Vorbemerkung
Welche
Verbindlichkeit haben die Regierungs-Leitlinien
vom 11.7.2000 in der sog. "Freiwilligkeitsphase" für die Gemeinden
und welche Verbindlichkeit haben sie für den Gesetzgeber
nach Abschluss der "Freiwilligkeitsphase"?
Keine
anderen Fragen haben wohl im Zusammenhang mit der Gemeindegebietsreform
in Brandenburg und deren bisherigen parlamentarischen Beratung
im Landtag und auf Veranstaltungen vor Ort so viel Interesse erregt
wie diese.
Insbesondere
mit der Verabschiedung des Gemeindereformgesetzes am 28.2.2001
- im vollen Wortlaut " Gesetz zur Reform der Gemeindestruktur
und zur Stärkung der Verwaltungskraft der Gemeinden im Land Brandenburg"
- ist die Frage nach dem Verhältnis von Leitlinien zu dem Gemeindereformgesetz
für die PDS-Landtagsfraktion von zentraler Bedeutung für die politische
Auseinandersetzung gewesen.
Dass
nunmehr auch die Regierung in Veröffentlichungen diese Problematik
aufgreift, ist folgerichtig und darauf zurückzuführen.
Die
Rechtsqualität der Leitlinien
Von
welcher rechtlichen Qualität sind die Leitlinien
der Landesregierung vom 11.7.2000?
Die
Leitlinien sind zunächst selber kein Gesetz im formellen
Sinne und auch sonst nicht als Rechtsverord-nung, Erlass u.ä.
zu qualifizieren.
Daher
wurden sie als Beschluss der Landesregierung nicht im Gesetz-
und Verordnungsblatt oder im Amtsblatt für das Land Brandenburg
veröffentlicht, sondern als Druckschrift im Rahmen der Öffentlichkeits-arbeit
der Landesregierung ("Blaue Broschüre") herausgegeben, in "Brandenburg
Kommunal", Heft 32 vom Juli/August 2001 abgedruckt und im Internet
unter www.starke-gemeinden.de
veröffentlicht.
In der
Begründung des Kabinettbeschlusses vom 11.7.2000 werden die Leitlinien
als das Konzept zu einer Gemeindereform dargestellt, zu
dessen Erarbeitung der Landtag am 24.11.1999 die Landesregie-rung
mit einer Entschließung aufforderte (Drucksache 3/195-B), wobei
auch die Ergebnisse der Enquete-kommission "Gemeindegebietsreform"
vom April 1999 Berücksichtigung finden sollten.
Vorangegangen
war die Einigung der Koalitionsparteien SPD und CDU auf dieses
Reformvorhaben (Koali-tionsvereinbarung), so dass Ministerpräsident
Stolpe in seiner Regierungserklärung im November 1999 schon das
Vorhaben der Schaffung leistungsfähigerer Strukturen auf der gemeindlichen
Ebene ankündigen konnte.
Außen-
und Innenwirkung der Leitlinien
Nach
Aussage des Ministerium des Innern (MI) seien die einstimmig im
Kabinett beschlossenen Leitlinien der Orientierungsrahmen
für die freiwillige Phase der Gemeindestrukturreform, entfalten
also Außen-wirkung, weil vor Ort die vorgegebenen Gemeindemodelle
beraten und diskutiert werden sollen.
Quasi
in einem Nebensatz der neuesten Broschüre des MI "Das neue Gemeindereformgesetz"
("Dunkelrote Broschüre") heißt es auf Seite 7 auch, dass sie die
Verwaltung gemäß Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz und Art. 12 Abs. 1
der Landesverfassung bei der Frage binde, ob ein Gemeindezusammenschluss
genehmigt werden kann.
Das
ist die Innenwirkung der Leitlinien, die nach Abschluss
der Freiwilligkeitsphase dazu führen wird, dass im Falle von nicht
leitbildgerechten "freiwilligem" Verhalten dem Landtag leitbildgerechte
Vorschläge zugeleitet werden müssen.
Damit
haben sie aber als erstes und hauptsächlich eine bindende Wirkung
für das Handeln der Verwal-tung des MI und alle anderen
Verwaltungen, die in diesem Bereich tätig sind.
Die
Schulverwaltung bspw. hat darauf zu achten, dass sie keine Beschlüsse
entgegen den Leitlinien verfasst, also keine Schulstandorte oder
Schulbezirke beschließt, die dem nicht entsprechen würden (so
die Erläuterung im Innenausschuss des Landtages).
