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Kommunal
aktuell
5- 2001
"Kommunale
Daseinsvorsorge"
ein
Beitrag
von Frank Kuschel
Fachberater für Kommunal- und Verwaltungsrecht
Geschäftsführer beim Kommunalpolitischen Forum Thüringen
Inhalt:
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1. Vorbemerkungen
Die PDS fordert
wie alle anderen Parteien einen Politikwechsel, auch einen Politikwechsel
in den Kommunen.
Hier stellt
sich die Frage, ob überhaupt auf kommunaler Ebene oder auf Landes-ebene
ein Politikwechsel möglich ist und wenn ja, in welche Richtung ein solcher
Politikwechsel erfolgen kann, welche Voraussetzungen hierfür gegeben sein
müssen.
Jeder Anspruch
auf einen Politikwechsel ist heute unweigerlich in die Frage ein-gebunden,
wie der in der Bundesrepublik von allen Seiten deklarierte "Reformstau"
aufzulösen ist und welche Rolle dabei die unterschiedlichen Politikkonzepte
der Parteien spielen.
Dabei geht es
nicht mehr um Veränderungen von einzelnen Akzenten oder Punkten in der
Politik, sondern um die Suche nach neuen Wegen in einem gesellschaftlichen
Umfeld, das tiefgreifende und komplexe Reformen bedarf. In keiner politischen
Partei der Bundesrepublik gibt es derzeit hierfür klare oder gar einheitliche
Orientierungen.
In den letzten
Jahren haben sich eine Reihe neuer Bedingungen für die Etablierung von
Reformen herausgebildet. Sie gelten auch für linksdemokratische Politik.
Hierzu zählen:
Reformpolitik,
sofern sie auf Finanzierungen angewiesen ist, kann heute in der Regel
nicht mehr als Verteilungspolitik überschüssiger Finanzen oder zusätzlicher
Neuverschuldung angegangen werden. Vielmehr gilt es, die öffentlichen
Haushalte zu konsolidieren.
Dies ergibt
sich u.a. daraus, dass der bisherige Automatismus Wirtschaftswachstum
- Wohlfahrt, Wirtschaftswachstum - steigende Staatseinnahmen, Wirtschaftswachs-tum
- sinkende Arbeitslosigkeit usw. brüchig geworden ist.
Eine weitere
Neuverschuldung ist, wenn überhaupt noch vertretbar, an strikte Krite-rien
zu binden. Diese sind:
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Ausschöpfung aller Möglichkeiten zur nachhaltigen Neuorientierung
der öffentlichen Finanzen (Einnahmen, Ausgaben, Transparenz, ressourcenübergreifende
Bündelung, Schwerpunktsetzung), |
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Erreichung
nachhaltiger Effekte. |
Reformvorschläge,
egal welcher Art, werden zunehmend verbunden sein mit Verteilungs- und
Interessenkonflikten.
Traditionelle
Verflechtungen müssen aufgebrochen werden. An ihre Stellungen müs-sen
Chancen für Neuentwicklungen treten.
Notwendig
ist eine neue demokratische Öffentlichkeit und die Neubestimmung von Werten
in der Gesellschaft. Dies wiederum wird Auswirkungen auf den Inhalt der
kommunalen Daseinsvorsorge haben.
Das
politisch-administrative System muss sich selbst den neuen Herausforde-rungen
stellen, wenn dies von der Gesellschaft als Ganzes verlangt wird. Hierzu
müssen Politiknetzwerke anstelle der jetzigen starren Politik- und Verwaltungs-strukturengeschaffen
werden. Auf kommunaler Ebene bedeutet dies u.a.
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weitere
Ausgestaltung der kommunalen Demokratie und der Bürgerbeteiligung,
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Stärkung der Ortschaftsverfassung, |
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Gleichberechtigtes
Wirken der kommunalen Organe (Bürgermeister/Landrat - Gemeinderat/Kreistag). |
Den
globalen Herausforderungen muss man verstärkt regional begegnen, auch
durch kommunales Handeln.
Für linksdemokratische
Politik ist es die schwierigste, aber letztlich unumgehbare Herausforderung,
die Haushaltssanierung als Mittel und Chance zu nutzen, poli-tische Ziele
für eine sozial gerechte und zukunftsfähige Entwicklung neu zu de-finieren.
