Eine empirische Studie
zur Akzeptanz und
Autoren: Dr. Martin
Müller, Dr. Ralf-Dietmar Hegel,
HOLON e.V. Ó 2001
1 Problemlage und Zielstellungen 2 Spezielle Fragestellungen 3 Stichprobenbeschreibung 4 Die Ergebnisse der Befragung 4.1 Generelle Einstellungen gegenüber Fremden in den Kommunen des Landes Brandenburg 4.2 Finden sich die Brandenburger im Begriffsdschungel hinsichtlich Fremder in Deutschland zurecht? 4.3 Kommunale Pflichtaufgaben und Informationsstand der Bürger 4.4 Bereitschaft zur Aufnahme und Integration Fremder in den Kommunen 4.5 Informationsstand, Kontakte und Erfahrungen bezüglich Fremder in den Kommunen Brandenburgs 4.6 Entscheidungsmechanismen und Probleme bei der Etablierung von Asylbewerberheimen in Kommunen Brandenburgs 4.7 Ängste vor Ausländern und Schutz von Fremden in den Kommunen 4.8 Einstellungen und Handlungen gegenüber Ausländern in den Kommunen Brandenburgs 4.9 Akzeptanz von Gesetzesänderungen bezüglich der Integration von Ausländern in den Kommunen des Landes Brandenburg 5 Ausblick - Handlungsvorschläge 6 Literatur
1 Problemlage und Zielstellungen Im Zuge der zunehmenden europäischen Vereinigung, der Globalisierung von Märkten, des Personenaus-tauschs und Informationstransfers werden interkulturelle Kommunikation, Akzeptanz, Wissen und Einstellungen gegenüber Fremden zunehmend wichtiger. Dies trifft selbstverständlich für Ballungszentren und Großstädte mehr zu als für das ländlichkleinstädtisch strukturierte Flächenland Brandenburg. Vom HOLON e.V. realisierte Studien zu Einstellungen gegenüber Fremden bei Pädagogikstudierenden, Besuchern von Wochenmärkten, Kindern und Jugendlichen zeigen auch für das Land Brandenburg, daß negative, ablehnende Haltungen durchaus nicht auf eigenen negativen Erfahrungen mit Ausländern beruhen müssen und häufig durch unreflektierte Vorurteile bestimmt werden. Es vergeht keine
Woche, in der nicht ausländerfeindliche Übergriffe in den Kommunen
Brandenburgs erfolgen. Sie betreffen in der Regel nicht Ausländer schlechthin,
sondern Angehörige solcher Gruppen, die wir in eigenen Untersuchungen
als besonders unsympathisch empfundene Fremde beschreiben konnten (andere
Hautfarbe, andere Sprache, andere Mentalität als die brandenburgische).
Opfer sind meist Asylbewerber. Landkreisen Brandenburgs werden Asylbewerber und Spätaussiedler nach einem vorgegebenen Schlüssel zugewiesen. Diese Fremden werden fast ausschließlich in Heimen untergebracht. Dabei ist zu konstatieren, daß im Land Brandenburg - verglichen mit anderen Bundesländern - außerordentlich wenige ausländische Menschen leben. In der Vergangenheit stellte sich aber schon die Standortauswahl für Asylbewerberheime als sehr schwieriges Unterfangen heraus. Die Versuche, in einzelnen Orten derartige Heime zu schaffen, stießen häufig auf massiven Widerstand der Einwohner. Er reichte von Demonstrationen bis hin zum Abbrennen möglicher Unterkünfte. Kommunalpolitisch Verantwortliche agieren in diesem Kontext oft hilflos und defensiv. Mit welchen Einstellungen
gegenüber Fremden müssen Kommunalpolitiker in Brandenburg rechnen, wenn
sie Asylbewerber/ Spätaussiedler aufnehmen oder den Versuch ihrer Integration
unternehmen? Welche Risiken ergeben sich aus dieser unverkennbaren Ablehnung
bestimmter Fremder und wie sind diese Risiken minimierbar?