Das
MI ist davon überzeugt, dass dann auch der Gesetzgeber, der Landtag,
an die Leitlinien gebunden sei, weil auch er aus Gründen der
Systemgerechtigkeit und letztlich auch vor dem Hintergrund
des von ihm beschlossenen Gemeindereformgesetzes, dem die Leitlinien
zugrunde liegen, nicht ohne weiteres von den Festlegungen abweichen
könne.
Diese
Behauptung soll im folgenden untersucht und widerlegt werden.
"Bindungswirkung"
der Leitlinien und das Gemeindereformgesetz
Wenn
ich es mir einfach machen wollte, würde hierzu schon ein Zitat
des Abg. Schulze (SPD), Vorsitzender des Innenausschusses
des Landtages, aus der Debatte am 28.2.2001 genügen. Er sagte,
die Leitlinien der Landesregierung seien ein unscharfes Bild
und wir sind jetzt bei einer scharfen Gesetzgebung.
Diese Äußerung ist erfolgt, als ich ihn damit konfrontierte,
dass sich z.B. das Vetorecht des Ortsbürger-meisters zwar
in den Leitlinien, aber nicht mehr im Gemeindereformgesetz
wiederzufinden sei.
Wieder
ernsthaft gesprochen, gibt es sogar Gründe, weshalb Leitlinien
und Gemeindereformgesetz inhaltlich voneinander abweichen.
In Umsetzung
der von der Landesregierung beschlossenen Reform sollten kommunalrechtliche
Vorschriften novelliert werden, um freiwillige Gemeindezusammenschlüsse
zu fördern.
Das
betraf vor allem die Ortsteilverfassung, Personalüberleitungsvorschriften
und Änderungen im Kommunalwahlrecht hinsichtlich der Wahlkreiseinteilung.
Ausweislich
der amtlichen Begründung hatte der Gesetzentwurf für ein Gemeindereformgesetz
der Umsetz-ung der Ziele des Leitbildes der Regierung zu dienen
und rechtliche Hemmnisse bei der Umsetzung der Regierungsleitlinien
zu beseitigen.
Damit
hat der Landtag jedoch lediglich die grundsätzliche Zielvorstellung
der Landesregierung übernom-men, eine umfassende kommunale
Neugliederungsmaßnahme (Gemeindestrukturreform) als solche
durchzuführen.
Wann
bindet sich der Gesetzgeber selber?
Reicht
nun dieses hineinformulierte Bekenntnis in der Begründung des
Gemeindereformgesetzes aus, um den Gesetzgeber unterstellen
zu können, dass er sich mit allen Inhalten des Leitbildes
und der Leit-linien der Gemeindestrukturreform identifiziert
und sie zu seinen eigenen Gemeinwohlerwägungen gemacht hat?
Reicht
es aus, dass der Landtag auf Antrag der Koalitionsfraktionen am
20. September 2000 die Leitlinien lediglich zur Kenntnis
genommen hat und mehrheitlich beschloss, die Leitlinien als
tragfähige Basis für die Schaffung leistungsfähiger Strukturen
für bürgernahe, professionelle und effiziente Kommunalverwaltungen
zu betrachten, die dem Leitbild der kommunalen Selbstverwaltung
nach der Verfassung und den Ansprüchen der Bürger des Landes Brandenburg
entsprechen?
Gesetzgebung
und verfassungsgerichtliche Kontrolle
Damit
komme ich zur Erörterung von verfassungsrechtlich relevanten Fragen,
insbesondere zur Kontroll-dichte des Landesverfassungsgerichts
bei der Überprüfung von gesetzgeberischen Maßnahmen der Gebietsreform,
da erst daraus eine mögliche Bindung des Gesetzgebers an Leitlinien
aus Gründen der Systemgerechtigkeit erklärt werden kann.
Es gibt
eine Vielzahl von verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung der
Länderverfassungsgerichte und des Bundesverfassungsgerichts aufgrund
der umfassenden Gebietsreformen in der alten Bundesrepublik in
den 60er und 70er Jahren.
Die
einzelnen Landesverfassungsgerichte haben dabei stark differenzierte
Maßstäbe angewandt und entwickelt, um die materiellen Voraussetzungen
einer Gebietsreformmaßnahme prüfen und verfassungs-rechtlich bewerten
zu können.