Bisher Bewehrtes
darf nicht nur verteidigt und bewahrt, sondern muss entwickelt werden,
dies gilt auch für die kommunale Daseinsvorsorge.
Hierfür sind Innovationsgeist,
und politische Initiative, Öffentlichkeit und parteiübergreifendes Handels
notwendig.
Ein wesentlicher
Ausgangspunkt für die Reformdiskussion bildet die Stellung zur öffentlichen
und kommunalen Daseinsvorsorge. Die Stellung zur Daseinsvorsorge macht
die unterschiedlichen Politikkonzepte sichtbar.
Welche Aspekte
gilt es bei der Diskussion zur Daseinsvorsorge zu beachten:
Die weitere Entwicklung
der kommunalen Selbstverwaltung wird wesentlich davon geprägt sein, wie
die kommunale Daseinsvorsorge ausgestaltet wird.
Die Diskussionen
um die Rolle des Staates in der sozialen Marktwirtschaft, die Rolle der
Kommunen im föderalen System, die Ausgestaltung der kommunalen Selbst-verwaltung
usw. sind mit der Diskussion zur kommunalen Daseinsvorsorge eng verknüpft.
Die Diskussion
zur staatlichen Daseinsvorsorge allgemein und zur kommunalen Da-seinsvorsorge
im speziellen ist sowohl wirtschafts- als auch gesellschaftspolitische
geprägt.
Die F.D.P.-Bundestagsfraktion
hat in einer Großen Anfrage folgende Entwicklungen, die die Diskussionen
zum Begriff der "Daseinsvorsorge" beeinflussen benannt:
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Neue
technologische Entwicklungen (z. B. Mobiltelefone, elektronische Nachrichtenübermittlung),
wodurch bestimmte stationäre Leistungen der Daseinsvorsorge zur Disposition
stehen. |
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Neue
Erkenntnisse über die Leistungsfähigkeit privatwirtschaftlicher Unternehmen
bei Liberalisierung und Deregulierung traditioneller staatlicher Monopole,
wie z. B. der Post, der Telekommunikation und des Energiesektors kombiniert
mit der Setzung geeigneter Rahmenbedingungen. |
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Grenzüberschreitende
Wettbewerbsverzerrungen bei unterschiedlicher Definition von Daseinsvorsorge
im EU-Rahmen, die im Zuge der Globalisierung eine neue Dimension erreichen
und strengere Vorgaben der EU-Kommission zur Folge haben. |
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Ein
stärkeres Auftreten gemischtwirtschaftlicher Unternehmenseinheiten
im Zuge der Reorganisation öffentlicher Regie- und Eigenbetriebe.
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Ein
stärkeres fiskalisches Interesse der öffentlichen Hand an der Nutzung
erwerbswirtschaftlicher Einnahmequellen nicht zuletzt im Interesse
einer lokalen Finanzautonomie und in bisher von privaten Unternehmen
dominierten Branchen. |
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Veränderte
Konsumgewohnheiten und eine veränderte Erwartungshaltung der Bürger,
woraus einerseits neue Formen der öffentlichen Daseinsvorsorge abgeleitet
werden können und wodurch andererseits traditionelle Leistungen der
Daseinsvorsorge obsolet werden. |
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Ein
gesellschaftlicher Wandel, der eine stärkere Erwerbsbeteiligung der
generell gut ausgebildeten Frauen als erstrebenswert ansieht und eine
Vielfalt unterschiedlich geprägter Verantwortungsgemeinschaften entstehen
lässt. |
(vgl.: DS DBT 14/5192,
Große Anfrage der F.D.P. "Daseinsvorsorge in der sozialen Marktwirtschaft")
Es ist strittig,
ob diese Aufzählung vollständig ist und/oder die richtigen Prioritäten
setzt; unstrittig ist jedoch, dass diese Entwicklungen es notwendig erscheinen
lassen, ein neues Verständnis von Daseinsvorsorge - auch vor dem Hintergrund
des Artikels 28 Abs. 2 Grundgesetz - im Rahmen einer modernen gesellschafts-
und wirtschaftspolitischen Konzeption zu entwickeln.