2 Spezielle Fragestellungen Auf der Basis der Vorkenntnis über die Einstellungen/ Verhaltensmuster der Bewohner des Landes und der Situation der Fremden im Lande wurden eine Reihe spezieller Fragestellungen entwickelt. Zur Beantwortung der Fragen formulierten wir ‚Items' oder ‚Fragebogenfragen', die den Brandenburgerinnen und Brandenburgern vorgelegt wurden. In diesem Abschnitt sind die, Speziellen Fragestellungen' und in Klammern die dazugehörigen Nummern der Items zu finden. Der vollständige Fragebogen befindet sich im Anhang dieses Berichts. Wir versuchten, folgende spezielle Fragestellungen zu beantworten: 1 Welche generellen Einstellungen gegenüber Fremden existieren in den Kommunen des Landes? (Items 4, 5, 7, 8, 35, 36) 2 Sind die Brandenburgerinnen und Brandenburger in der Lage, zwischen Asylbewerbern, Spätaussiedlern, Kontingentflüchtlingen, WerkvertragsarbeiterInnen und anderen ausländischen Menschen zu unterscheiden? (Items 9, 13) 3 Wie sind die Bürger über die Pflichtaufgabe der Landkreise (und kreisfreien Städte), Asylbewerber und Spätaussiedler aufzunehmen, informiert? (Items 12, 41, 45) 4 Welche Bereitschaft gibt es, Asylbewerber und Spätaussiedler in die eigene Kommune aufzunehmen, sie zu akzeptieren und zu integrieren? Welche Vorstellungen von ‚Integration' gibt es? (Items 1, 2, 3, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20,. 22, 40) 5 Wie sind die Bürgerinnen und Bürger über die Situation von Asylbewerbern und Spätaussiedlern im eigenen Landkreis bzw. im Land Brandenburg informiert? Liegen konkrete Kenntnisse und auf Kontakten beruhende Erfahrungen vor? (Items 6, 23, 24, 25, 26, 34) 6 Welche kommunalen Entscheidungsmechanismen sollten für die Etablierung eines Asylbewerberheimes genutzt werden? Welche Probleme existieren? Wie sollte die Entscheidung vorbereitet werden? Welche Bedingungen müssen erfüllt sein, damit eine ‚problemlose' Unterbringung akzeptabel wäre (z.B. zentrale versus dezentrale Unterbringung)? (Items 21, 27, 28, 29) 7 Wie stark sind Ängste vor Ausländern verbreitet? Wie kann die Sicherheit der Asylbewerber gewährleistet werden? In welchem Maße ist die Bevölkerung bereit, sich zu engagieren? (Items 10, 30, 31, 32, 33) 8 Welche Einstellungen und Handlungsmuster gegenüber Ausländern existieren in Brandenburgischen Kommunen? (Items 11, 37, 38, 39) 9 Welche Akzeptanz von herrschenden Regeln und Gesetzesänderungen kann vorausgesetzt werden? (Items 42, 43, 44)
3 Stichprobenbeschreibung Die Befragung ‚Fremde
im Land Brandenburg' fand im Frühjahr/Sommer des Jahres 2001 statt. Die Befragung fand
quotengesteuert statt und erstreckte sich von der Peripherie Brandenburgs
bis zu den Randgebieten Berlins. 53% der befragten Personen waren weiblich, 47% männlich.
44% der befragten Brandenburgerinnen und Brandenburger gaben an, aus einer Kleinstadt zu stammen, 15% lebten in einer Großstadt, 23% gaben Gemeinden und 18% Dörfer als Wohnorte an.
54% der Befragten wiesen Facharbeiter oder Meister als höchsten Bildungsabschluß auf. 24% waren Fachschul-, Fachhochschul- oder Hochschulabsolventen. 7% der Befragten waren ungelernt und 15% befanden sich noch in der Ausbildung.
Angestellt und abhängig beschäftigt waren 35% der befragten Brandenburgerinnen und Brandenburger. 17% gaben an, Schüler, Auszubildende und Studenten zu sein. 9% waren selbständig oder mithelfende Familienangehörige. In Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und Umschulung befand sich 1%, 8% waren arbeitslos. Bei 26% der Befragten handelte es sich um Ruheständler/Rentner und 4% gaben an, sich in einem anderen Beschäftigungsverhältnis zu befinden. (vergleiche Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik, 1998, 1999; Winkler, 1997; Müller, Popper, Wendelborn und Hegel, 1997).