Auf
die formellen Voraussetzungen der ordnungsgemäßen Anhörung
der Gemeinde vor ihrer Auflösung soll hier nicht näher eingegangen
werden.
Eine
Prognose, nach welchen Maßstäben und Kriterien das Landesverfassungsgericht
Brandenburg entscheiden würde, ist daher schwierig zu äußern,
da die bisherigen Entscheidungen zur Kreisgebietsre-form 1992/93
und zur Gemeinde Horno andere rechtliche Zusammenhänge betrafen.
Gründe
des öffentlichen Wohls und Selbstbindung des Gesetzgebers
Die
Auflösung einer Gemeinde gegen deren Willen kann nur aus Gründen
des öffentlichen Wohls gerechtfertigt sein. So steht es in
der Verfassung.
Der
Begriff des öffentlichen Wohls ist dabei ein unbestimmter Rechtsbegriff
mit Beurteilungsspiel-raum.
Gründe
des öffentlichen Wohls sind alle Interessen der Allgemeinheit
an der Grenzände-rung, die den unveränderten Bestand der Grenzen
überwiegen.
Aus
dem Verfassungsrecht können z.B. folgende Gründe des öffentlichen
Wohls abgeleitet werden (nach Alfons Gern, Deutsches Kommunalrecht,
1997, Rdnr. 201 ff.):
-
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die
Stärkung der kommunalen Leistungs- und Verwaltungskraft
|
-
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die
Schaffung einer einheitlichen Lebens- und Umweltqualität
|
-
|
der
Abbau des Leistungs- und Ausstattungsgefälles zwischen
Verdichtungsraum und dünn besiedelten Gebieten |
-
|
die
Steigerung der Wirtschaftlichkeit der Kommunalverwaltung |
-
|
die
Wahrung der örtlichen Verbundenheit der Einwohner |
-
|
die
Schaffung von Bürgernähe der Verwaltung |
-
|
die
Stärkung der gesamtstaatlichen Einbindung der Kommunen
zur Förderung der Ziele der Raumordnung und
Landesplanung. |
Somit handelt es sich bei reformerischen Regelungen wie diesen
um planerische Entscheidungen.
Aus rechtsstaatlichen Anforderungen kann es kein freies gesetzgeberisches
Ermessen geben.
Vielmehr
muss sich diese Planungsentscheidung zunächst nach Zielen,
Leitbildern und Maßstäben richten, die der Gesetzgeber sich
selbst gesetzt hat.
Aus
einer verfassungsgerichtlichen Nachprüfung, ob der Gesetzgeber
den für seine Regelung erheblichen Sachverhalt ermittelt und dem
Gesetz zugrunde gelegt hat und ob er die im konkreten Fall angesprochenen
Gemeinwohlgründe sowie die Vor- und Nachteile der gesetzlichen
Regelung in die vorzunehmende Abwägung eingestellt hat, ergibt
sich natürlich eine nur beschränkte gerichtliche Kontrolle.
Noch
einmal auf den Punkt gebracht, dass Verfassungsgericht kann also
nachprüfen, ob der Gesetzgeber der Gebietsreform selber
ein System zugrundegelegt hat. Ob dieses System verfassungsrechtlichen
Vorgaben entspricht und ob Abweichungen von diesem
System mit Blick auf den Gleichheitssatz durch sachliche Gründe
gerechtfertigt sind.
Gibt
es ein gesetzgeberisches System der Gebietsreform?
Hat
nun der Gesetzgeber in Brandenburg schon ein solches System
der Gebietsreform selber aufgestellt und beschlossen?
Nein,
der Landtag hat bspw. am 28.2.2001 den von der PDS-Fraktion
eingebrachten Gesetzentwurf über die Grundsätze der Gemeindegebietsreform
als ein Vorschlag für ein System der Gebietsreform abgelehnt.
In
diesem Entwurf sollte der Landtag durch Gesetz die Gründe des
öffentlichen Wohls für Gemeindeauf-lösungen konkretisieren und
ein gesetzliches Leitbild der Gebietsreform aufstellen.
Leitbild
heißt in diesem Zusammenhang, grundlegende Aussagen zur Struktur
der örtlichen Verwal-tungseinheiten zu treffen, also zu der
Leistungsfähigkeit einer Gemeinde allein oder in Kooperation
mit anderen (Klein-)Gemeinden (z.B. im Amt), zur Einheit und Fortführung
von Gebiets- und Funktional--reform, zum Prinzip der
Freiwilligkeit unter Verzicht auf gesetzliche Zwangsneugliederungen
bis 2004, zur Bestimmung der Modelle örtlicher Verwaltungseinheiten
(amtsangehörige Gemeinde, amtsfreie Ge-meinde, Amt, zweistufige
Gemeinde) als gleichzeitiger Verzicht auf eine flächendeckende
Gemeindege-bietsreform mit nur einem Modell der Einheitsgemeinde.
