 5,6 Grad Celsius für die nächsten 100 Jahre aus./6/ Diese dramatisch-katastrophale Entwicklung wird auf allen Ebenen des politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen Lebens tiefgreifende Konsequenzen bereits in naher Zukunft nach sich ziehen. Das betrifft auch das Reiseverhalten der Touristen bzw. die Zukunft der Tourismusbranche:

Es ist naheliegend, dass bei Dürrekatastrophen, Überschwemmungen, Epidemien die Lust auf Fernreisen negativ beeinflusst wird. Es ist deshalb davon auszugehen, dass der Reiseboom aus diesen und anderen Gründen künftig deutlich in Frage gestellt wird. Bereits unter heutigen Bedingungen werden an der Schwelle dieses tiefgreifenden Klimawandels die "Urlaubsreisen der Bundesbürger...kürzer. Offenbar geht der Boom auf dem deutschen Reisemarkt dem Ende zu. Die Urlaubsdauer der Deutschen sinkt nach einer Umfrage rasant"./7/

Zwar haben nach dieser Studie die rasanten Rückgänge von 1980 (noch 18,2 Tage durchschnittliche Urlaubsreisedauer) bis 1998 (nur noch 15,1 Tage) in Höhe von fast 20 Prozent wirtschaftliche Gründe, aber der befürchtete Klimawandel wird diesen Trend nicht umkehren, sondern verstärken. Im Gegensatz zu Westdeutschland kommt für Ostdeutschland aus dieser Sicht hinzu, dass innerhalb dieses Trends die Ostdeutschen insofern ein verändertes Reiseverhalten aufweisen, als sie tendenziell ihre traditionellen Urlaubsgebiete, wie zum Beispiel die Ostsee, wiederentdecken, während der Westdeutsche eher ins Ausland fährt. Im Reisesommer 1999 bestimmten nach Aussage des BAT-Freizeitforschungsinstituts Zurückhaltung bei den Urlaubsplänen das Bild. Demnach wollten 23 Prozent der Deutschen nicht verreisen, 29 Prozent waren noch unentschlossen, 48 Prozent dagegen zur Reise entschlossen.

Wenn der Klimawandel tatsächlich eine so ernste Realität wird, wie die Mehrzahl der Klimawissenschaftler mittlerweile eindringlich warnt, dann wird auch der Luftverkehr durch diese Entwicklung in gravierender Art und Weise betroffen sein. Wenn der Luftverkehr jedoch selbst zu dieser Katastrophe mit immer größerer Relevanz beiträgt, dann sind die daraus resultierenden Konsequenzen für den Luftverkehr, vermittelt über gesellschaftliche Inakzeptanz, wirtschaftliche Fragwürdigkeit und umweltpolitische Steuerung dieser Verkehrsbranche verheerend. In gewisser Weise wäre diese Situation mit der BSE-verursachten Rindfleischkrise in Deutschland vergleichbar: Innerhalb kürzester Zeit brach hier der Rindfleischmarkt völlig zusammen und implizierte einen grundlegenden Umbruch des bisherigen inhumanen und unökologischen Ernährungssystems. Wenn sich die Umweltkrise zu einer galoppierenden Klimakatastrophe zuspitzt, wird der Luftverkehrsmarkt ebenfalls in kürzester Zeit zusammenbrechen!

Zweitens: Der Einfluss des wachsenden Luftverkehrs auf den Klimahaushalt

Dass der Luftverkehr als energieintensivstes Verkehrsmittel Einfluss auf das Klima hat, bestreitet heute kein ernstzunehmender Wissenschaftler. Der Kern der Diskussion dreht sich jedoch um das Ausmaß dieses Einflusses, dessen Relation zu anderen Verkehrsmitteln und die technischen Möglichkeiten, die entstehenden Einflüsse auf den Klimahaushalt zu reduzieren bzw. zu minimieren. Auf diese Meinungsverschiedenheiten und auf neue Forschungsergebnisse wird im Folgenden kurz eingegangen.

Klassischer Ausgangspunkt der Diskussion zu diesem Thema ist die seit Jahren von der Luftverkehrsbranche vertretene sogenannte "2-Prozent-These", wonach der Luftverkehr im Vergleich zu anderen Emittenten und Verkehrsträgern eher einen geringen Einfluss (eben mit nur 2 %) auf den Klimahaushalt habe.

Weil der boomende Luftverkehr bei der Emission der entsprechenden Schadstoffe jedoch einige Besonderheiten aufweist, muss konsequenter Weise eine entsprechende quantitative und qualitative Neubewertung der künftigen Schadstoffpotenziale stattfinden. Der Luftverkehr weist im Vergleich zu anderen Verkehrsträgern zumindest folgende 3 klimarelevanten Besonderheiten auf:

a) Wachstum des Luftverkehrs im Verkehrssektor am größten

Während der Einfluss des Verkehrssektors auf den Klimahaushalt am gravierendsten ist, wächst innerhalb der Verkehrsbranche wiederum der Luftverkehr am stärksten. Kein Verkehrsträger wächst zur Zeit so stark wie der Flugverkehr.

Das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) hat bereits im Juni 1999 einen in Fachkreisen viel beachteten Bericht vorgestellt, welcher erstmals eine umfassende Darstellung der Auswirkungen des Flugverkehrs auf das Klima und die Ozonbelastung der Atmosphäre enthält. In diesem Bericht wird belegt, dass der weltweite Personenflugverkehr seit 1960 nahezu um 9 Prozent pro Jahr und damit etwa 2,4 mal so stark wie das durchschnittliche Bruttosozialprodukt wuchs. Für die Zeit von 1990 bis 2015 wird ein Anstieg um 5 Prozent pro Jahr erwartet. Der Verbrauch an Flugtreibstoff für den gesamten Flugverkehr (Personenflugverkehr, Frachtflugverkehr und Militärluftfahrt) wird im selben Zeitraum um etwa 3 Prozent pro Jahr weiter zunehmen. Der geringere Anstieg ist durch die erwartete weitere Effizienzsteigerung des Fluggerätes bedingt./8/

Als Konsequenz hieraus ist eindeutig ableitbar, dass alle Verbesserungen an der Triebwerkstechnik zur Reduktion der klimarelevanten Emissionen durch das dramatische Wachstum des Luftverkehrs kompensiert bzw. überkompensiert werden

b) Eintrag von Schadstoffen in großen Höhen von größter Klimarelevanz

Der Eintrag von Schadstoffen findet beim Luftverkehr unter besonderen Bedingungen statt. Bei einer Vielzahl von Schadstoffen spielen dabei vor allem 3 Schadstoffe eine besondere Rolle für die Veränderung des Klimahaushaltes. Hierzu zählen in erster Linie die durch den hochfliegenden Luftverkehr eingebrachten Schadstoffe Wasserdampf, Kohlendioxid und Stickoxid (NOx).

Während in der Troposphäre diese Schadstoffe durch die Witterung noch relativ schnell ausgewaschen werden bzw. Wasserdampf durch die hohe Hintergrundkonzentration von Wasser in diesen geringen Höhen nicht klimarelevant ist, findet deren Eintrag und Verweildauer in der Tropopause und Stratosphäre unter gänzlich anderen Bedingungen statt. Die Langlebigkeit dieser klimarelevanten Schadstoffe ist dabei besonders schwerwiegend. "Flugverkehr führt zu Emissionen von gas- und partikelförmigen Stoffen vor allem in die obere Troposphäre und untere Stratosphäre und ändert dort die Zusammensetzung der natürlichen Atmosphäre. Es kommt dadurch zu einer Erhöhung der Konzentration an Treibhausgasen, darunter Kohlendioxid, Ozon, Wasserdampf und Methan. Die Bildung von Kondensstreifen wird ausgelöst und die Bedeckung durch Cirruswolken dürfte erhöht werden - auch diese Wirkungen tragen zum Klimawandel bei"./9/

Die klimarelevanten Schadstoffe des Luftverkehrs führen dazu, dass der stark wachsende Luftverkehr das Klima besonders in großen Flughöhen, d.h. in der üblichen Reisflughöhe dreifach und langfristig beeinflusst:

1. Wasserdampf führt zu einem erheblichen Treibhauseffekt durch Bildung von Kondensstreifen und Cirruswolken.
2. Stickoxid (NOx) führt zur Produktion von Ozon als einem in der Troposphäre und Tropopause besonders wirksamen Treibhausgas.
3. In der Stratosphäre kann der NOx-Eintrag dagegen zum Abbau der lebenswichtigen Ozonschicht führen.

 

 

Durch die Langlebigkeit und völlig anderen Wirkungsbedingungen in großen Höhen haben diese extrem zunehmenden Schadstoffeinträge einen völlig andern qualitativen Einfluß auf das Klimageschehen als am Boden bzw. in der unteren Troposphäre. Eine Studie des Wuppertalinstitutes für Klima, Umwelt und Energie, im Auftrag von Greenpeace erstellt, belegt diese qualitativen Auswirkungen des Luftverkehrswachstums und seiner Emissionen wie folgt:

"Die weitaus größten Steigerungen sind im Flugverkehr zu erwarten. Allein die CO2-Emissionen klettern von 17 Millionen Tonnen im Jahr 1995 auf 33,6 Millionen Tonnen im Jahr 2010. Im Jahr 2020 sind CO2-Emissionen von 44,4 Millionen Tonnen zu erwarten. Berücksichtigt man die klimaschädliche Mehrwirkung der Flugzeugabgase umgerechnet in CO2-Äquivalent, so ergibt sich eine Klimaschädlichkeit des Flugverkehrs, die mit einem Anteil von 38 Prozent an der Gesamtemission in der gleichen Größenordnung wie beim Pkw-Verkehr liegt. Berücksichtigt man die größere Klimaschädlichkeit der Flugzeugabgase durch die Flughöhe, in der sie in die Atmosphäre freigesetzt werden, so steigen die Gesamtemissionen bis 2020 sogar um 46 Prozent auf 317 Millionen Tonnen CO2 gegenüber 1995"./9/

Durch diese quantifizierende Bewertung der aggressiven Luftverkehrsschadstoffe ergibt sich bezüglich der schwerwiegenden Bedeutung dieser Emissionen für die Zukunft ein völlig anderes Bild. Denn nach gegenwärtigem Wissensstand liegt die Treibhauswirksamkeit der Luftverkehrsemissionen gegenüber bodennahen Emissionen bei einem Faktor ("Radiative Forcing Index") von Drei, wenn nicht sogar bis zu einem Faktor von Acht.