4 Die Ergebnisse der Befragung 4.1 Generelle Einstellungen
gegenüber Fremden in den Kommunen des Wichtig für die Beurteilung konkreter Haltungen gegenüber Fremden in den Kommunen und für die Gestaltung zukünftiger Integrationsprozesse sind generelle Einstellungen zu Ausländern in Deutschland. Dies gilt auch für die Einschätzung ihrer Rolle in der Gesellschaft und für das Interesse bzw. die Aufgeschlossenheit hinsichtlich fremder Kulturen. Die Frage, ob der Zuzug und die Anwesenheit ausländischer Menschen das Leben im eigenen Ort bereichern würden, wurde eher unentschieden beantwortet. Es wurde deutlich, dass sich die Befragten nicht zu einem klaren Urteil entschließen konnten. 27% der befragten Brandenburgerinnen und Brandenburger meinten, es handle sich um eine Bereicherung. Etwa 19% stimmten diesem Urteil nicht zu. Die Mehrzahl (53%) verhielt sich unentschieden. Ein Indiz dafür, welche Aspekte fremder Kulturen die Bewohner Brandenburgs als bereichernd empfanden, gibt das Antwortverhalten auf Item 5 wieder: Immerhin 44% meinten, dass ausländisches Essen und fremde Kulturen die Attraktivität des Wohnortes erhöhen. Lediglich 11% verneinten diese Ansicht völlig. Die Mehrheit (59%) der Befragten interessierte sich kaum oder überhaupt nicht für ausländische Menschen. 38% bekundeten ein starkes Interesse an ihnen, während nur noch etwa 2% ein sehr starkes Interesse betonten. Fragt man etwas allgemeiner nach dem Interesse für fremde Kulturen, so fällt das Urteil günstiger aus. Immerhin gab eine Mehrheit von etwa 57% ein starkes bzw. sehr starkes Interesse für andere Kulturen zu erkennen. Beachtenswert bleibt allerdings eine starke Minderheit von 41%, die kaum bzw. überhaupt nicht an fremden Kulturen interessiert war.
Drei Viertel der Befragten Brandenburgerinnen und Brandenburger schätzten ein, nur geringe bzw. keine Kenntnisse über fremde Sitten, Bräuche und Religionen zu besitzen. Lediglich ein knappes Viertel bezeichnete die eigenen Kenntnisse als groß bzw. sehr groß. Trotz des verhaltenen eigenen Interesses an fremden Kulturen und Menschen sowie der geringen eigenen Kenntnisse anderer Kulturen, stimmten 81% der Befragten der Auffassung zu, dass das Kennenlernen anderer Kulturen bereits in der Grundschule beginnen sollte. Mehr Frauen (88%) und Ältere (89%) hielten dies für notwendig als Männer (74%) und Jüngere (73%). Auf die unbedingte Notwendigkeit, die interkulturelle Erziehung in der Grundschule zu intensivieren und die dabei zu beachtenden Randbedingungen, haben wir auf der Basis empirischer Untersuchungen schon vor Jahren hingewiesen (vgl. Horstmann und Müller, 1997). "Bilder von Fremden, von ‚Ausländern' verfestigen sich im Grundschulalter. Deshalb kommt den Lehrern der Grundschule diesbezüglich eine zentrale Aufgabe und Verantwortung zu. Der Versuch, Vorurteile später abzubauen, stößt sehr rasch an Grenzen" (Horstmann, 2000, S.35).
4.2 Finden sich die Brandenburger im Begriffsdschungel hinsichtlich Fremder in Deutschland zurecht?
Fast alle Befragten (98%) kannten den Begriff des Asylbewerbers, etwas weniger (86%) den des Spätaussiedlers. 65% wußten mit dem Terminus des Werkvertragsarbeitnehmers etwas anzufangen. Was ein Kontingentflüchtling ist, meinten hingegen nur etwa 35% zu wissen. Der Begriff des Spätaussiedlers war mehr Älteren (93%) als Jüngeren (78%) bekannt. All diese Kategorisierungen beziehen sich auf Ausländer, die nicht aus dem EU-Bereich stammen. Komplementär schien es wichtig zu wissen, welche Kenntnisse die Befragten bezüglich der Freizügigkeitsregeln der Europäischen Union hatten. Die Hälfte der
Brandenburgerinnen und Brandenburger (50%) war sich der Freiheit der Wohnort-
und Arbeitsplatzwahl für EU-Bürger nicht bewußt. 7% zogen die Möglichkeit
dieser Freizügigkeit nicht einmal in Erwägung. In dieser wichtigen Frage
scheinen die Bewohner des Landes Brandenburg noch nicht in der EU angekommen
zu sein.