Weiter
ging es im PDS-Gesetzentwurf um die Bestimmung gesetzlicher Leitlinien
der Reform, also um diejenigen Gesichtspunkte, die dazu dienen,
die leitbildgerechten örtlichen Verwaltungseinheiten zu bilden
und damit die Entscheidung des Gesetzgebers für jeden Einzelfall
zu lenken, quasi das System zur Um-setzung der Zielvorstellungen
im Sinne einer Selbstbindung des Gesetzgebers zu schaffen.
Dazu
ist es - außer unter Bezugnahme auf die Regierungs-Leitlinien
in der amtlichen Begründung des Gemeindereformgesetzes - (noch)
nicht gekommen.
Charakterisierung
und Bewertung des Gemeindereformgesetzes
Vielmehr ist
festzustellen:
1.
|
Das
Gemeindereformgesetz novelliert (nur) kommunalrechtliche
Vorschriften zwecks weiterer Erleich-terung freiwilliger
Zusammenschlüsse. Etwas vergleichbares hat es 1998 mit
dem Gesetz zur För-derung freiwilliger Gemeindezusammenschlüsse
und der damaligen Novellierung von Gemeindeordnung und Amtsordnung
schon einmal gegeben.
|
2.
|
Das
Gemeindereformgesetz ist daher wohl noch der ersten von
drei Stufen der gesetzgeberischen Ent-scheidungen bei umfassenderen
Gemeindegebietsreform zuzuordnen. Nämlich jener Stufe des
erneu-ten Entschlusses, eine grundlegende Umgestaltung
der kommunalen Struktur vorzunehmen und hierfür die
Stärkung der Verwaltungskraft der Gemeinden als Zielvorstellung
und Allgemeinwohl zu bestimmen. Auf allen Stufen
muss der Gesetzgeber nach der neueren Rechtsprechung der
Verfas-sungsgerichte in Thüringen und Sachsen die Allgemeinwohlgründe
konkretisieren und kann das Ver-fassungsgericht diese Konkretisierung
mit zunehmender Kontrolldichte prüfen (1. Stufe: Entschluss
zu einer Gebietsreform, 2. Stufe: Bestimmung von Leitbild
und Leitlinien als System, 3. Stufe: Neugliederung einzelner
Gemeinde nach diesem System).
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3.
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Im
Verhältnis von Regierungs-Leitlinien zum Gemeindereformgesetz
gibt es Widersprüchlich-keiten, weil teilweise Inhalte
der Leitlinien in das Gesetz eingeflossen sind (z.B. die
weitere Ausge-staltung der Ortsteilverfassung oder die Begrenzung
der Zahl der Gemeinden je Amt und die Mindest-einwohnersollzahl
von 500 je rechtlich selbständiger Gemeinde in der Amtsordnung).
Andererseits sind das Budgetrecht des Ortsbeirates und das
Vetorecht des Ortsbürgermeisters/ Ortsbeirates anders und
schlechter geregelt worden.
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4.
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Die
Kriterien der Leitlinien, also wann ein Amt in eine
amtsfreie Gemeinde (Einheitsgemeinde) um-gewandelt werden
soll bzw. sich bei Fortbestehen nicht leitliniengerecht
verhält und somit alle kniffligen und uns umtreibende Fragen
wie Amt im engeren Verflechtungsraum Berlin-Brandenburg,
Einwohner-zahl des Amtes unter 5.000 Einwohner, Amt mit
Grundzentrum mit Teilfunktion eines Mittelzentrums, sind
nicht in das Gemeindereformgesetz aufgenommen worden,
nicht einmal in die amtliche Begrün-dung. In abgeschwächter
Form gilt dies auch für die Stadt-Umland-Problematik. In
§ 3 Abs. 2 der Amtsordnung ist durch das Gemeindereformgesetz
eine Hinwirkungsbestimmung für das MI aufgenom-men worden,
amtsfreie zentrale Orte zu stärken, also sog. Kragenämter
aufzulösen. Gleichzeitig fehlen die Kriterien der Leitlinien,
unter welchen Umständen eine Eingliederung von Umlandgemeinden
in Be-tracht kommen kann (bspw. enge bauliche Verflechtung,
Flächenbedarf u.ä.).