c) Konflikt zwischen Luftverkehrswachstum, Triebwerksentwicklung, Flughöhe und Energiesparen

Da der Luftverkehr mit seiner üblichen Reiseflughöhe einziger Schadstoffemittent in der Tropopause und unteren Stratosphäre ist, ergeben sich zwangsläufig folgende Konfliktfelder für dieses rasant wachsende Verkehrssystem:

1. Mit der heute üblichen Reiseflughöhe des Langstreckenluftverkehrs in der Tropopause oder Stratosphäre sinkt zwar der spezifische Kerosinverbrauch und damit auch die Menge des Schadstoffausstosses pro Flugzeug, jedoch steigt mit wachsender Reiseflughöhe die Klimaschädlichkeit dieser Schadstoffe.
2. Es gelang über Jahrzehnte hinweg, neue sparsamere Triebwerke zu entwickeln und einzusetzen. Diese Triebwerke weisen wohl einen entschieden höheren Wirkungsgrad auf und setzen zugleich weitaus weniger "klassische" Schadstoffe frei. Diese Triebwerksinnovation gelang aber nur zu dem Preis, dass infolge der viel höheren Verbrennungstemperaturen ein "moderner" Schadstoff, also Stickoxid, als Problem in der Abgasfahne entstand. Da wie bereits oben festgestellt die Reiseflughöhe heutiger Flugzeuge aus Gründen der besseren Effizienz in einem sensiblen Bereich der Atmosphäre angesiedelt ist, werden die verbesserten Abgaswerte moderner Triebwerke durch die andererseits zunehmende Emission langlebiger und aggressiver Stickoxide in großen Höhen mehr als aufgefressen. Das Problem wurde also nicht nur schadstoffseitig zu Gunsten besonders aggressiver Schadstoffe verlagert, sondern ebenfalls zu Lasten ökologisch sensibler Bereiche der Atmosphäre.
3. Der Ausweg aus diesem Zielkonflikt von Technik und Ökologie wäre wie von Experten des öfteren vorgetragen, die Meidung der unteren Stratosphäre und oberen Tropopause durch die Flugzeuge, wodurch jedoch der Kerosinverbrauch wieder stark ansteigen und die Reisezeit sich verlängern würde. Der Ausweg aus diesem Dilemma könnte eine weitere, jedoch nur langfristig denkbare Verbesserung der Triebwerke sein: Allerdings wäre diese Triebwerksinnovation weder unproblematisch noch billig. Denn es ist klar, dass durch den Einsatz neuester Triebwerke immense Kosten für Forschung und Entwicklung entstehen. Auch hier liegt es auf der Hand, dass das Reisen teurer werden würde. Insgesamt werden die möglichen weiteren Innovationen im Triebwerksbereich von Experten eher kritisch eingeschätzt. Diese Innovationen sind unzureichend, da sie oftmals nicht effizient genug sind, erst langfristig wirken sowie durch eine alte Flotte und das rasante Luftverkehrswachstum ohnehin überkompensiert werden.

Schlussfolgerungen/Forderungen

Infolge des extrem hohen Luftverkehrswachstums werden alle positiven Umwelteffekte durch ein "ökologisches Flugregime" oder durch den Einsatz neuer Triebwerksgenerationen weit überkompensiert. In dieser Situation ist es klar, dass im Prinzip nur noch auf politischer Ebene gehandelt werden kann.

Letztlich kann nur durch politisches Gegensteuern eine wirkliche Entlastung erreicht werden, indem durch den Abbau der vielschichtigen und massiven Subventionen für den Luftverkehr (siehe Kapitel IV.2.2) sowie durch Einführung von Umweltabgaben auf Flugtickets der Luftverkehr eingedämmt wird. Das wird auch in der neuesten Stellungnahme des IPCC vom Januar 2001 eindringlich gefordert./10/

Bereits 1999 stellte das IPCC fest, dass sich der Ausstoß von Kohlendioxid durch Unterschallflugzeuge bis 2050 verdreifachen und die Produktion von Ozon in Reise-flughöhen durch emittierte Stickoxide (NOx) mehr als verdoppeln wird. Als weitere Jet-Abgase mit Erwärmungseffekt nennt der 1999er IPCC-Bericht Wasserdampf und Ruß-Partikel; abkühlend sollen dagegen lediglich Schwefeloxide wirken. Als zukünftig kritischsten Klimafaktor wertet das IPCC Kondensstreifen, die ebenfalls durch neue Antriebstechnologien nicht vermieden werden können. Im Gegenteil, noch sparsamere Triebwerke könnten die Kondensstreifenbildung sogar forcieren./8/

Die Politik muss hieraus Folgerungen ziehen. Dazu zählen strengere Vorschriften für den Schadstoffausstoß und eine Senkung der CO2-Emissionen. Durch die Verlagerung von Flugverkehr auf den schienengebundenen Hochgeschwindigkeitsver-kehr, Eisenbahn und Bus könnte ein erheblicher Teil des klimaschädlichen Flugverkehrs abgelöst werden.

Die Konsequenzen der bisher unter Klimaschutzaspekten eindeutig verfehlten Verkehrs- und Luftverkehrspolitik können mit der schon oben angeführten Greenpeace-Studie abschließend verdeutlicht werden:

"Auf Grund der derzeitigen Verkehrspolitik ist die Erreichbarkeit des Klimaschutzziels im Verkehrssektor in weite Ferne gerückt. Werden heute keine weitreichenden ver-kehrspolitischen Maßnahmen ergriffen, so wird eine 25prozentige Reduzierung der CO2-Emissionen bis 2005 nur noch mit erheblicher Kraftanstrengung zu erzielen sein. Eher ist damit zu rechnen, daß sich das Erreichen des Klimaschutzziels trotz einzelner Maßnahmen weiter verzögern wird. Ursache sind die verfehlte Verkehrs-politik der letzten Jahre, sowie die im wesentlichen nur langfristig wirkenden Maß-nahmen im Verkehrsbereich. Das gesteckte Reduktionsziel von 25 Prozent muß auch Maßstab für eine umweltverträgliche und klimaschonende Verkehrsentwicklung sein. Das Klimaschutzziel von mindestens 25 Prozent muß auch im Verkehrssektor erreicht werden. Bei einer Klimaschutzpolitik, die an die verschiedenen Sektoren mit unterschiedlichen Anforderungen herangeht und deren Trends so weit auseinanderlaufen, sind Probleme vorprogrammiert. Die Verringerung der Emissionen im Transportsektor ist die Zukunftsaufgabe der bundesdeutschen Klimapolitik. Nur durch eine Lösung der drängenden Fragen im Bereich Verkehr ist eine langfristige, nachhaltige Klimapolitik zu bewerkstelligen.
Die Industrieländer als Hauptverursacher des Treibhauseffektes müssen als erstes zu Hause aktiv werden. Sie liefern den größten Beitrag zur Klimabelastung. Dabei dürfen sich die Automobilindustrie, die Transportwirtschaft und die Luftfahrt nicht ihrer Verantwortung für das Weltklima entziehen."/9/

Auch vor dem skizzierten ökologischen Hintergrund ist der Bau des BBI ein Anachronismus, ganz abgesehen von der wirtschaftlichen Fragwürdigkeit dieses unprofessionell gemanagten Projektes. Besonders im politischen Bereich gibt es ausgesprochen wirkungsvolle Hebel, den Luftverkehr auf ein ökologisch verträglicheres Mass zu reduzieren und damit das Wachstum des Luftverkehrs durch Luftverkehrsvermeidungsstrategien oder Luftverkehrsverlagerung im Kurzstreckenbereich wirksam einzudämmen, so dass sich der BBI damit schon von alleine erledigen könnte.


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IV.2.2 Künftige Vermeidungs- und Verlagerungspotenziale des Luftverkehrs

Im Kapitel IV.2.1 wurden die Wechselwirkungen zwischen Luftverkehr und Klimawandel herausgearbeitet. Es musste festgestellt werden, dass trotz aller Triebwerksinnovationen das Luftverkehrswachstum alle Schadstoffreduktionen weit überkompensieren wird. Daher geht es letztlich aus klimapolitischer Sicht darum, alle Potenziale zur Luftverkehrsvermeidung und Luftverkehrsverlagerung umzusetzen, um somit tatsächlich die klimaschädlichen Schadstoffe des Luftverkehrs reduzieren zu können.

Es geht dabei nicht darum, den Luftverkehr zu verteufeln, sondern die marktverzer-rende und klimaschädliche Subventionierung des Luftverkehrs einer notwendigen Kritik zu unterziehen und Lösungen im Interesse nachhaltiger Entwicklung und Wohl-standssicherung aufzuzeigen.

Durch eine fünffache Subventionierung des Luftverkehrs/11/ wird gegenwärtig ge-rade das energieintensivste und klimaschädlichste Verkehrssystem künstlich auf Wachstumkurs gehalten. In einer Zeit, in welcher der haus- und verkehrsgemachte Klimawandel immer offensichtlicher und folgenschwerer wird, ist es auf Dauer weder politisch noch ökologisch oder ökonomisch hinnehmbar, die komplexe und hochgra-dige Subventionierung des Luftverkehrs länger aufrechtzuerhalten.

Der Staat tritt in der Position des Luftverkehrssubventionierers nicht nur als Umwelt-zerstörer auf, sondern mißbraucht zugleich die Steuern der Bürger für kontrapro-duktive Zwecke. Wenn diese subventionellen Rahmenbedingungen für den Luftver-kehr entfallen und diese zugleich ersetzt werden durch

wachsende Kerosinkosten,
den Wegfall der Kerosinsteuerbefreiung,
wachsende Umweltsteuern,

ergibt sich eine völlig andere Situation für die Zukunft des Luftverkehrs.

Vor dem Hintergrund zumindest relativer Einkommensbeschneidungen durch künftig völlig neue finanzielle Belastungen privater Haushalte (z.B. durch wachsende Kosten für Energie, Verkehr, Wohnen, Altersvorsorge, unverseuchte Lebensmittel etc.), ist es nachvollziehbar, dass aus Kostengründen Luftverkehr vermieden und verlagert wird. Voraussetzung für diese Verlagerung ist jedoch, dass die Bahn preiswerter wird bzw. sich der Luftverkehr seinen wahren Kosten und Nebenkosten annähert.