4.3 Kommunale Pflichtaufgaben und Informationsstand der Bürger Nur 32% der Befragten (nur 26% der Jüngeren, aber immerhin 38% der Älteren) waren sich der Tatsache bewußt, dass Landkreise und kreisfreie Städte Asylbewerber und Spätaussiedler nach einem festgelegten Schlüssel aufzunehmen haben. 61% gaben an, nicht Bescheid zu wissen. Nur 3% der Brandenburgerinnen und Brandenburger meinten, die gültigen Gesetze zur Asylpolitik zu kennen. 36% kannten sie nicht, 8% dokumentierten ihr klares Desinteresse. Gut die Hälfte glaubte, Teilkenntnisse zu besitzen. Ziemlich einhellig (87%) war das Urteil, Medien und Verwaltungen müssen die Bürger in viel stärkerem Maße über die Anwesenheit ausländischer Mitmenschen, deren Rechte und Pflichten informieren.
4.4 Bereitschaft zur Aufnahme und Integration Fremder in den Kommunen Die überwiegende Mehrheit der Befragten (88%) meinte, in ihrem Wohnort gäbe es Ausländer. Dieses Urteil unterliegt ambivalenten Bewertungen, z.B. im Sinne einer Bereicherung oder einer Belastung. Ca. 50% der Befragten waren der Meinung, dass bereits genug Ausländer in ihren Kommunen leben würden. Offensichtlich hat die ‚Das Boot ist voll - Mentalität' in Brandenburger Landen weiten Raum gegriffen. 40 % der Bewohner Brandenburgs lehnten diese Auffassung klar ab. Bezüglich der
Fremden im ganzen Lande fällt das Urteil noch härter aus: 55% der Befragten
meinten, es seien genug und nur noch 29% widersprachen dieser Auffassung
eindeutig. Immerhin meinten nur 35% der Befragten, der Zuzug von ausländischen Menschen würde die kommunale Situation unnötig verschärfen. 45% glaubten nicht an eine derartige Verschärfung und 20% waren sich zumindest unsicher. Mehr Männer (42%) als Frauen (28%) befürchteten eine Verschärfung der kommunalen Situation durch den Zuzug von Fremden. Gehen wir nun von der kommunalen Ebene zur Ebene der Nachbarschaft und Familie: Nur 10% der Brandenburgerinnen und Brandenburger lehnten ausländische Nachbarn eindeutig ab. Eine klare Mehrheit von 60% hatte nichts gegen ausländische Nachbarn einzuwenden. Frauen (66%) und Ältere (67%) würden ausländische Nachbarn eher akzeptieren als Männer (52%) und Jüngere (51%). 58% der Befragten gaben an, nichts gegen die Einheirat nichteuropäischer Fremder in die eigene Familie zu haben. Klar dagegen sprachen sich 15% aus und 26% meinten, teilweise etwas dagegen zu haben. Die Integration ausländischer Mitmenschen in die Gesellschaft und die Kommune ist auch an spezielle Erwartungen der Einwohner bezüglich des Verhaltens der zu Integrierenden gebunden. Daran sind oft spezielle Vorstellungen geknüpft, was Integration überhaupt bedeutet und in welchem Grade sie stattfinden soll. Nach Meinung von 38%
der Brandenburgerinnen und Brandenburger (47% der Älteren, aber nur 27%
der Jüngeren) müssen sich Ausländer in der Öffentlichkeit den Verhaltensweisen
der Einheimischen anpassen. 33% plädierten zumindest teilweise für eine
derartige Anpassung. Nur eine Minderheit von 28% erwartete eine derartige
Anpassung nicht. Die Frage nach der Verhaltensanpassung wurde auch für den weniger öffentlichen Raum der Wohnung und des Wohnumfeldes gestellt. Bezüglich dieser - eher privaten - Sphäre forderten immerhin 30% der Befragten eine Anpassung ("...so verhalten, wie man es von Deutschen erwartet!"). 37% stimmten dieser Auffassung zumindest teilweise zu und nur 30% lehnten sie ab. Deutlich mehr männliche Befragte (40%) und Ältere (35%) als weibliche (21%) und Jüngere (25%) forderten von Ausländern, sich in ihren Wohnungen so zu verhalten wie Deutsche. 61% der Befragten erklärten sich bereit, Asylbewerber und Spätaussiedler in ihrer Kommune aufzunehmen. Immerhin 33% von ihnen lehnten dies eindeutig ab. Eine zentrale Anpassungsleistung,
die Fremden bei der Integration abverlangt wird, besteht im Beherrschen
der jeweiligen Landessprache. 82% der Brandenburgerinnen und Brandenburger
erklärten, dass Asylbewerbern und Spätaussiedlern mehr Möglichkeiten zum
Erlernen der deutschen Sprache angeboten werden müßten.