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2. Soziale Marktwirtschaft
und Daseinsvorsorge
Die marktwirtschaftliche
Ordnung beruht auf dem Grundsatz dezentraler Planung und Entscheidung.
Funktioniert diese Ordnung, so führt es zu einer bestmöglichen Güterversorgung
der Gesellschaft und gewährt ein hohes Maß an individueller Freiheit.
Eine marktwirtschaftliche
Ordnung hängt aber von einer Vielzahl von Voraussetz-ungen ab, um in diesem
Sinne zu funktionieren.
Es ist insbesondere
entscheidend, dass sich für die Güter und Dienstleistungen private Märkte
bilden und dort ein wirksamer Wettbewerb besteht.
Wo der Markt
nur unvollkommen funktioniert (Marktversagen) oder der Staat andere als
"ökonomische" Zielsetzungen verfolgt, hat er die Aufgabe, zielführende
Rahmenbedingungen zu setzen bzw. die Ergebnisse der Märkte zu korrigieren.
Durch Zuordnung von Eigentumsrechten schafft er eine Grundlage für das
Funktionieren von Märkten; durch Vorschriften gegen Wettbewerbsbeschränkungen
erhält er die Funktionsfähigkeit der Märkte; durch Maßnahmen zur Erfüllung
verteilungspolitischer Ziele verändert er Marktergebnisse; schließlich
stellt er öffentliche Güter bereit, die auf Märkten nicht angeboten werden.
Die Tätigkeit
des Staates ist insofern kein Fremdkörper in der Marktwirtschaft, sondern
trägt zur Etablierung und Stabilisierung des marktwirtschaftlichen Systems
selbst bei.
Die mit der
Gewährleistung einer freiheitlichen Wettbewerbsordnung und weitergehenden
gesellschafts- und sozialpolitische Zielen verbundenen Leistungen sind
integraler Bestandteil der sozialen und ökologischen Marktwirtschaft.
Leistungen der
Daseinsvorsorge sind ein wichtiges Element einer solchen Wirtschafts-
und Finanzpolitik.
Die in der Bundesrepublik
Deutschland gewachsenen Strukturen der öffentlichen Daseinsvorsorge haben
sich über einen langen Zeitraum entwickelt und zu einer weitgehend zufriedenstellenden
Versorgungsdichte mit den betroffenen Gütern und Dienstleistungen und
einem hohen Maß an sozialer Sicherheit geführt.
Anzuerkennen
sind hier insbesondere die Verdienste der Kommunen, die auf der Grundlage
der kommunalen Selbstverwaltung nach Artikel 28 Abs. 2 des Grundgesetzes
(GG) für einen Großteil der Aufgaben Verantwortung übernommen haben.
Die Leistungen
der Daseinsvorsorge haben deshalb eine große Bedeutung im deutschen Gesellschaftsmodell.
Dies gilt aber
auch für die europäische Ebene.
Der hohe Stellenwert
dieser Leistungen innerhalb der gemeinsamen Werte der Europäischen Union
(EU) und ihre wichtige Rolle bei der Förderung des sozialen und territorialen
Zusammenhalts wird im Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft
(EG-Vertrag; Artikel 16) hervorgehoben.
Die Rahmenbedingungen,
innerhalb derer der öffentliche Sektor seine Aufgaben erfüllt, unterliegen
allerdings einem ständigen strukturellen Wandel.
In der heutigen
Zeit sind es die Dynamik des europäischen Integrations- und des weltweiten
Globalisierungsprozesses, die über einen zunehmenden internationalen Standortwettbewerb
zu einer Veränderung der eigenständigen Handlungsspielräume der Nationalstaaten
führen.
Auch aus der
demographischen Entwicklung der Bevölkerung, dem Übergang zu einer globalen
Wissensgesellschaft, den eingeengten finanziellen Handlungsspielräumen
der öffentlichen Haushalte und einem steigenden Qualitätsbewusstsein der
Kunden heraus entstehen neue Herausforderungen für den öffentlichen Sektor
in den einzelnen Nationalstaaten.