Auch wenn es unmöglich ist, detaillierte Prognosen dazu abzugeben, so ist es jedoch ferner ziemlich sicher, dass sich permanent verschlankende und kostensparende Unternehmen zunehmend per Videokonferenz "treffen" werden und somit den Dienstreiseluftverkehr empfindlich reduzieren könnten. Bei diesen Prozessen steht die Menschheit erst am Anfang. Bereits in 10 Jahren wird es heute noch unvorstell-bare Möglichkeiten der Telekommunikation geben.

Ebenfalls wird es beim Mittelstrecken-Inlandsverkehr eine deutliche Abwanderung auf den schienengebundenen Hochgeschwindigkeitsverkehr geben, wenn die Bahn nicht weiter durch Kostenverzerrungen benachteiligt wird (bisher ist die Bahn als um-weltfreundlichstes Verkehrssystem im Gegensatz zum Luftverkehr mit einer Mineralölsteuer belastet und muss ohne staatliche Hilfe weitgehend allein für ihren Fahrweg aufkommen). In diesem Sinne forderte schon 1997 auf Initiative der PDS der Deutsche Bundestag die Bundesregierung auf, "Maßnahmen zur Reduzierung des Luft-verkehrsaufkommens sowie zur Begrenzung von Schadstoffen zu ergreifen"/12/.

Wenn diese Massnahmen greifen würden, und das ist letztlich nur eine Frage der Zeit, wird die Bahn im Vergleich zum Luftverkehr entschieden billiger. Gleichzeitig werden hierdurch die Preise der Flugtickets absolut steigen. Bedenkt man weiterhin die voraussichtlich deutliche Veränderung der Ausgabenstruktur der Haushalte, so wird deren Budget fürFlugreisen nochmals eingeschränkt.

Das beeinflusst die Luftverkehrsnachfrage im Einzugsgebiet des BBI auf Dauer zwangsläufig negativ.


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IV.2.3 Langfristige demographische und ökonomische Einflußfaktoren auf die Luftverkehrsnachfrage im Einzugsgebiet des BBI

Die in Punkt IV.2.2 dargestellten langfristigen Prozesse des Klimawandels und der daraus resultierenden Luftverkehrsvermeidung und -verlagerung werden durch 3 weitere langfristig wirkende Prozesse verstärkt. Besonders im Osten Deutschlands und damit im Einzugsgebiet des BBI werden diese Prozesse in dramatischer Weise künftig die Luftverkehrsnachfrage dämpfen.

1. Verfestigung des gegenläufigen Markteinkommens in Ost- und West-deutschland

Die wirtschaftliche Kluft zwischen West- und Ostdeutschland wird tiefer. Diskussio-nen, ob der Osten auf der Kippe steht oder nicht, oder ob er sogar bereits gekippt ist, treffen nicht den Kern des eigentlichen Problems. Entscheidend ist die Politikfähig-keit, diesem Trend entgegenzusteuern, denn die Fortsetzung dieses Trends ist nicht nur für den Osten Deutschlands negativ.

Mit Projekten, wie dem Bau des wirtschaftlich fragwürdigen BBI, mit dem lediglich den Großen der Bauindustrie mit Sitz in Westdeutschland geholfen wird und Steuer-mittel für ein falsch gerechnetes Projekt vernichtet werden, vergrößert man nur die Kluft zwischen Ost und West. Damit werden die wirtschaftlichstrukturellen Probleme in Ostdeutschland nicht gelöst, sondern die erheblichen Einkommensunterschiede in Höhe von 20 Prozent gegenüber dem Westniveau nur vergrößert.

Nach Aussage einer neuen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) vom Januar 2001 läge das Osteinkommensniveau ohne Transferleistungen nur bei 70 Prozent des Westniveaus./13/ "Die Haushaltseinkommen aus unselbständiger Tätigkeit sind zuletzt sogar auf das Niveau von 1991 zurückgefallen./14/

Das dramatische besteht nach Aussage des DIW vor allem darin, dass eine Stagnation des Einkommenszuwachses seit 1994 zu verzeichnen ist. "Da das Bruttoinlands-produkt im Ostteil Deutschlands zumindest bis 2002 geringer steigen wird als in Westdeutschland, ist eine weitere Annäherung der (Haushalts-)Erwerbseinkommen nicht in Sicht. In Verbindung mit dem sinkenden Anteil von Personen mit Erwerbs-einkommen kann daher auch von einem weiterhin unzureichenden Beitrag zur Finan-zierung der sozialen Sicherungssysteme ausgegangen werden."/15/

Damit muss letztlich eine Verfestigung dieses Trends, verbunden mit einer dauer-haften wirtschaftlichen Abkopplung des Ostens von Westdeutschland konstatiert wer-den, solange dem nicht wirksam begegnet wird.

Die Aussagen des DIW korrespondieren zugleich mit der nüchternen Feststellung, dass es immer weniger Beschäftige in Ostdeutschland gibt, dass hier seit 1991
14 Prozent aller Arbeitsplätze verloren gegangen sind.

Trotz BIP-Wachstum gab es in Ostdeutschland im Jahr 2000 einen Stellenabbau in Höhe von 1,7 Prozent. Im Vergleich dazu kam es in Westdeutschland zu einem Zu-wachs von 2,1 Prozent. Für Brandenburg ist die Situation noch dramatischer. Hier sank die Beschäftigtenzahl sogar mit einem bundesweiten Negativrekord von 2,2 Prozent. Dem steht etwa ein Positivrekord in Hessen von 2,5 Prozent gegenüber./16/

Unmittelbare Folge hieraus ist, dass bereits heute weniger Einkommen und damit ein sinkendes Urlaubsbudget besonders in Ostdeutschland zur Verfügung stehen (glei-ches gilt, wie bereits festgestellt, in abgeschwächter Form auch für Westdeutsch-land). Auf lange Sicht wird sich diese Entwicklung aus oben genannten vielschich-tigen Gründen weiter zuspitzen. Ebenso sind in Ostdeutschland auf Grund der völlig anderen Vermögensbildungsvergangenheit keine Puffer vorhanden, um diese Diffe-renz zum Westen auszugleichen.

2. Abwanderung der jungen Bevölkerung

Durch die fehlende Einkommens- und Arbeitsplatzperspektive (mehr als doppelt so hohe Arbeitslosenquote im Osten Deutschlands) und die offensichtliche Fortsetzung dieses Trends (besonders in großen Teilen Brandenburgs) entstehen einige sehr problematische Prozesse, die natürlich nicht nur für den BBI von Bedeutung sind:

a) Abwanderung besonders junger Menschen

Es findet eine nach wie vor beängstigend hohe Abwanderung junger Menschen nach Westdeutschland statt. Gerade die Jungen sind aber eine ausgesprochen wichtige Klientel für Fern- und damit Flugreisen. Diese jungen Menschen haben das Einzugs-gebiet des BBI, zumindest für längere Zeit, verlassen und stehen damit dem Flug-verkehr in Berlin Brandenburg kaum oder nicht mehr zur Verfügung.

b) Zunehmender Mangel an qualifizierten Arbeitskräften

Aus a) folgt wiederum, dass sich in Berlin-Brandenburg zunehmend ein Arbeitskräfte-mangel, vor allem bei Fachkräften, ausprägt. Der aber behindert die Region bei der dringend notwendigen Aufholjagd in Richtung auf das industriell-wirtschaftliche Ni-veau Westdeutschlands. Die strukturell bedingte Abbremsung des ostdeutschen BIP-Zuwachses durch einen zunehmenden Mangel an qualifizierten Arbeitskräften ver-festigt ihrerseits wieder die unter 1. beschriebene Basiskonstellation: die relative Ein-kommensstagnation. Wenn der Osten nach Auffassung vieler Politiker nicht auf der Kippe stehe, so befindet er sich jedoch in einem Teufelskreislauf, der diesen wirt-schaftlichen Abwärtssog verstärkt, solange er nicht politisch durchbrochen wird.

3. Das Kippen des Lebensbaumes und die Vergreisung der Bevölkerung

Da in dieser komplexen Welt ohnehin alles im Zusammenhang steht, wirkt auf diese wirtschaftlich-strukturellen Ent- (oder Ver-)wicklungen zusätzlich ein langfristiger, ste-tiger und nicht mehr umkehrbarer Prozess der Vergreisung der deutschen Bevölke-rung ein. Während 1950 noch ein Drittel der Bevölkerung unter 20 Jahre und ein Sechstel über 60 Jahre alt war, wird sich 100 Jahre später dieses Verhältnis genau umgekehrt haben: nämlich ein Sechstel unter 20 und ein Drittel über 60 Jahre.

Dieses gravierende Problem Deutschlands stellt sich für Ostdeutschland aus folgen-den Gründen noch schärfer:

c) Demographisch-strukturelle Gründe

Seit der politischen Wende und seit dem damit ausgelösten Geburtenknick, gibt es in Ostdeutschland einen schroffen Abbruch der natürlichen Reproduktion der Bevölke-rung. Spätestens 2010 setzt sich die Reproduktion dieses Geburtenbruches fort, da der ab Anfang der 90er Jahre ausgebliebene Nachwuchs keine Kinder in die Welt setzen kann.

Diese Reproduktion des Geburtenrückgangs wird durch die Abwanderung der jungen Ostdeutschen zusätzlich und dramatisch verstärkt, da die Abgewanderten zwar in Westdeutschland eine Familie gründen, aber nicht in Brandenburg bzw. den anderen ostdeutschen Ländern.

Zunehmender Fremdenhaß in Ostdeutschland blockiert andererseits ernsthaft die dringend erforderliche Zuwanderung von qualifizierten Arbeitskräften (z.B. Computer-branche) aus dem Ausland. Wenn Deutschland künftig zwingend zu einem Zuwande-rungsland werden muß, dann Brandenburg erst recht. Bereits heute veröden in Bran-denburg und Mecklenburg-Vorpommern ganze Regionen durch die skizzierten Ent-völkerungsprozesse.