Gefragt wurden die Brandenburgerinnen und Brandenburger nach ihrem Verständnis des Begriffs Integration von ausländischen Menschen. Knapp zwei Drittel der Befragten legten stichpunktartig ihre Gedanken dar. Dabei sind 6 Aspekte hervorhebenswert, die im folgenden kurz skizziert und illustriert werden sollen:
Diese einzelnen Aspekte der Kennzeichnung des Begriffs der Integration treten in den Antworten häufig gemeinsam auf. Typische Beispiele dafür wären: "Deutsch sprechen lernen, kulturell anpassen, Arbeit aufnehmen und Steuern zahlen". "Wohnen wie die Deutschen, Akzeptanz fördern, Einbürgerung, Deutsch lernen". "Akzeptanz und Toleranz zwischen Ausländern und Deutschen; Einbindung der Ausländer in den sozialen Alltag (Arbeit, soziales Umfeld, Feste, Aktivitäten), Akzeptieren von Regeln der Deutschen". "Einbeziehung ins Wohnungsumfeld, Verständigung der Ausländer mit den Deutschen, gutes Zusammenleben, Ausländer sollten sich uns ein bißchen anpassen (Sprache und Kultur)". Diese Beispiele verdeutlichen, dass viele Bewohner des Landes Brandenburg zur Forderung nach starker Anpassung und Unterordnung von Ausländern unter deutsche Kulturmuster und Gepflogenheiten tendieren. Darüber sollte auch nicht hinwegtäuschen, dass eine ganze Reihe der Antworten mit Bekenntnissen zu Toleranz und Akzeptanz eingeleitet werden. In der Regel folgen dann aber Einschränkungen im Sinne des bekannten Schemas: ‚Ich habe ja nichts gegen Ausländer, aber...'. Eine ausführliche Darstellung und Besprechung derartiger Alltagsdiskurse über ‚Ausländer' ist in Petrovic-Wettstädt (1998) zu finden.
4.5
Informationsstand, Kontakte und Erfahrungen bezüglich Fremder in den
Etwa 81% der Befragten
gaben an, ihre Kenntnisse über Fremde aus eigener Erfahrung zu haben.
Dazu gehören ja in der Regel Urlaubserfahrungen im Ausland, eher oberflächliche,
alltägliche Begegnungen und Arbeitskontakte. Nur 6% meinten, nicht über
derartige Erfahrungen zu verfügen. Überdies bezogen etwa 64% der Befragten
ihre Kenntnisse über Fremde aus verschiedenen Medien. 39% gaben an, sich schon persönlich mit Asylbewerbern unterhalten zu haben, dies betraf 46% der Jüngeren und 33% der Älteren. Dies schließt natürlich auch das zufällige Gespräch auf der Straße, in öffentlichen Verkehrsmitteln und das Beantworten von Fragen mit ein. 60% hatten noch nie eine derartige persönliche Unterhaltung. Ein ähnliches Bild zeichnet sich bezüglich "ausführlicher Gespräche" mit Spätaussiedlern ab. 31% der Befragten teilten mit, ein solches Gespräch geführt zu haben. Für 67% traf dies nicht zu. Besonders Ältere (40%) hatten derartige Gespräche schon geführt, aber nur 21% der Jüngeren. Immerhin 13% der von uns Befragten (19% der Jüngeren und lediglich 7% der Älteren) berichteten, mit Asylbewerbern, Spätaussiedlern oder Kontingentflüchtlingen befreundet zu sein. 85% verneinten dies. Stellt man die Frage nach ausländischen Freunden, die in Deutschland leben, so gaben deutlich mehr (36%) an, solche Freunde zu haben. 63% verneinten dies. Die Differenz
zwischen 13 und 36%, unabhängig davon, wie Freundschaft hier verstanden
wird, zeigt, dass mehr Freundschaften zu lange in Deutschland lebenden
Ausländern und EU-Bürgern existieren als Freundschaften mit den eher ärmeren
oder kulturell entfernteren Asylsuchenden und Flüchtlingen. Die relativ schwache mitgeteilte Kontaktintensität konterkariert den mitgeteilten Wunsch der Brandenburgerinnen und Brandenburger nach mehr Möglichkeiten, um zugezogene ausländische Menschen kennenzulernen (66%). Ob diesbezügliche existierende bzw. zu schaffende Begegnungsmöglichkeiten tatsächlich genutzt werden, muß offen bleiben. Es waren die Älteren (71%), die häufiger als Jüngere (60%) den Wunsch nach der Schaffung von mehr Kontaktmöglichkeiten mit Fremden äußerten.