Es ist daher
unumgänglich, dass die umfassende Modernisierung von Staat und Gesellschaft
weiter vorangetrieben wird, um die Aufgabenverteilung zwischen öffentlichem
und privatem Sektor zukunftsfähig zu gestalten sowie die Effektivität
und Effizienz der Aufgabenwahrnehmung durch den Staat, dort wo notwendig
und geboten, zu verbessern.
Die Bundesregierung
vertritt folgende Auffassung:
"Um die Effizienz
der Aufgabenerfüllung im Interesse der Bürger so weit wie möglich zu gewährleisten,
sollte der Staat jeweils das Instrument mit der geringsten Eingriffsintensität
auswählen, das die Erreichung des angestrebten wirtschaftspolitischen
Ziels ermöglicht. So wird verhindert, dass auf Marktversagen "überschießend"
reagiert und dieses durch ein wohlfahrtsminderndes Staatsversagen ersetzt
wird.
Diese Überlegungen
gelten auch für den Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge. Um eine
möglichst marktkonforme und zugleich effektive Aufgabenwahrnehmung zu
gewährleisten, kann es z. B. angezeigt sein, ehemalige Monopolbereiche
national und auf Gemeinschaftsebene für den Wettbewerb zu öffnen und über
die allgemeine Wettbewerbspolitik oder über eine staatliche Regulierungsbehörde
die Voraussetzungen für befriedigende Marktergebnisse zu schaffen. So
haben z. B. die Liberalisierungen im Telekommunikations-, Post- und Energiesektor
zu Effizienzsteigerungen und deutlichen Verbesserungen der Versorgung
der Bevölkerung mit diesen Dienstleistungen geführt.
Die Bundesregierung
wird deshalb die eingeleiteten Liberalisierungsschritte mit Nachdruck
vorantreiben, um die Dynamik der Wirtschaftsentwicklung in diesen Bereichen
weiter zu unterstützen. Dabei muss jedoch sichergestellt werden, dass
die Liberalisierungsschritte nicht zu Wettbewerbsverzerrungen insbesondere
zwischen den Mitgliedstaaten der EU führen.
Welche Art der
Bereitstellung bei den unterschiedlichen Leistungen der Daseinsvorsorge
letztendlich vorzuziehen ist, lässt sich nicht pauschal ableiten, sondern
muss fallweise unter Berücksichtigung sektorspezifischer Besonderheiten
entschieden werden.
Im Sinne des
Subsidiaritätsprinzips muss diese Entscheidung innerhalb der EU bei den
Mitgliedstaaten liegen, so dass ein genügender Handlungsspielraum für
spezifisch nationale, regionale und lokale Problemlösungen verbleibt.
Nach Ansicht
der Bundesregierung liegt die Aufgabe der Europäischen Kommission vor
allem darin, in enger Abstimmung mit den betroffenen Mitgliedstaaten die
Rahmenbedingungen für diese Entscheidungen zu bestimmen. Es gilt hierbei
insbesondere sicherzustellen, dass die Bereitstellung von Leistungen der
Daseinsvorsorge mit den Wettbewerbs- und Binnenmarktregeln der Gemeinschaft
vereinbar ist.
Von großer Bedeutung
ist es darüber hinaus, die gewachsenen Strukturen der öffentlichen Daseinsvorsorge
behutsam und kontinuierlich anzupassen".
(vgl. DS DBT
14/ 6249, Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der F.D.P.
"Daseinsvorsorge in der sozialen Marktwirtschaft)
Von Interesse
ist auch der Standpunkt der EU-Kommission:
"Die bislang
gesammelten Erfahrungen bestätigen auch die absolute Vereinbarkeit von
hohen Standards bei der Bereitstellung von Leistungen der Daseinsvorsorge
mit den EG-Wettbewerbs- und Binnenmarktregeln.
Unter bestimmten
Voraussetzungen, insbesondere wenn durch die Kräfte des Marktes keine
zufriedenstellende Bereitstellung von Leistungen der Daseinsvorsorge erzielt
wird, können die Behörden bestimmten Leistungserbringern Pflichten im
allgemeinen Interesse auferlegen und ihnen, falls nötig, besondere oder
ausschließliche Rechte übertragen und/oder einen Finanzierungsmechanismus
entwickeln, der ihnen die Erbringung der Leistungen ermöglicht."