Zwar wuchs in Brandenburg als einzigem neuen Bundesland in der zweiten Hälfte der 90er Jahre die Bevölkerung durch Zuwächse im sogenannten Speckgürtel Ber-lins in einem Maße, dass die beschriebene demografische Entwicklung zunächst ausgeglichen wurde. Jedoch spielt diese Entwicklung für das BBI-Einzugsgebiet keine Rolle, da die Wanderungsgewinne Brandenburgs überwiegend Abwanderungs-verluste Berlins sind./17/

d) Zunehmende Lebenserwartung

Es ist liegt auf der Hand, dass die Vergreisung ebenso durch die wachsende Lebens-erwartung der Menschen bedingt ist. Wenn im Osten gerade die Älteren und Alten zurückbleiben, wird diese Entwicklung wegen der gleichzeitig stagnierenden Wirt-schaftskraft besonders brisant, weil auf lange Sicht kaum mehr finanzierbar. Auch aus dieser Konstellation ergeben sich weitere vielschichtige Einflußfaktoren für das künftige Flugaufkommen im Einzugsgebiet des BBI.

e) Die Alten sind Reise- und Flugverweigerer

In diesem Zusammenhang ist für den BBI von Bedeutung, dass die Tourismus-branche neben der schlechten Wirtschaftslage auch aus demographisch-struktu-rellen Gründen auf Probleme zusteuert. Wenn die Gesellschaft immer älter wird, dann liegt es auf der Hand, dass weniger gereist wird. Denn alte Leute haben weni-ger Lust zu verreisen, so dass der Anteil der Reiseverweigerer immer größer wird. "Im Alter zwischen 65 und 74 wollen 45 Prozent nicht mehr verreisen. Bei den über 80jährigen sind es sogar 67 Prozent."/7/

Zusammenfassung

Auf Basis dieser vielschichtigen Recherchen lässt sich zweifelsfrei feststellen, dass die Zukunft des BBI weitaus weniger rosig aussieht, als in den Prognosen der BBF dargestellt. Jedoch wurden diese langfristigen Faktoren/Prozesse in den Prognosen der BBF nachweislich weitgehend ausgeblendet, de facto nicht berücksichtigt. Ge-rade diese langfristigen demographischen, ökologischen und ökonomischen Einflußfaktoren werden für die Luftverkehrsnachfrage im Einzugsgebiet des BBI aus ver-schiedenen Gründen aber immer gewichtiger und stellen das allergrößte Risiko-potential für die künftige Nachfrage im Einzugsbereich des BBI dar.

Der Klimawandel, demographische Veränderungen und finanzielle Engpässe in deut-schen, besonders aber in ostdeutschen Haushalten werden sich negativ auf die Tourismusbranche auswirken. Denn Urlaubsreisen werden teurer und die um-satzstarken Jahre sind nach Einschätzung der Tourismusbranche vorbei. Ebenso spielt der bisher vereinigungsbedingte Reiseboom in Ostdeutschland 10 Jahre nach der Wende keine Rolle mehr. Im Gegenteil, man besinnt sich wieder auf die tradierten Urlaubsgebiete und macht zunehmend heimatorientierten Urlaub.

Quellen und Anmerkungen

/1/ Ausbau Flughafen Schönefeld. Antrag auf Planfeststellung. M: Gutachten, M 1: Verkehrsprognose und Modellflugplan, (Schönefeld 2000), S. 118f.
/2/ Ebenda, S. 118.
/3/ Ebenda, S. 22 u. 91ff.
/4/ Ebenda, S. 19.
/5/ Das IPCC ist ein zwischenstaatliche Ausschuß für Klimaänderungen der Ver-einten Nationen (http://www.ipcc.ch).
/6/

Das Municipia - Plattform für Stadt- und Regionalentwicklung (http://www.mu-nicipia.at) gibt per 2001-01-28 eine Einschätzung des jüngsten IPCC-Klima-berichtes mit folgenden Aussagen: "CO2 Emissionen dürfen nicht mehr steigen! Wissenschaftler warnen vor Klimakatastrofe: Eine Studie führender Klimatologen ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Emission von Treibhausgasen in den nächsten 100 Jahren stark zunehmen dürfte. Der Report des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) sieht ein Szenario voraus, in dem sich die CO2-Emissionen bis zum Ende des nächsten Jahrhunderts verfünffacht haben. Sollte dieses Szenario Wirklichkeit werden, sind tiefgreifende Konsequenzen für das Klima in Form von steigen-den Temperaturen und Meeresspiegeln zu erwarten. Der Report basiert auf 40 Szenarien, die Variable wie Bevölkerungswachstum, Wirtschaftswachstum, Energieverbrauch und Veränderungen in der Landnut-zung berücksichtigen. Die Wissenschaftler des IPCC betonen, dass diese Szenarien weder Voraussagen noch Prophezeiungen sind, sondern Möglich-keiten, wie sich die Zukunft gestalten könnte. Vier der 40 Szenarien wurden als sogenannte Marker ausgewählt, die eine Szenariofamilie beschreiben. Diese vier Marker gemeinsam fassen die möglichen Emissionen von Treib-hausgasen im Jahr 2100 zusammen. Das niedrigste Markerszenario sieht eine jährliche Emission von rund 5,7 Gigatonnen voraus. Die zwei mittleren Szenarien sagen Emissionen zwischen 13,3 und 13,5 Gigatonnen voraus, rund das Doppelte von heute. Der höchste Marker gibt Werte von rund 29 Gigatonnen an. Jene Szenarien, die ein Emissionsniveau angeben, das dem heutigen entspricht oder niedriger ist, werden von den Wissenschaftlern als nicht ausreichend angesehen. Es sei zu wenig, nur ein Ansteigen der Emissionen zu verhindern. 2100 sollten die Werte ähnlich den heutigen sein, wenn nicht niedriger. Eine Reihe von Wissenschaftlern ist der Auffassung, dass für das Verhindern von tiefgreifenden Klimaveränderungen eine Reduzierung der heutigen Emis-sionen von bis zu 80 Prozent notwendig sei. Kein Marker des Reports zeigt an, dass dieser Wert auch nur annähernd erreicht werden kann. Die posi-tivsten Szenarien deuten auf Emissionsanstiege hin, die etwas geringer als die heutigen sind. Die höchsten Markerwerte zeichnen das Bild einer unwirt-lichen Welt mit extremen Klimaveränderungen.

Eine jährliche Emission von 29 Gigatonnen CO2 würde sehr wahrscheinlich zu einem Massensterben der Wälder führen. Die Bäume würden ihr ge-speichertes CO2 freisetzen anstatt es zu speichern und dadurch die globale Erwärmung weiter steigern. Die arktischen Polarkappen würden schmelzen und so zu einem erheblichen Ansteigen des Wasserspiegels der Weltmeere führen. Wissenschaftler haben den Report der IPCC kritisiert. Es sei weder die globale Erwärmung sicher, noch dass der Mensch einen wesentlichen Einfluß darauf habe".

/7/ BAT-Freizeitforschungsinstitut Hamburg, 1999.
/8/ IPCC Special Report: Aviation and the Global Atmosphere, 12.08.1999.
/9/ Petersen, Rudolf; Schallaböck, Karl-Otto: Szenariorechnungen über die Ent-wicklung der CO2-Emissionen im bundesdeutschen Verkehrssektor und die Konsequenzen für die Klimaschutzziele der Bundesregierung. Klimaschutz und CO2-Emissionen des Verkehrs. Greenpeace-Studie. Die wichtigsten Er-gebnisse (Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt und Energie, 11/98).
/10/

IPCC: Aviation and the Global Atmosphere, Januar 2001:
7. Issues for the Future
This report has assessed the potential climate and ozone changes due to air-craft to the year 2050 under different scenarios. It recognizes that the effects of some types of aircraft emissions are well understood. It also reveals that the effects of others are not, because of the many scientific uncertainties. There has been a steady improvement in characterizing the potential impacts of human activities, including the effects of aviation on the global atmosphere. The report has also examined technological advances, infrastructure improve-ments, and regulatory or market-based measures to reduce aviation emis-sions. Further work is required to reduce scientific and other uncertainties, to understand better the options for reducing emissions, to better inform deci-sionmakers, and to improve the understanding of the social and economic issues associated with the demand for air transport. There are a number of key areas of scientific uncertainty that limit our ability to project aviation impacts on climate and ozone:
* The influence of contrails and aerosols on cirrus clouds.
* The role of NOx in changing ozone and methane concentrations.
* The ability of aerosols to alter chemical processes.
* The transport of atmospheric gases and particles in the upper troposphere/ lower stratosphere.
* The climate response to regional forcings and stratospheric perturbations. There are a number of key socio-economic and technological issues that need greater definition, including inter alia the following:
* Characterization of demand for commercial aviation services, including air-port and airway infrastructure constraints and associated technological chan-ge.
* Methods to assess external costs and the environmental benefits of regula-tory and market-based options.
* Assessment of the macroeconomic effects of emission reductions in the aviation industry that might result from mitigation measures.
* Technological capabilities and operational practices to reduce emissions lea-ding to the formation of contrails and increased cloudiness.
* The understanding of the economic and environmental effects of meeting potential stabilization scenarios (for atmospheric concentrations of green-house gases), including measures to reduce emissions from aviation and also including such issues as the relative environmental impacts of different trans-portation modes.