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5.
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Schlussfolgernd
heißt das, dass der Gesetzgeber erst noch, spätestens
wenn er die konkreten Neu-gliederungsgesetze 2002 berät,
dieses System von Leitbild und Leitlinien
der Reform aufstellen und in seine Gesetze hineinschreiben
muss, weil es bislang unterblieben ist.
|
Letzteres mag für die verfassungsgerichtliche Prüfung von Neugliederungsmaßnahmen
weniger von Belang sein, da teilweise Verfassungsgerichte auch
schon Bezugnahmen in Gesetzen auf Regierungs-Leitlinien für ausreichend
erachteten oder erst gar nicht das gesetzgeberische System der
Reform prüfen wollten, gar in Abrede stellten, dass es solche
Systeme gäbe oder Leitbild und konkrete Neugliederung unbeanstandet
in einem Gesetz zusammenfallen ließen.
Doch
für die Frage der unterstellten Bindung des Gesetzgebers
an Nichtgenehmigungsentscheidungen des MI wegen nicht leitbildgerechten
Verhaltens eines bspw. berlinnahen Amtes nach Abschluss der sog.
"Freiwilligkeitsphase" ist es schon entscheidend.
Aus
Gründen der Systemgerechtigkeit gibt es noch keine Bindung
bzw. Selbstbindung des brandenburgischen Landtages.
Gemeindliche
Rechtschutzmöglichkeiten . . .
Sind
deswegen das Gemeindereformgesetz, die Leitlinien oder künftige
Neugliederungsgesetze allein oder erst in der Summe angreifbar?
Das
scheint eben zum jetzigen Zeitpunkt das Dilemma der
gemeindlichen Rechtsschutzmöglich-
keiten zu sein, denn vermutlich gibt es nur wenige argumentative
Angriffspunkte, was die einzelnen Maßnahmen Leitlinien, Gemeindereformgesetz
und etwaige Neugliederungsgesetze betrifft.
Doch
in der Summe aller Maßnahmen, wo ihnen allen unterstellt
wird, sie seien ein aufeinander abgestimmtes System, ohne dies
jedoch tatsächlich zu sein, kann sich die verfassungsrechtliche
Bewertung anders darstellen.
Allerdings
kann diese komplexe Bewertung erst vorgenommen werden, wenn Gemeinden
2002 gegen ein sie auflösendes Gesetz vor das Verfassungsgericht
gezogen sind.
.
. . gegen die Leitlinien
Bis
dahin müssen sich Gemeinden mit dem MI über die Anwendung der
Leitlinien vor den Verwal-
tungsgerichten streiten, wenn z.B. eine Gemeinde auf die Erteilung
der Genehmigung klagt, weil sie
sich mit einer Nachbargemeinde zusammenschließen will, aber der
Zusammenschluss vom MI nicht als leitliniengerecht angesehen wird
(Beispiel des MI).
Denkbar
ist aber auch eine Auseinandersetzung mit dem MI, wenn ein Amt
ansonsten leitliniengerecht besteht, aber im Verflechtungsraum
um Berlin liegt, keine Anstalten machte, sich zusammenzuschlies-sen
und als Amt aufgelöst werden soll.
Da vielfach
in diesen Ämtern Anträge an das MI auf Bestand und Fortführung
als Amt gestellt wurden und das MI diese Anträge ablehnen wird,
kommt auch hier der Verwaltungsrechtsweg in Betracht.
.
. . gegen das Gemeindereformgesetz
Das
Gemeindereformgesetz für sich allein betrachtet, könnte zwar von
der PDS-Landtagsfraktion mittels einer abstrakten Normenkontrolle
vor dem Verfassungsgericht überprüft werden, aber hierzu
gibt es keinen abschließenden diskutierten Standpunkt der Fraktion.
Unrichtigen
Pressedarstellungen ist aber entschieden entgegenzutreten,
wonach die PDS-Fraktion mit einem Antrag gegen das Gemeindereformgesetz
schon einmal vor dem Verfassungsgericht gescheitert sei.
Dabei
ging es um die Frage, ob das Gesetz im Februar 2001 ohne ausreichende
Beratung des Landtages von der Mehrheit "durchgepeitscht" werden
durfte.