(vgl. Mitteilung
der Kommission KOM 2000/580 "Leistungen der Daseinsvorsorge in Europa"
vom 20.09.00)
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3. Definition Begriff
"Daseinsvorsorge"
Die Bundesregierung
sieht in der Daseinsvorsorge die Erbringung von markt- oder nicht-marktbezogenen
Leistungen wirtschafts-, gesellschafts-, sozial- oder kulturpolitischer
Art, die bei Bedarf mit staatlichen Mitteln erfolgt.
Leistungen der
Daseinsvorsorge erfassen wesentliche Bereiche der Grundversorgung.
Sie werden im
Interesse der Allgemeinheit erbracht und von staatlicher Seite mit spezifischen
Gemeinwohlverpflichtungen verknüpft, wenn unter Marktbedingungen keine
ausreichende Versorgung gesichert ist.
(vgl. DS DBT
14/6249, Antwort 1)
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4. Ziel und Zweck
von Leistungen der Daseinsvorsorge
Die EU-Kommission
formuliert die Ziele und den Zweck von Leistungen der Daseinsvorsorge
wie folgt:
Im Zentrum der
EU-Gemeinschaftspolitik gegenüber Leistungen der Daseinsvorsorge stehen
die Belange der Bürger.
Gemeinwohlorientierte
Dienstleistungen liefern einen wichtigen Beitrag zur allgemeinen Wettbewerbsfähigkeit
der europäischen Industrie und zum wirtschaftlichen, sozialen und territorialen
Zusammenhalt.
Als Leistungsempfänger
erwarten die europäischen Bürger hochwertige Dienste zu erschwinglichen
Preisen.
Im Mittelpunkt
staatlichen Handelns in diesem Bereich stehen somit die Leistungsempfänger
und deren Bedürfnisse.
Die Gemeinschaft
schützt die Ziele von allgemeinem Interesse und den Dienst an der Öffentlichkeit.
Die betreffenden
staatlichen Behörden müssen, um ihre Aufgaben wahrnehmen zu können, völlig
transparent vorgehen und möglichst genau ermitteln, welchen Bedarf die
Leistungen der Daseinsvorsorge aus der Sicht der Verbraucher decken sollen,
wer für die Einführung und Durchsetzung der einschlägigen Verpflichtungen
zuständig ist und wie diese Verpflichtungen erfüllt werden sollen.
Auf der jeweils
angemessenen Ebene - Gemeinschaft, Mitgliedsstaat, Region, Kommune - sind
Maßnahmen zur Festlegung von Kriterien für Leistungen der Daseinsvorsorge
zu treffen, die einander stützen und kohärent sein müssen.
Die Bedürfnisse
der Leistungsempfänger sollten weit gefasst werden. Eine wichtige Rolle
spielen ohne Frage die Verbraucherinteressen, die in allgemein zugänglichen,
qualitativ hochwertigen und erschwinglichen Leistungen bestehen. Daneben
sind Unternehmen und insbesondere kleine und mittlere Unternehmen wichtige
Empfänger gemeinwohlorientierter Leistungen, deren Bedürfnisse ebenfalls
befriedigt werden müssen.
Die Bürger haben
aber auch noch weiter gefasste Anliegen wie z.B.
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ein hohes Umweltschutzbedürfnis,
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spezielle Bedürfnisse
bestimmter Bevölkerungsgruppen (etwa von Menschen mit Behinderungen
oder Beziehern niedriger Einkommen), |
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eine flächendeckende
Grundversorgung, d.h. den Zugang zu wesentlichen Diensten auch in
abgelegenen oder unzugänglichen Gegenden. |
Eine Reihe von Grundsätzen
können helfen, die Ansprüche, welche die Empfänger an gemeinwohlorientierte
Leistungen stellen, zu definieren. Dazu zählen u.a.
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eindeutige Festlegung der Mindestanforderungen an
die Qualität, das Gesundheitsschutzniveau und die materielle Sicherheit
der Leistungen, |
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vollständige Transparenz in Bezug auf Entgelte, Vertragsbedingungen,
freie Wahl des Anbieters, Finanzierung der Anbieter usw., |
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freie Wahl der Leistung und gegebenenfalls des Anbieters
sowie wirksamer Wettbewerb zwischen Anbietern, |
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Schaffung von unabhängigen Regulierungsinstanzen,
wo dies gerechtfertigt erscheint, sowie von Rechtsmitteln in Form
von Beschwerdeverfahren und Streitschlichtungsmechanismen. |
Zu diesen Grundsätzen
kann auch die Vertretung und aktive Beteiligung der Leistungsempfänger
bei der Definition der Leistungen und der Zahlungsweise zählen.