/11/

1. Der Staat begünstigt den Luftverkehr durch Steuerbefreiung. "Es ist an sich ein Skandal, daß der Flugtreibstoff für kommerzielle Flugzeuge von einer Be-steuerung ausgenommen ist, wohingegen etwa der Dieselkraftstoff für PKW, aber auch für Stadtbusse und Lokomotiven besteuert wird. Trotz eines weit-gehenden politischen Konsenses über die Notwendigkeit, dies zu ändern (Deutscher Bundestag 1997), zeichnet sich nicht ab, daß diese durch nichts zu rechtfertigende Sonderbehandlung des Flugverkehrs ein Ende hat. Doch damit ist es nicht genug. Jeder Eisenbahnreisende - beispielsweise von Köln nach Paris - zahlt natürlich Mehrwertsteuer. Doch entscheidet er sich für die Flugreise, schädigt er damit nicht nur das Klima viel mehr, sondern spart auch noch die Mehrwertsteuer, denn internationale Flugreisen sind davon befreit..."
2. Weiterhin bezuschußt der Staat den Luftverkehr direkt. "Europäische Luft-fahrtgesellschaften wurden von 1991 bis 1993 mit 5,4 Mrd DM aus Staatskas-sen bezuschußt."
3. Der Staat subventioniert die Luftfahrtforschung unverhältnismäßig hoch: "Forschungsanstrengungen für eine Verbesserung der Emissionen von Flug-zeugen sind an sich sehr sinnvoll. Die berechtigte Frage ist, ob denn der Staat dafür Mittel bereitstellen sollte, oder ob es nicht gemäß Verursacherprinzip Aufgabe der Luftfahrtbranche selbst ist, diese Forschung zu finanzieren. Bis-her stehen auf jeden Fall die staatlichen Aufwendungen für die Luftfahrtfor-schung in keinem gesunden Verhältnis zu den Mitteln, die beispielsweise für den unumstritten umweltverträglicheren Schienenpersonenverkehr ausgege-ben wurden."
4. Der Staat bezuschußt auch Flughafenerweiterungen und -umbauten, denn "selbst beim eigentlichen Flughafenausbau, der sich nach Aussagen der Flug-häfen selbst finanziert, sind öffentliche Mittel notwendig. So geht man davon aus, daß die öffentliche Hand zum geplanten Großflughafen Berlin-Schönefeld zwischen zwei und drei Milliarden DM beisteuern muß, da die geplante private Finanzierung nicht aufgeht". 5. Außerdem subventioniert der Staat die Boden-Infrastruktur des Luftverkehrs und betreibt zudem noch Etikettenschwindel: "Bislang weitgehend unbeachtet findet eine große Subventionierung des Flugverkehrs auf dem Boden statt: Der Staat baut auf seine Rechnung Straßen- und Schienenstrecken als Zu-bringer zu den Flughäfen, die oft keine andere Funktion haben, als den Flug-hafen zu bedienen. Ironischerweise sind solche Projekte, wenn sie den Flug-hafen im Rahmen des Personennahverkehrs erschließen, unter dem Haus-haltsposten "Förderung des Öffentlichen Personennahverkehrs" zu finden - obwohl eine solche Maßnahme eine Attraktivitätssteigerung des Luftverkehrs ist!
Derzeit werden viele neue Schienen-Anbindungen der Flughäfen an das Fern-verkehrsnetz der Bahn projektiert, um die Flughäfen besser erreichen zu können, z.B. in Düsseldorf und Köln-Bonn. Um eine derartige Mittelver-schwendung zu rechtfertigen, wird versucht, die Akzeptanz für solche Projekte mit scheinbaren ökologischen Argumenten in der Öffentlichkeit zu steigern. U.a. wird das Argument angeführt, daß der ICE-Anschluß von Köln/Bonn dazu beiträgt, "Kurzstreckenflüge überflüssig zu machen". Dies ist - abgesehen von der Situation bei den Großflughäfen wie Frankfurt/Main (also etwa einer pro Land, und diese besitzen bereits meistens eine gute Schienenanbindung) - eine Mär: Man kann sich das leicht klarmachen, indem man versucht, sich den Flug vorzustellen, der dadurch überflüssig wird: Man findet keinen. Das eigentliche Ziel der genannten Projekte ist die Attraktivitätssteigerung des Flughafens (speziell wegen des Wettbewerbs der Flughäfen untereinander) und damit eine Steigerung von Fluggastzahlen und Flügen." (Treber, Manfred: Infrastrukturelle Anbindung der Flughäfen - die unbeachtete Subventionierung des Flugverkehrs Eine Bestandsaufnahme Germanwatch. ARBEITSPAPIER, NR. 14, Oktober 1998)

/12/ Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf: Die Bundes-regierung möge Maßnahmen zur Reduzierung des Luftverkehrsaufkommens sowie zur Begrenzung von Schadstoffemissionen ergreifen: 1. Verkehrsstatistiken über das Luftverkehrsaufkommen werden in Zukunft nicht mehr nach dem beschränkten Territorialprinzip, sondern nach dem Ver-ursacherprinzip erhoben. 2. Die indirekte Subventionierung des Luftverkehrs (Steuerbefreiung des Flug-benzins, Mehrwertsteuerbefreiung von Tickets im internationalen Verkehr) muß unter dem Aspekt der Wettbewerbsgleichheit zwischen den Verkehrsträ-gern und nach dem Prinzip der Vollkostendeckung im Verkehr unverzüglich eingestellt werden. Dazu ergreift die Bundesregierung im Zusammenhang mit der 1997 anstehenden Revision des Artikels 8 Abs.1 Buchstabe b) der Richt-linie 92/81 EWG eine Initiative zur Besteuerung von Flugkraftstoffen. 3. Ein Großteil des Aufkommens im Kurz- und Mittelstreckenflugverkehr unter 1000 km ist auf die Schiene zu verlagern. 4. Flüge oberhalb der Troposphäre sind generell zu verbieten. 5. Durch ein Investitionsprogramm für den schienengebundenen Verkehr ist der Erhalt und Ausbau der Bahn in der Fläche sicherzustellen. 6. Eine Aufklärungskampagne über umweltgerechte Formen von Mobilität ist zu initiieren, die zu einem Imagewandel des Fliegens und des Bahnfahrens beiträgt. 7. Auf Emissionen aus dem Luftverkehr ist eine Abgabe zu erheben, die sich nach den Schadstoff- und Lärmemissionen bemißt und mit der Landegebühr erhoben wird. Die Abgabe wird sowohl für Inlandsflüge als auch für grenz-überschreitende Flüge erhoben, Bonn, den 14. Mai 1997. (Enkelmann, Dag-mar; Wolf, Winfried; Bulling-Schröter, Eva-Maria; Köhne, Rolf; Gysi, Gregor (PDS-Gruppe): Luftverkehr und Umwelt, Drs-Nr. 13/7680, 15.05.1997.)
/13/ Grabka, Markus M.; Otto, Birgit: Angleichung der Markteinkommen privater Haushalte zwischen Ost- und Westdeutschland nicht in Sicht. DIW-Wochen-bericht, 04/01.
/14/ Ebenda.
/15/ Ebenda.
/16/ Statistisches Bundesamt, 01.02.2001.
/17/ Statistisches Landesamt Brandenburg.


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Frank Welskop

V. Zusammenfassende Darstellung der Kritik der BBI-Prognosen im Planfest-stellungsverfahren und des BBI-Planungsprozesses

Der Kernpunkt der Kritik des Planfeststellungsverfahrens sind die nach wie vor fehlerhaften Prognosen für die Bedarfsbegründung des BBI in Analogie zum Rhein-Main-Donaukanal oder zu anderen ähnlichen Projekten. Wenn diese Prognosen als Fundament des BBI tatsächlich falsch sind, dann ist damit auch die Existenzberech-tigung dieses Projektes überhaupt ebenso deutlich in Frage gestellt wie beispiels-weise beim Transrapid.

Die Prognosen für den BBI sind vor allem deshalb falsch, weil

1. globale Umweltaspekte und wahre Kosten ausgeblendet werden:

Die wahren Kosten des Luftverkehrs werden in den Prognosen, die den BBI begrün-den, nicht berücksichtigt. Im Gegensatz hierzu wird trotz aller dramatischen Verände-rungen in unserer Umwelt (Verknappung der Ressourcen und Verschmutzung der Atmosphäre) von einer Senkung der Flugtarife ausgegangen. Ohne die mehrfache Subventionierung des Luftverkehrs als energieintensivstes und klimarelevantestes Verkehrsmittel würde der Luftverkehr durch die wachsenden Mineralöl- und Umwelt-kosten permanent rückläufig sein oder das Luftverkehrswachstum zumindest stag-nieren. Die mehrfache Subventionierung des Luftverkehrs führt jedoch zur diskrimi-nierenden Behandlung gegenüber der Bahn und ist auf Dauer nicht aufrecht zu erhalten (die Bahn als umweltgerechtes Verkehrsmittel muss die Mineralölsteuer zahlen und muß für ihren Fahrweg allein aufkommen). Aus dieser Verzerrung des Verkehrsmarktes entstehen dann natürlich künstliche Engpässe auf den Berliner Flughäfen für sinnlosen und nicht zu rechtfertigenden Billig-Inlandflugverkehr.

Darüber hinaus sinken die Kosten für Flugtickets bei vielen Airlines gegenwärtig nur deshalb, weil mit der Liberalisierung des Luftverkehrsmarktes eine gnadenlose Kon-kurrenz herrscht. Sobald sich auf den entsprechenden Fluglinien Monopole gebildet haben, werden die Tickets wie beispielsweise auf Inlandsstrecken in den USA fast unbezahlbar. Vor diesem Hintergrund werden auch in Europa die Ticketkosten stei-gen, ohne dass die Tickets die wahren Kosten des Luftverkehrs widerspiegeln. Um so mehr gilt dann folgende Schlussfolgerung: Würde die Subventionierung des Luft-verkehrs durch seine wahren Kosten und durch eine künstliche Verteuerung (Um-weltsteuern auf Tickets) ersetzt werden, wäre der Luftverkehr weltweit an seiner Achillesferse getroffen.

2. langfristige Rahmenbedingungen für den Luftverkehr nicht berücksichtigt werden:

Wenn die tatsächlichen Umweltkosten des Luftverkehrs nicht in den Prognosen zum Bau des BBI widergespiegelt werden, so werden auch die langfristigen Rahmen-bedingungen für den Luftverkehr nicht berücksichtigt, obwohl der BBI eigentlich für die Zukunft gebaut werden soll.

Sicher ist, dass vor dem Hintergrund des Klimawandels und der Verknappung der Ressourcen nicht nur die Mineralöl- und Energiekosten steigen werden, inklusive Umweltsteuern etc., sondern es wird der Warenkorb der potenziellen Passagiere durch eine völlig neue Ausgabenstruktur der Haushalte insgesamt umgeschichtet (wachsende Lebensmittelkosten, steigende Versicherungsprämien bei Umweltkata-strophen, steigende Kosten für die Altersvorsorge und vieles mehr). Zu den langfris-tigen Rahmenbedingungen des Luftverkehrs zählt auch, dass der Klimawandel für den touristischen Reiseluftverkehr ebenso einschneidende Konsequenzen haben wird, wie z.B. die moderne Kommunikationstechnik auf den Dienstreiseluftverkehr.

Die langfristigen Rahmenbedingungen, die für den BBI direkt und indirekt unvermeid-lich eintreten werden, wie Klimawandel, Flugticketpreissteigerungen, Einkommens-veränderungen, demographische Prozesse werden in die Prognosen zum Planfest-stellungsverfahren überhaupt nicht hinein gerechnet, nicht einmal erwähnt. In den Prognosen wird lediglich immer wieder so getan oder geglaubt, dass sich der Luft-verkehr in der Zukunft weiter absolut und relativ verbillige, die Einkommen sich er-höhen und die Branche immer nur wachse, obwohl offensichtlich genau das Gegen-teil der Fall sein wird.