Das
Verfassungsgericht Brandenburg sah die Rechte der parlamentarischen
Opposition durch dieses Verfahren nicht verletzt und lehnte
die Vertagung der Beratung des Gesetzes auf einen späteren
Zeitpunkt als unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache ab.
Inhaltlich
hat sich das Gericht nicht mit dem Gemeindereformgesetz
auseinandergesetzt.
Beachtung
und Unterstützung verdient die kommunale Verfassungsbeschwerde
der Stadt Teupitz gegen den Teilaspekt des Gesetzes der Übertragung
der Flächennutzungsplanung als vorbereitende Bauleitplanung
von der Gemeinde auf das Amt.
Es
geht dabei nicht nur um die Fortschreibung einer Praxis des Gesetzgebers,
die mit der Brandschutz-
entscheidung des Landesverfassungsgerichtes gerade noch für
gesetzeskonform angesehen wurde.
Nicht
nur die Aufgabe des Brandschutzes als Pflichtaufgabe zur Erfüllung
nach Weisung und der Flächennutzungsplanung als Pflichtige
Selbstverwaltungsangelegenheit und damit die Intensität des
Eingriffs in den Kernbestand der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie
durch Aufgabenentzug unter-scheiden sich.
Auch
der rechtliche Charakter des Amtes als eine Bundkörperschaft,
die demokratische Legiti-
mationsdefizite hat wegen der fehlenden Volksvertretung, dem
nicht direkt gewählten Hauptverwal-
tungsbeamten und die nicht am kommunalen Finanzausgleich teilnimmt,
gebietet derzeit keine weitere Aufgabenübertragung.
Wie
schon von der Enquetekommission "Gemeindegebietsreform" herausgearbeitet,
muss das Amt strukturell und rechtlich fortentwickelt werden.
Bspw.
die zweistufigen Gemeindemodelle Samtgemeinde und Verbandsgemeinde
in Niedersachsen und Rheinland-Pfalz haben als eigene Selbstverwaltungsaufgaben
den Brandschutz, die Flächennutzungspla-nung und die eigene
Schulträgerschaft gesetzlich zugewiesen bekommen.
Zwei
dieser drei Aufgaben sind nun auch schon auf das Amt in Brandenburg
gesetzlich übertragen worden. Das ist verfassungsrechtlich
bedenklich und schafft durch die Hintertür eine zweistufige
Gemeinde, ohne dass das Amt Gemeindequalität hat.
. . . gegen künftige
Neugliederungsgesetze
Künftige Gesetze
müssen mit Vorsicht bewertet werden, es gibt sie schließlich noch
nicht. Wie der Gesetzgeber, sprich die Mehrheitsfraktionen sich
künftig verhalten werden, also ob ohne Not Leitlinien-Vorgaben
des MI eins zu eins in Gesetze übernommen werden, kann zwar erfahrungsgemäß
unterstellt werden, zwingend rechtlich geboten ist es nicht.
Nur
vor solchen "Bauchentscheidungen" können sich Oppositionsabgeordnete
der PDS (und betroffene Gemeinden) nicht im Landtag, sondern nur
vor dem Verfassungsgericht schützen.
Dann
steht den betroffenen Gemeinden die kommunale Verfassungsbeschwerde
direkt zum Landes-verfassungsgericht als Rechtsbehelf zu.
Spätestens
jetzt kommt die Nagelprobe, ob das Verfassungsgericht Brandenburg
ebenso wie die Gerichte in Sachsen und Thüringen das Erfordernis
der Gemeinwohlkonkretisierung durch den Gesetzgeber selber
und auf allen Ebenen der Gebietsreform in den Mittelpunkt
der Überprüfung stellt.
Davon
gehe ich aus.
Abschließend möchte ich den Kommunalrechtler Knemeyer zitieren,
der dem Gesetzgeber mit auf dem Weg gibt (LKV 1992, S. 314):
"Verfehlt
wäre es allerdings, von der relativ geringen Kontrolldichte auf
geringe Handlungsanforderungen an den Gesetzgeber zu schließen.
Die geringe Kontrolldichte kann nicht zugleich den Rahmen für
die gesetzgeberischen Handlungen bei Gebietsreformmaßnahmen bilden.
Kontrolldichte und Handlungsauftrag des Gesetzgebers fallen berechtigterweise
auseinander. Ein Gesetzgeber, der von vornherein nur auf die Vermeidung
von Willkür schaut, handelt rechtswidrig."
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