4.6 Entscheidungsmechanismen und Probleme bei der Etablierung von Asylbewerberheimen in Kommunen Brandenburgs Brandenburg hat in den letzten Jahren traurige Berühmtheit erlangt, wenn es um die Einrichtung von Asylbewerberheimen oder die Ansiedlung von Kontingentflüchtlingen in den Kommunen ging. In zahlreichen Fällen schlugen derartige Einrichtungsversuche fehl. Geplante Objekte wurden in Brand gesteckt, Bevölkerungsmehrheiten sprachen sich gegen solche Heime aus. Kommunale Gremien agierten dilettantisch und hilflos. Erinnern wir uns: 61% der Befragten waren bereit, Asylbewerber und Spätaussiedler in ihrer Kommune aufzunehmen (vergleiche den Abschnitt ‚Bereitschaft zur Aufnahme und Integration Fremder in den Kommunen'). Diese Antwort bezieht sich ganz offensichtlich nur auf die Bereitschaft, einige Personen oder Familien aufzunehmen. Sie schließt keineswegs die Tolerierung eines Asylbewerberheimes in der Kommune ein. Nur 31% der Brandenburgerinnen und Brandenburger würden der Ansiedlung eines solchen Heimes positiv gegenüber stehen. Eine deutliche Mehrheit von 60% sprach sich dagegen aus. Die Ablehnung fiel bei Frauen (54%) allerdings schwächer aus als bei Männern (67%). Unabhängig davon, ob die Befragten generell für oder gegen ein Asylbewerberheim sind, wünscht die absolute Bevölkerungsmehrheit (91%), dass die Absicht der Etablierung eines solchen Heimes rechtzeitig und ausführlich mit den Einwohnern besprochen wird. Wird einem solchen Wunsch zuwidergehandelt, stärkt das die Aversionen gegen die konkrete Heimansiedlung. Einerseits existiert eine große Gegnerschaft gegen die Etablierung von Asylbewerberheimen im eigenen Ort (60%), andererseits sind 61% der Befragten bereit, Asylbewerber und Spätaussiedler in ihren Kommunen aufzunehmen. Wie läßt sich dieser Widerspruch auflösen? Die zentrale Unterbringung von Asylbewerbern in großen Heimen wird generell nur von 30% der Brandenburgerinnen und Brandenburger akzeptiert. 62% lehnen sie hingegen ab! 36% der Männer akzeptierten sie, aber nur 24% der Frauen. Welche Alternative bietet sich an, die im Land eine größere Akzeptanz erfahren könnte? Die Lösung dieses Dilemmas deutet sich im Antwortverhalten der Befragten selbst an, denn 77% (71% der Jüngeren und 83% der Älteren) - also die überwiegende Mehrheit - wünschten, dass Asylbewerber nicht konzentriert, sondern in verschiedenen Wohnungen eines Ortes untergebracht werden sollten. Diese Lösungsvariante lehnten nur 18% ab.