3. das regionale Einzugsgebiet des BBI überbewertet wird:

Zugegebenermaßen lassen sich die genannten langfristigen Veränderungen zu Un-gunsten des Luftverkehrs nur schwer kalkulieren. Aber wäre das Projekt mit dem Potenzial einer großen Nachfrage im Einzugsgebiet gesegnet, würden die künftig negativen Rahmenbedingungen dadurch in einem gewissen Ausmaß gepuffert werden können. Aber genau das trifft für den BBI nicht zu, da die optimistischen Prognosen für sein Einzugsgebiet nicht die wirkliche wirtschaftliche Situation der Region widerspiegeln. Das Einzugsgebiet des BBI wird daher durch die Planer künstlich vergrößert, seine Einkommens- und Wirtschaftssituation überschätzt und die nach-barschaftlichen Konkurrenzflughäfen wie Leipzig werden im Prognose-Teil der Plan-feststellungsunterlagen nicht einmal erwähnt.

4. die verkehrliche Funktionalität des BBI als Hub unrealistisch ist:

Die gegenwärtigen Umsteigeverkehre sind in Berlin verschwindend gering und es gibt kein Indiz dafür, dass sich mit einem BBI, der frühestens im Jahr 2007 fertiggestellt wird, dies gravierend und kurzfristig ändern wird. Im Gegenteil: es gibt eher deutliche Anzeichen dafür, dass sich der Umsteigeverkehr nicht wesentlich ändern wird und damit ein BBI-Hub nicht realisierbar ist. Der Grund ist banal: Der BBI kommt zu spät. Die Hub-Märkte sind im Jahr 2007, und erst recht später, längst aufgeteilt. Außerdem ist der Standort Schönefeld für die Entwicklung eines Hubs völlig ungeeignet.

Dass das Baugewerbe Interesse an solch lukrativen Projekten wie den BBI bekundet, liegt auf der Hand und liegt in der Natur der Sache. Ebenso ist hinlänglich bekannt, dass... "die Revolutionierung des Baugewerbes.... auf das engste verknüpft (ist) mit dem Vordringen des Spekulationsbaus..."(Werner Sombart).

Dagegen ist nichts einzuwenden, zumal es auch nicht zu verhindern ist. Aber wenn die Ware "BBI" zu teuer wird und an einem künftig gesättigten Markt vorbei produziert wird, dann haben wir es nicht nur mit einem Spekulationsbau zu tun, sondern mit einem Pseudomarkt. Und dieser Pseudomarkt wird durch unrealistische, d.h. extrem optimistische Prognosen sorgfältig ausstaffiert. Diese falschen Prognosen blenden alle Restriktionen, Risiken, Unsicherheiten und negative Einflußfaktoren für den BBI ebenso systematisch aus wie etliche andere Prognosen für andere Projekte, was sehr leicht empirisch belegbar ist. Neben dem Transrapid wird das wohl auch für das Verkehrsprojekt 17 zutreffen. Ebenso sind die Abwasserbehandlungsanlagen in Brandenburg zu groß geworden, die Gewerbeparks in Ostdeutschland zum großen Teil überflüssig bzw. nicht ausgelastet. Neuerdings kommt der "Cargolifter" in die Negativschlagzeilen. Und es ist auch zu vermuten, daß der Lausitzring bzw. Euro-Speedway das gleiche Krankheitsbild aufweisen wird. Ebenfalls klaffen bei der DB AG explodierende Kosten für Großprojekte, z.B. Zentralbahnhof Berlin, und schrumpfende Umsatzprognosen schmerzhaft auseinander. Das Defizit der Expo-Bilanz durch völlig falsche Umsatzprognosen muß hier nicht näher erläutert werden. Die Liste ließe sich ohne Probleme verlängern.

Auf Basis der bisherigen Recherchen ist sogar zu befürchten, dass die Fehlkalkula-tionen beim BBI noch gravierender sind als bei den anderen Projekten. Der BBI-Planungsprozess ist seit 1990 mit einer Vielzahl von Fehlern behaftet und die künftigen Rahmenbedingungen für den BBI-Betrieb, die von vornherein relativ schlecht waren, haben sich dadurch weiter verschlechtert (siehe Kapitel III). Die mit hoher Wahrscheinlichkeit falschen Prognosen für den BBI sind konzentrierter Aus-druck dieser Situation (siehe Kapitel IV).

Es ist nicht Aufgabe der Studie, die Ursachen dieser Fehler und des Mißmana-gements in ihrer Gesamtheit tiefgreifend zu recherchieren, sondern lediglich deren Auswirkungen auf das Projekt nüchtern zu bilanzieren. Allerdings ist es von allgemei-nem Interesse, wie es zu diesem Planungschaos überhaupt kommen konnte, welche subjektiven und objektiven Ursachen dafür verantwortlich sind. Die in Kapitel III dar-gestellten 16 Fehlkonstruktionen des BBI lassen sich dahingehend auf 5 grund-sätzliche Fehlerquellen/1/ zurückführen, die letztlich zur beschriebenen Planungs-situation führten:

1. Entscheidungsfehler
Es werden bewusst Handlungen gewählt, die unnötiges Risiko mit sich bringen.

2. Ablauffehler
Es wird zwar das Richtige versucht, aber falsch entschieden.

3. Kommunikationsfehler
Informationen werden missverstanden oder falsch übermittelt.

4. Kompetenzmängel
Fehlendes Wissen oder Fähigkeit für die Planung.

5. Absichtliche Regelverletzungen
Es kommt sehenden Auges zu Verstößen gegen Vorschriften, Gesetze etc.

Es ist müßig, an dieser Stelle auf die vielen Fehlentscheidungen und Planungsfehler nochmals einzugehen, die außerdem in diesem Chaosprojekt ohnehin nicht ohne weiteres den einzelnen Fehlertypen zuzuordnen sind. Wozu auch! Es soll jedoch der sich aufdrängende Gedanke nochmals vertieft werden, dass es zu beabsichtigten "Regelverletzungen" gekommen sein kann, die gezielt jegliche fachlich-sachgerechte Entscheidung verdrängt haben. Gemeint ist, dass wider besseren (Fach-)Wissens am Standort Schönefeld festgehalten wurde und wird, um die entwerteten Baufeld-Ost-Flächen wieder salonfähig zu machen. Denn nur durch den BBI am Standort Schönefeld findet ein Druck auf die Baulandpreise im Umfeld des BBI statt, so dass ein völlig neues Bodenpreisgebirge in der Region entstehen würde. Dadurch wäre einer der gravierendsten Fehler (wenn nicht sogar der gravierendste Fehler) der BBF-Politik bei der BBI-Planung/Zwischenausbaukonzept ausgemerzt oder zumindest abgeschwächt. Diese Fehlinvestition behindert die Privatisierung der BBF bis zum heutigen Tag.

Dieser Gedanke lässt sich unisono weiterführen: Ohne lukrative Verwertung der Bau-feld-Ost-Flächen keine Privatisierung der BBF, also deshalb auch kein Standort Sperenberg, weil sonst keine Privatisierung der BBF, und ohne Privatisierung der BBF kein BBI, weil die öffentlichen Hände, namentlich die Berliner und Brandenburger Landeskassen, leerer denn je sind. Wenn das so ist, heißt das, wer einmal gravierende Fehler gemacht hat (ob mit Absicht oder ohne sei dahingestellt) muss wietere Fehler machen. Und dieses Mal beabsichtigt, um seinen (politischen) Kopf zu retten.

Dieses Milliardenspiel wäre auch dann mittels der Politik des "so tun als ob" zu insze-nieren, wenn man längst wüßte, dass der BBI in Schönefeld nicht funktioniert oder nicht machbar ist. Die Choreographie der Inszenierung entscheidet letztlich darüber, wieviel Zeit oder Legislaturperioden man gewinnen kann. Also alles auf die lange Bank geschoben (vielleicht ist man ja auf dieser Berliner Bank mit Anderen in bester Gesellschaft), und immer nach dem Motto, der "point of no return" liegt ja schon lange hinter uns. Wenn diesen krummen Geschäfte tatsächlich nach diesem Muster gestrickt sind, kommt dem entsetzten Beobachter dieser Szenerie die Botschaft des "point of no return" mit einem ganz anderen Bühnenbild vor Augen geführt.

Die manische Euphorie gegenüber den hyperoptimistischen Prognosen, die den be-auftragten Gutachtern aus dem politischen Soufleurkasten in das Drehbuch diktiert wurden, entwickelte eine derartige Virulenz in der bisherigen BBI-Geschichte, dass sie sich metastasenförmig in alle Entscheidungen und Verfahren (ob nun Standort-auswahl-, Raumordnungs-, Privatisierungs- und demzufolge auch in das Planfest-stellungsverfahren) ausbreitete.

Hierzu gehört auch der sinnlose und kapitalvernichtende Kauf der Baufeld-Ost-Flächen am falschen BBI-Standort im riesigen Flächenland Brandenburg. Die Effekte eines aus den genannten möglichen niederen Instinkten motivierten BBI am Standort Schönefeld wären verheerend: Einerseits wird durch dieses mit Sicherheit nicht opti-mal funktionierende Flughafenprojekt letztlich noch mehr Kapital vernichtet. Andererseits findet eine diskriminierende innerstädtische Fluglärmtransferierung von West nach Ost statt (der Osten steht nicht nur auf der Kippe, er wird in dieser Stadt auch zur Lärmkippe). Hierdurch findet nicht nur eine weitere Spaltung der Stadt statt, sondern es wird auch niemals die Frage ernsthaft danach gestellt, wie Arbeit und Wachstum in Berlin-Brandenburg tatsächlich entstehen können.

Das Fehlerbild der Flughafenplanung ist also auf eine Vielzahl subjektiver Gründe zurückzuführen. HInzu kommen objektive Fehlerquellen, welche die Berlin-Branden-burger Fehlplanungen sozusagen von außen mit verursacht haben. Im Rahmen dieser Studie sind diese objektiven Aspekte besonders in folgendem zu sehen: 1. Weil der Staat den absolut umweltschädlichen Luftverkehr mehrfach subventioniert und die relativ umweltfreundliche Bahn mehrfach benachteiligt, wird nicht nur das klimaschädliche Wachstum des Luftverkehrs angeheizt, sondern es werden zugleich Umsatz und Nachfrage bei der Bahn eingeschränkt. Durch diese Verzerrung des Verkehrswettbewerbes werden zugleich die Slots der Berlin-Brandenburger Flughäfen für überflüssigen und vermeidbaren Kurzstreckenflugverkehr beansprucht. Das Berlin-Brandenburger Luftverkehrswachstum ist besonders auf diesen Teil des Luftverkehrs zurückzuführen, der zugleich zur sogenannten bzw. künstlichen "Kapazitätskrise" führt. Aus dieser Situation ist die Forderung nach Erweiterung der Flughafeninfrastruktur nicht unwesentlich abgeleitet worden. In diesem Kontext tritt der Staat also als Verursacher von sinnlosem Luftverkehr und somit als massiver Umweltzerstörer auf.