Die Erbringer
von Leistungen der Daseinsvorsorge können aufgrund ihrer langjährigen
Erfahrungen im Umgang mit den Bedürfnissen der Empfänger helfen, die Leistungen
weiter zu entwickeln.
Ihre Ansichten
sind daher ebenso wie die der Nutzer angemessen zu berücksichtigen.
Staatliche Behörden,
die diese Kreise befragen wollen, müssen jedoch deutlich zwischen den
Bedürfnissen von Leistungsempfängern und Leistungserbringern unterscheiden.
Der Staat muss
sich darüber hinaus fragen, wie er sicherstellen kann, dass die einer
Leistung der Daseinsvorsorge zugewiesenen Aufgaben nach einem hohen Qualitätsstandard
und möglichst wirtschaftlich ausgeführt werden.
Dabei können
verschiedene Wege bestritten werden. Bei der Entscheidung darüber, wie
die Aufgaben zu erfüllen sind, dürfen insbesondere folgende Kriterien
eine Rolle spielen:
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die technischen
und wirtschaftlichen Merkmale der fraglichen Dienstleistung, |
|
die Anforderungen
der Nutzer, |
|
die kulturellen
und historischen Eigenheiten des betreffenden Mitgliedstaats. |
Die Wahl unterschiedlicher
Mittel für unterschiedliche Leistungen (oder auch für ein und dieselbe
Leistung, wenn die Rahmenbedingungen von Mitgliedsstaat oder auch innerhalb
eines Mitgliedstaates variieren) sollte daher nicht als Widerspruch, sondern
im Gegenteil als ein wichtiges Effizienzmerkmal angesehen werden.
(vgl. Mitteilung
der Kommission 2000/580, Punkt 8 - 13)
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5. Definition Begriff
"Universaldienstleistungspflichten"
Universaldienstleistungspflichten
sind ein begleitendes Mittel des Staates bei der Liberalisierung von Märkten.
Es wird u.a.
dann angewendet, wenn bisherige Leistungen der Daseinsvorsorge privatisiert
werden.
In der Sozialen
Marktwirtschaft sind Universaldienstleistungsverpflichtungen die Ausnahme.
In der EU wurden
Universaldienstleistungsverpflichtungen als Begleitmaßnahme bei der Liberalisierung
von Dienstleistungsbranchen vor allem in Märkten mit ehemaligen staatlichen
Monopolen eingeführt.
Das Universaldienstkonzept
soll gewährleisten, dass beim Übergang vom Monopol zu Wettbewerbsstrukturen
alle Nutzer und Verbraucher den Zugang zu bestimmten Dienstleistungen
in einer definierten Mindestqualität erhalten.
Eine allgemein
gültige Definition für Universaldienstleistungspflichten gibt es angesichts
der unterschiedlichen Ausgangssituationen nicht.
Ein Beispiel
für Universaldienstleistungen auch nach erfolgter Marktöffnung ist der
Telekommunikations- und Postsektor.
Universaldienstleistung
in offenen Telekommunikationsmärkten wird von der EU-Kommission in ihrer
Mitteilung "Leistungen der Daseinsvorsorge in Europa" als "Mindestangebot
von Diensten bestimmter Qualität" bezeichnet, "das allen Nutzern und Verbrauchern
gemessen an landesspezifischen Bedingungen zu einem erschwinglichen Preis
zur Verfügung steht."
Bei der Aufstellung
von Universaldienstleistungsverpflichtungen ist darauf zu achten, dass
durch sie nicht Marktzutrittsbarrieren geschaffen werden, die dem eigentlichen
Ziel der Marktöffnung widersprechen.
Daher sieht
das deutsche Telekommunikationsrecht keine a priori-Verpflichtung eines
oder mehrerer Unternehmen zum Angebot einer Universaldienstleistung vor.