4.7 Ängste vor Ausländern und Schutz von Fremden in den Kommunen Die Anwesenheit von ausländischen Menschen in den Kommunen bringt einige Probleme des Zusammenlebens mit sich. Diese resultieren immer aus der Relation Einwohner - Fremder. Bei der Ablehnung Fremder durch eine starke Minderheit der Brandenburgerinnen und Brandenburger verwundert es schon, dass sich lediglich 11% durch Ausländer persönlich bedroht fühlten. Eine klare Mehrheit von 87% verneinten eine derartige Bedrohung. Während sich nur wenige Ältere (2%) durch Ausländer persönlich bedroht sahen, waren es immerhin 20% der Jüngeren. In der öffentlichen Bewertung zählt das Land Brandenburg weltweit zu den ausländerfeindlichsten Regionen. Zu prüfen war nun, wie dies die Brandenburgerinnen und Brandenburger selber sehen. Der Aussage, Brandenburg habe seinen ausländerfeindlichen Ruf verdient, stimmten 17% der Befragten zu. 23% lehnten diese Bewertung klar ab. Eine Mehrheit (56%) meinte, dass dieser Ruf zumindest teilweise zutrifft. Jüngere Befragte (22%) stimmten dieser Imagezuweisung zu, aber nur 12% der älteren. 64% der Befragten (71% der Männer und 57% der Frauen) waren der Meinung, dass Straftaten gegenüber Asylbewerbern und anderen Fremden schärfer und schneller geahndet werden sollten. Immerhin 31% stimmten dem nicht zu. In dieser deutlichen Forderung nach Ahndung von Straftaten mit fremdenfeindlichem Hintergrund zeigt sich der auch in anderen Untersuchungen (vgl. Müller, Popper, Hegel, und Wendelborn, 1998, S. 29 und Hegel, Müller und Horstmann, 2001) allgemein konstatierte Wunsch nach härteren Strafen und effizienteren polizeilich-juristischen Maßnahmen. In der Regel ist diese Forderung mit einer Verantwortungszuweisung in Richtung Staat verkoppelt. Insofern ist es interessant zu wissen, wie es mit der Bereitschaft der Brandenburgerinnen und Brandenburger zu Hilfeleistungen aussieht. Gefragt wurde nach der Bereitschaft des Eingreifens, wenn Ausländer beleidigt oder tätlich angegriffen werden: Vorbehaltlos helfen würden lediglich 22% der Befragten. Das Gros (62%) würde nur unter bestimmten Umständen eingreifen und 15% würden Hilfe verweigern. An welche Umstände die Mehrheit ihr Eingreifen knüpfen würde, ist nicht klar zu entscheiden. Der allgemeinen Forderung danach, dass sich jeder um die Sicherheit ausländischer Mitmenschen kümmern solle, stimmten immerhin 69% (78% der Älteren, 60% der Jüngeren) zu. 27% stimmten dieser Aufforderung nicht zu.
4.8
Einstellungen und Handlungen gegenüber Ausländern in den Kommunen Durch welche konkreten Einstellungen, Interessen und Handlungen gegenüber Fremden zeichnen sich die Bürgerinnen und Bürger aus? Dies ist sicherlich eine wesentliche Frage, die bei der Gestaltung der Kommunalpolitik bezüglich Fremder zu berücksichtigen ist. Nur 6% der Befragten sagten, sie würden Menschen, die wie Fremde aussehen, lieber aus dem Weg gehen. 24% stimmten diesem Verhaltensmuster teilweise zu und eine deutliche Mehrheit von 68% teilte diese Auffassung nicht. Das Interesse an der kommunalen Asyl- und Ausländerpolitik ist bei den Brandenburgerinnen und Brandenburgern sehr schwach ausgeprägt. Nur insgesamt 27% interessierten sich stark bzw. sehr stark für dieses Feld der Kommunalpolitik. Fast drei Viertel (74%) interessierte sie kaum oder überhaupt nicht. Der Aussage, dass Asylbewerber bzw. Spätaussiedler weitgehend unter sich bleiben sollen, stimmten jeweils deutliche Mehrheiten (77 bzw. 81%) nicht zu. Offensichtlich neigten die Befragten stark der Auffassung zu, dass die Isolierung von Gruppen von Ausländern kein erfolgreicher Weg ist, um eine Integration in den Kommunen zu realisieren. Für diese Haltung spricht auch die bereits weiter oben dargestellte Bevorzugung der dezentralen Unterbringung Fremder in Brandenburger Gemeinden.