2. Da Flughafenplanung eigenartigerweise nach wie vor Ländersache ist, gibt es an sich auch kein Luftverkehrskonzept für Deutschland. Gerade im zeitlichen Zusam-menhang mit der politischen Wende Ostdeutschlands ergab sich dadurch eine schädliche Konkurrenz zwischen den neuen Bundesländern, was die Spekulation über wachsende Luftverkehre maßgeblich anheizte. Wegen der unter Punkt 1 genannten ohnehin falschen Voraussetzungen führte dieser Konkurrenzdruck zu weiteren Verzerrungen des eigentlichen Flughafenbedarfes in Ostdeutschland. Hier ist wiederum der Staat für ein beträchtlichen Teil des Planungschaos verantwortlich.

3. Außerdem wurde diese Fehlentwicklung durch die besonders schwierige Um-bruchsituation der Länder Berlin und Brandenburg zusätzlich verstärkt, die hier in mehrfacher Hinsicht komplizierter war, als in den anderen neuen Bundesländern.

Aus dem komplexen Gemisch von subjektiven und objektiven Faktoren entstehen in den falschen Planfeststellungsprognosen der BBF (und damit der Länder Berlin und Brandenburg sowie des Bundes) folgende Irritationen, die an dieser Stelle wegen ihres exemplarischen Charakters nochmals zitiert und kommentiert werden sollen:

"Es ist zu erwarten, dass sich das langfristige Wachstum des Sozialprodukts respek-tive des Einkommens sowie die Verbilligung der Flugtarife auch in Zukunft fortsetzen wird und dadurch einen deutlichen Anstieg der Nachfrage bedingt"./1/

Diese schön gefärbten Vorhersagen zu den Flugtarifen und Einkommen haben leider den Nachteil, dass an keiner Stelle der Nachweis für deren Plausibilität in der Zukunft angetreten wird. Aus dieser unglaublich simplen und naiven Interpretation der Zu-kunft des Flugverkehrs im Einzugsgebiet des BBI ergibt sich allerdings eine mehrdimensionale Kritik an den Prognosen der BBF:

1. Zumindest werden die Einkommen für den Erwerb von Flugtickets relativ sinken, da die Warenkorbstruktur/Ausgabenstruktur aufgrund sprunghaft wachsender Kosten u.a. für die Altersvorsorge, Versicherungen, Wohnkosten, Lebensmittelkosten für ge-sunde Ernährung und Energiekosten (Strom, Gas, Öl) nachhaltig umgeschichtet wird.

2. Es ist überhaupt fraglich, ob die Einkommen absolut wachsen werden, da viele - und immer mehr - moderne Jobs, auch in der New Economie (Berlin ist Standort der New Economie), untertariflich bezahlt werden.

3. Weiterhin sinken die Einkommen im Einzugsgebiet des BBI durch eine starke Überalterung der Bevölkerung in Brandenburg, die ohnehin nur ein weit unter dem bundesdeutschen Durchschnitt liegendes Einkommen zur Verfügung hat (das gleiche gilt durch die hohe oder gar wachsende Arbeitslosigkeit im Einzugsgebiet).

4. Es kann als sicher gelten, dass die Flugtarife auf Dauer nicht sinken werden, sondern steigen, da wachsende Kerosinkosten, der Wegfall der Befreiung von der Mineralölsteuer und steigende Umweltgebühren für den klimaschädlichen Luftver-kehr in den Ticketpreis einfließen werden.

5. Ebenso kann nicht ausgeschlossen werden, dass nach der Aufteilung der Luft-verkehrsmärkte hohe Monopolpreise auf wichtigen Flugrouten erzielt werden, wie schon jetzt bei Inlandsflügen in den USA.

Aufgrund der genannten Faktoren wird zukünftig zwangsläufig das Wachstum der Luftverkehrsnachfrage zumindest gedämpft. Da auch bei dem BBI-Projekt wie bei ähnlichen Projekten damit zu rechnen ist, dass die Kosten deutlich unterschätzt wurden, ergibt sich eine doppelte Rentabilitätsschere: Einerseits wachsende "unvor-hergesehene" Kosten für die Projektentwicklung bei einer andererseits stagnierenden oder jedenfalls unzureichend wachsenden Nachfrage im Einzugsgebiet des BBI. Das permanente Gezerre um die Flughafengebühr ist vor diesem Hintergrund Indikator für das Wirtschaftlichkeitsdefizit des Projektes.

Quellen und Anmerkungen

/1/ Ausbau Flughafen Schönefeld. Antrag auf Planfeststellung. Gutachten. M 1: Verkehrsprognose und Modellflugplan, (Schönefeld 2000), S. 19.


Seite 57

Frank Welskop

VI. Resümee und Konsequenzen

"Großflughafenprojekt BBI - Vorläufiges Fazit nach 10 Jahren. Planung oder Chaos? Recherchen zwischen Euphorie und Katzenjammer". So der Gesamttitel der vorlie-genden Untersuchungen. Nach 10 Jahren Vorgeschichte des BBI muß festgestellt werden, dass dessen Planung vor dem Hintergrund des enormen Zeitverlustes und der nach wie vor vielen ungeklärten Probleme durchaus chaotische Formen angenommen hat. Der Euphorie der "Gründerjahre" des BBI wich ein nachhaltiger, national ärgerlicher und international peinlicher Katzenjammer.

Das Motiv für das verkrampfte Festhalten am Projekt um jeden Preis trotz leerer Landeskassen, liegt in der maroden Wirtschaftssituation und -politik der involvierten Länder. Besonders der am Boden liegenden Bauwirtschaft in Brandenburg soll auf diese Weise wieder auf die Sprünge geholfen werden. Die sogenannte Jobmaschine "BBI" soll Zeichen setzten, von der Brandenburger Landesregierung als Leuchtturm-politik verklausuliert, ohne allerdings zu bemerken, dass eine derartig kostspielige Leuchtturmpolitik sehr schnell zu einer "Rote-Laternen-Wirtschaft" führt. Aus dieser Misere ergeben sich vielfältige Konsequenzen für das Projekt, die im Folgenden zu-sammenfassend dargestellt sind:

1. Wirtschaftliche Konsequenzen

Die wirtschaftlichen Konsequenzen liegen auf der Hand! Bereits jetzt sind immense Kosten für den BBI entstanden, die sich die Länder Berlin und Brandenburg nicht leisten können. Auch durch diese Steuermittel- und Kapitalvernichtung bedingt weist Brandenburg mittlerweile die größte Verschuldung pro Kopf im Vergleich der Bun-desländer überhaupt auf. Das korrespondiert mit dem im Dezember 2000 aufgeleg-ten Nachtragshaushalt des chronisch unterfinanzierten Landes Brandenburg und der damit verbundenen Erhöhung der Nettokreditaufnahme in Höhe von 295 auf 845 Mio. DM. Damit wurde das Ziel der Haushaltskonsolidierung wieder verfehlt./1/

Die Berliner Haushaltssituation ist nicht besser. Nach einem Gutachten des DIW im Auftrag des Deutschen Gewerkschaftsbundes ist die Finanzlage Berlins ohne Hilfe des Bundes "hoffnungslos". Die Finanzplanung Berlins ist danach "viel zu positiv", da das Haushaltsdefizit nicht von 3,1 Milliarden DM im Jahr 2002 auf 1,4 im Jahr 2004 sinken werde, sondern von 2001 bis 2004 zwischen 5,1 und 5,6 Milliarden DM un-verändert hoch bleiben werde. Damit ist die vom Senat angekündigte Wende bis 2009 nicht in Sicht./2/

Auch wenn der Brandenburgische Wirtschaftsminister bei 2 Prozent Wirtschafts-wachstum optimistisch in die Zukunft blickt, sind doch für diesen Optimismus die Grundlagen eher fragwürdig, u.a. da dieses Wachstum für das Brandenburger Aus-gangsniveau ausgesprochen gering ist und andererseits etwa ein fallender Dollarkurs (aufgrund sinkender US-Zinsen oder nach vollzogener EURO-Einführung) gerade für Brandenburg als USA-exportorientiertes Land durchaus ungünstig sein dürfte. Wei-terhin werden mit einer fortgesetzten volkswirtschaftlich erheblichen Steuer- und Kapitalvernichtung die wirtschaftlichen, insbesondere auch investiven Möglichkeiten Brandenburgs weiter empfindlich eingeschränkt.

So mußte das Land Brandenburg im Jahr 2000 einen Insolvenzrekord verzeichnen. Und während emsig Phantasie und reales Kapital in künftige Flughafenarbeitsplätze investiert wird, die zudem risikoreicher denn je sind und die die vergleichsweise teuersten sein dürften, glaubt die regionale Bauwirtschaft ernsthaft, dieses Mal wirk-lich ein großes Stück vom großen Auftragskuchen abzubekommen. Allerdings ist die Realität bei solchen Megaprojekten eine andere. Denn die regionale Bauwirtschaft geht hier in der Regel fast leer aus.

Gleichzeitig wandern sogar Billig-Fluglinien wie Virgin wieder aus Berlin ab. Erst seit März 2001 gibt es wieder eine Direktverbindung Berlin - USA (eine Lufthansalinie von Berlin nach Washington DC). Sie ist aber lediglich eine Destination auf Probe. Vermutlich muss sie auf Grund mangelnder Wirtschaftlichkeit subventioniert oder wieder eingestellt werden.

Auf der anderen Seite fehlt zwangsläufig Geld für andere soziale und wirtschaftliche Projekte. Die Folge hiervon ist wiederum, dass besonders junge Menschen ohne Arbeitsplatzperspektive Brandenburg den Rücken kehren und letztlich dem künftigen Milliarden-und Prestigeprojekt als Passagier nicht zur Verfügung stehen werden.

2. BBI-Planerische Konsequenzen

Erstens: Die für den BBI verantwortliche Politik kann bei dem Projekt deshalb keinen Erfolg haben, weil der BBI als Drehscheibe in dieser Region nicht oder nicht mehr machbar ist und der BBI weder in Schönefeld noch in Sperenberg wirtschaftlich betreibbar sein wird.

Zweitens: Wenn die Prognosen falsch sind, dann ist ebenso die Bedarfsbegründung für den BBI falsch und somit das ganze Planfeststellungsverfahren substanziell nich-tig.