4.9 Akzeptanz
von Gesetzesänderungen bezüglich der Integration von Ausländern in Fast drei Viertel
(74%) der befragten Bewohner Brandenburgs würden Ausländern nach 3 bis
10 Jahren Arbeiten und Leben in Deutschland die deutsche Staatsbürgerschaft
zubilligen. Nach 5 Jahren wären es immerhin 51%, die ausländischen Mitbürgern
die Staatsbürgerschaft zuerkennen würden. 11% waren der Meinung, dass
das nie geschehen sollte. Etwa 65% der Befragten (70% der Älteren und nur 59% der Jüngeren) waren der Meinung, dass jedes in Deutschland geborene Kind auch die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten sollte. 31% waren nicht dieser Meinung. Die Alimentierung von Asylbewerbern ist ein schwieriges Problem für alle Betroffenen. Welche Form schätzten die Brandenburgerinnen und Brandenburger als die angemessenste ein? Eine deutliche Mehrheit von 60% hielt die Zuwendung in Form von Geld für die bessere Lösung (66% der Älteren und lediglich 54% der Jüngeren). Etwa ein Drittel (34%) hielten Sachleistungen und Einkaufschecks für angemessener. Es waren mehr Männer (39%) als Frauen (29%), die sich für Sachleistungen aussprachen.
5 Ausblick - Handlungsvorschläge Die nachfolgend dargestellten Vorschläge kommunalpolitischen Handelns sollen auf einige wenige zentrale Aspekte beschränkt bleiben. Sie sind der Übersichtlichkeit wegen auf drei verschiedenen Ebenen angeordnet worden: Ebene 1: Asylpolitische Forderungen gegenüber dem Bund und dem Land vertreten
Ebene 2: Über
ausländische Menschen, deren Rechte und Pflichten und andere Kulturen
informieren, Begegnungen ermöglichen
Ebene 3: Vorbereitung der Integration von Asylbewerbern in die Kommune
6 Literatur Bade, K. J. (2000). Europa und die Migration am Ende des 20. Jahrhunderts: Akademievorlesung gehalten am 04. Juli 2000. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht. Gesetzentwurf der
Bundesregierung (2001). Entwurf. Gesetz zur Steuerung und Begrenzung
der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von
Unionsbürgern und Hegel, R.-D. und Müller, M. (Hrsg.) (1998). Der Name des Fremden. Berlin und Milow: Schibri-Verlag. Hegel, R.-D., Müller, M. und Horstmann, K. (2001). Potsdam, aber sicher! Wie sicher ist die Stadt im Urteil ihrer Bewohner? - Eine repräsentative empirische Studie im Auftrage der Sicherheitskonferenz Potsdam (im Druck). Horstmann, K. und Müller, M. (1997). Das Bild vom ‚Fremden' in der Grundschule. Grundschulpädagogik, 11 (106), 48-51. Horstmann, K. (2000). Sorgenkinder - Auf der Suche nach möglichen Ursachen. In Sicherheitskonferenz Potsdam & Gesellschaft für praxisorientierte Kriminalitätsforschung e.V. (Hrsg.), VI. Potsdamer Kolloquium ‚Kindersorgen - Sorgenkinder', (S. 21-40). Landesamt für Datenverarbeitung
und Statistik (1998). Statistisches Jahrbuch 1998. Potsdam:
Landesamt für Datenverarbeitung
und Statistik (1999). Statistisches Jahrbuch 1999. Potsdam:
Müller, M., Popper, Y., Wendelborn, S. und Hegel, R.-D. (1997). Vom Tiefflug des Adlers. Land Brandenburg - ausgewählte demographische Daten, Zusammenhänge und Deutungsmöglichkeiten. Potsdam: Eigenverlag des kommunalpolitischen forum Land Brandenburg e.V. Müller, M., Popper, Y., Hegel, R.-D. und Wendelborn, S. (1998). Empirische Studien zur Kriminalitätsentwicklung im Land Brandenburg. Potsdam: Eigenverlag des kommunalpolitischen forum Land Brandenburg e.V. Petrovic-Wettstädt, I. (1998). Die Sprache des Marktes - eine regionale Perspektive. In Hegel, R.-D. und Müller, M. (Hrsg.), Der Name des Fremden (S. 191-212). Berlin und Milow. Schibri-Verlag. Winkler, G. (1997). Sozialreport 1997. Berlin: Verlag am Turm GmbH.
Liebe Brandenburgerinnen
und Brandenburger,
Wir bedanken uns für Ihre Mitarbeit!
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