Drittens: Der Kernpunkt der immer wieder aufwallenden Flughafendiskussion ist keine durch Gegner und Befürworter geführte Standortdebatte, sondern in erster Linie die ökonomische Grundsatzfrage nach der wirtschaftlichen Existenzberechtigung des BBI! Hinter der Maske der sogenannten Jobmaschine verbirgt sich ein unwirtschaftliches Monstrum mit immensen und sinnlosen ökologischen Auswirkun-gen am Standort Schönefeld.

Viertens: Es wird keine Flughafenkapazitätskrise in der Region geben, wenn der BBI nicht gebaut wird, weil die Konkurrenz dafür sorgt, dass es keine Engpässe gibt (berechtigte Angst der Politiker vor Konkurrenzstandorten bei weiterem Zeitverzug!). Bereits jetzt wird durch viele Berliner und Südbrandenburger Leipzig als preislich attraktiverer Charterflughafen vor allem in der Ferienzeit genutzt. Während die Pas-sagiere in der Regel dorthin gehen, wo die Flüge am billigsten sind, gehen die Flughafeninvestitionen letztlich immer dahin, wo die Rendite am größten ist. Wenn der BBI infolge einer Flughafengebühr zu teuer wäre, würde Leipzig davon profi-tieren. Wenn der BBI nicht in Schönefeld oder nur mit erheblicher Verzögerung fertiggestellt wird, ergäben sich zusätzliche Chancen für einen Großflughafen bei Stendal./3/

Fünftens: Wenn der BBI trotz aller Konstruktionsfehler und trotz seiner nicht mehr wirtschaftlich machbaren Betreibung gebaut werden würde, wäre das ein finanzielles Fiasko für die Landeskassen und die Steuerzahler in der Region. Dieses Szenario einer distaströsen Kaptial- und Steuermittelvernichtung ist zwar eher unwahrschein-lich, aber keinesfalls auszuschließen. Immerhin wurden bereits bis jetzt erhebliche Mittel für Fehlplanungen und Fehlentscheidungen verpulvert.

Sechstens: Wenn die Prognosen für den BBI falsch sind, dann sind in der Regel auch die Kostenschätzungen falsch. Diese empirisch leicht zu bestätigende Situation führt zwangsläufig zur Rentabililtätskrise von Projekten, besonders wenn deren wirt-schaftliche Rahmenbedingungen kompliziert sind wie beim BBI. Diese Rentablilltäts-schere führt dazu, dass ein Teil der Infrastruktur gestrichen oder gestreckt wird, was wiederum negative Rückkopplungen auf die Prognosen hat, da der Standort abge-wertet und somit die Nachfrage geschmälert wird. Die Prognosen sind auch deshalb falsch, weil seit Jahren die Prognosen für den BBI korrigiert werden und der Standort gleichzeitig mit einer Flughafengebühr verteuert werden sollte oder soll. Der wahre Grund für die jahrelang geforderte Flughafengebühr bestand nicht darin, Passagiere und Airlines zu verärgern, sondern ist schlicht in der offensichtlichen Unwirt-schaftlichkeit des BBI zu sehen.

3. Luftverkehrspolitische Konsequenzen

Keiner wird behaupten, dass die Rahmenbedingungen für die Planung des BBI einfach waren. Die Rahmenbedingungen waren und sind ausgesprochen kompliziert. Umso mehr wäre es erforderlich gewesen, durch das konzertierte Auftreten aller Be-teiligten ein effizientes und konsequentes Management mit dem richtigen Augenmaß für den BBI aufzubauen und umzusetzen. Genau das Gegenteil ist bis zum heutigen Tag passiert. Die Chancen, die eventuell für den BBI vorhanden waren, wurden durch Unfähigkeit, falsche Entscheidungen, mangelnde Kooperation Beteiligter, Arroganz gegenüber den betroffenen Kommunen und Anwohnern leichtfertig und irreparabel verspielt. Die ohnehin nicht günstigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für den BBI wurden hierdurch noch mehr verschlechtert. Da die Chancen für den BBI noch geringer geworden sind bzw. für einen wirtschaftlichen Betrieb gar nicht mehr vorhanden sein dürften, sind die Risiken für den BBI mehr denn je unüberschaubar geworden. Konsequenz für ein umsichtiges Risikomanagement aus diesem Wirrwarr von Chaos und Sumpf wäre der sofortige Stopp aller Planungen und Verfahren zum BBI mit der einzigen Alternative, entweder das Projekt endgültig zu beenden oder eine erneute Standortsuche, ein neues Raumordnungs- und Planfeststellungsverfah-ren auf Basis neuer Prognosen durchzuführen.

Weil die Irrationalität des alten Traumes vom ewigen Luftverkehrswachstum die ge-samte BBI-Planung wie ein roter Faden durchzog, wird es jedoch immer wahrschein-licher, dass in der Berlin-Brandenburger Flughafenlandschaft alles beim Alten bleibt. Je mehr Zeit vergeht und je weniger Passagiere schließlich zu erwarten sind, desto weniger lohnt sich der BBI südlich von Schönefeld und nördlich von Leipzig. Vor dem Hintergrund, dass der Flughafen Leipzig in dieses Vakuum hinein expandiert oder gar Stendal emporwächst, wird es in Berlin keine wesentlichen Veränderungen geben. Denkbar ist, dass die Abfertigungskapzitäten Schönefelds mit 4 Mio. Passagieren pro Jahr ausgelastet und später gegebenfalls erweitert werden, Tegel vielleicht etwas zurückgefahren wird. Offen ist bei dem Berlin-Brandenburger Hickhack sogar, ob der Flughafen Tempelhof doch in Betrieb bleibt. Denkbar ist freilich, dass Tempelhof geschlossen wird, da für das Einzugsgebiet mit Tegel, Schönefeld, Leipzig und eventuell Stendal die Bedarfe für Luftverkehr völlig ausreichend abgedeckt werden. Diese Aussage ist zugleich luftverkehrspolitisch begründbar, da

a) ein BBI-Hub mit seinem geplanten Umsteigeflugverkehr nicht realisierbar sein dürfte,
b) mittelfristig der hoch subventionierte Inlandsflugverkehr als überflüssiger und auf die Bahn verlagerbarer Verkehr reduziert werden wird,
c) der Dienstreiseflugverkehr im Zeitalter von Hightech-Kommunikation und kostenbedingter Verschlankung von Unternehmen zumindest eine Wachstumsdämpfung aufweisen wird,
d)

eine preislich induzierte Reduzierung des umweltschädlichen Langstreckenluft-verkehrs eintreten wird.

4. Fachliche Konsequenzen

Die dargestellten Defizite und Mankos der BBI-Planungssituation implizieren zwin-gend einen weiteren dringenden Untersuchungsbedarf. Ganz abgesehen davon, dass es bisher keine zumindest der Öffentlichkeit zugängliche wirtschaftlich zentrierte Studie zum BBI gegeben hat, sind mit dem Erscheinen dieser Broschüre weitere Schritte verbunden.

Während in diesen Untersuchungen, die argumentative Recherche aus Sicht der drohenden Unwirtschaftlichkeit des BBI im Mittelpunkt stand, geht es darüber hinaus unbedingt darum, die vielfältigen Einfluß- und Risikofaktoren auf den künftigen Berlin-Brandenburger Flugverkehr soweit möglich analytisch zu quantifizieren. Hier-mit direkt verbunden ist der verkehrspolitisch praktische Schritt, die längst überfällige Erarbeitung eines Luftverkehrskonzeptes zumindest für Ostdeutschland vorzuneh-men.

Auf Basis eines soliden und gewichteten Luftverkehrskonzeptes würde sich erstmals der Flughafeninfrastrukturbedarf in den neuen Bundesländern überhaupt ermitteln lassen. Der fünfte Schritt dieses gänzlich anderen Weges wäre die Ein- und Anpas-sung der Berlin-Brandenburger Flughafenlandschaft in dieses Konzept.

Erst auf dieser realitätskonformen Basis ließe sich der Flugverkehr in der Region des eigentlichen Einzugsgebietes des BBI zukunftsfähig gestalten und optimieren. Dieser finale 6. Schritt ist von der heutigen BBI- und BBF-Realität jedoch nicht nur noch weit entfernt, sondern die Distanz zwischen beiden Polen vergrößert sich gegenwärtig immer schneller. Damit tickt auch die Zeitbombe für dieses Projekt immer lauter und kostspieliger.

5. Logische Konsequenz

Mit dem beginnenden neuen Jahrtausend steht die Menschheit vor einschneidenden Veränderungen. Ob die drastischen Veränderungen des Klimas, die dramatischen demografischen Prozesse, die Kostenexpansion bei Energie, Wohnen, gesunder Ernährung und Altersvorsorge, diese Veränderungen werden auf den Ferntourismus und Flugverkehr durchschlagen. Ebenso werden sie für den geplanten BBI relevant werden. Diese Veränderungen werden in den BBF-Prognosen im Rahmen des Plan-feststellungverfahrens generell nicht berücksichtigt.

Wenn das so ist, dann ist es logisch zwingend, dass die Schieflage dieses Projektes bis zur Gefahr des Kippens immer größer wird. Und hier ist schließlich "Murphys Grundgesetz" zur Prognose der weiteren Projektentwicklung sehr hilfreich. Danach gilt, "wenn etwas schief gehen kann, dann wird es auch schief gehen"./4/

Quellen und Anmerkungen

/1/ Berliner Zeitung, 21.12.2000, S. 33.
/2/ Berliner Zeitung, 02.02.2001, S. 20.
/3/ Der Flughafen Berlin International am Standort Stendal wird durch die AIRAIL AG geplant. Das Raumordnungsverfahren ist positiv abgeschlossen worden, die Beendigung des Planfeststellungsverfahrens ist Mitte 2002 geplant, der Baubeginn Ende 2002. Die Eröffnung bei der einer Kapazität von 18 bis 20 Mio. Passagiere ist im Jahr 2007/2008 vorgesehen. Die Planer von der AIRAIL AG wollen diesem Zeitplan umsetzen, sobald es beim BBI-Schönefeld weitere Verzögerungen geben sollte.
/4/

Murphys Gesetz und Folgerungen:
1. Nichts ist so leicht wie es aussieht.
2. Alles dauert länger, als man glaubt.
3. Wenn es eine Möglichkeit gibt, dass Dinge schief gehen, so wird das schief gehen, dass den größten Schaden anrichtet...