Vielmehr wird davon ausgegangen, dass die festgelegten Universaldienstleistungen
erst dann zum Tragen kommen, wenn sie auf dem Markt nicht erbracht werden
können.
(vgl. DS DBT
14/6249, Antwort 4)
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6. Subsidiaritätsklausel
und Daseinsvorsorge
In der Diskussion
zur Daseinsvorsorge vorrangig darum, ob eine Leistung ihr zuzuordnen ist
Es stellt sich jedoch auch die Frage, welche politische (staatliche Ebene)
die Leistung letztlich erbringt.
Für beide Aspekte
ist die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips der Schlüssel zur Antwort.
Nach Auffassung
der Bundesregierung gebührt in der Sozialen Marktwirtschaft grundsätzlich
privater Initiative und privatem Eigentum Vorrang vor staatlicher Tätigkeit
und staatlichem Eigentum.
Es gilt der
Grundsatz der Subsidiarität unternehmerischen Handelns durch den Staat
gegenüber der privaten Wirtschaft auf allen staatlichen Ebenen. Dies spiegelt
sich etwa auch in der Privatisierungspolitik des Bundes wider.
(vgl. DS DBT
14/6249, Antwort 5)
Dienstleistungen
von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse unterscheiden sich insofern
von normalen Dienstleitungen, als sie in den Augen des Staates auch dann
erbracht werden müssen, wenn der Markt unter Umständen nicht genügend
Anreize dafür gibt.
Wenn der Staat
der Meinung ist, dass die Marktkräfte bestimmte, dem Gemeinwohl dienende
Dienstleistungen möglicherweise nur in unzureichender Weise bereitstellt,
kann er konkrete Leistungsanforderungen festlegen, damit dieser Bedarf
durch eine Dienstleistung mit Gemeinwohlverpflichtung befriedigt wird.
Die Erfüllung
dieser Verpflichtungen kann mit der Gewährung besonderer oder aus-schließlicher
Rechte oder der Bereitstellung besonderer Finanzierungsmechanis-men einhergehen,
muss aber nicht.
Die Festlegung
eines konkreten Gemeinwohlauftrags und der zur Erfüllung erforderlichen
Dienstleistungen bedeutet nicht unbedingt die Festlegung auf eine estimmte
Art der Leistungserbringung.
Der klassische
Fall ist die sogenannte Universaldienstverpflichtung für Anbieter, die
einen bestimmten Dienst im gesamten Staatsgebiet zu erschwinglichen Entgelten
und in vergleichbarer Qualität unabhängig von der Wirtschaftlichkeit einzelner
Geschäfte erbringen müssen.
Der Staat kann
entweder allen Anbietern im Markt Gemeinwohlverpflichtungen oder aber
auch einem einzelnen Anbieter bzw. einer begrenzten Anzahl von Anbietern
spezielle Verpflichtungen - ohne besondere oder ausschließliche Rechte
- auferlegen.
So wird ein
Höchstmaß an Wettbewerb gewährleistet und den Nutzern die größtmögliche
Freiheit bei der Wahl des Leistungserbringens garantiert.
Wenn in einer
bestimmten Branche nur einem Anbieter bzw. einigen wenigen Anbietern Gemeinwohlverpflichtungen
auferlegt werden, ist es unter Umständen geboten, alle einschlägigen Anbieter
an der Finanzierung der mit der Erbringung des gemeinwohlorientierten
Dienstes verbundenen Nettomehrkosten zu beteiligen.
Dies kann mit
Hilfe einer zusätzlichen Abgabe oder eines Fonds für öffentliche Dienste
geschehen.
In diesem Fall
ist darauf zu achten, dass der von jedem Unternehmen zu leistende Beitrag
in einem angemessenen Verhältnis zu seiner Geschäftstätigkeit in dem betreffenden
Markt steht und deutlich von anderen Belastungen abgegrenzt ist, die im
Rahmen der normalen Geschäftstätigkeit anfallen können.
Bei bestimmten
Leistungen der Daseinsvorsorge sind allerdings mehrere Anbieter unangebracht,
wenn z.B. kein Leistungserbringer für sich allein existenzfähig ist.
In solchen Fällen
gewährt der Staat üblicherweise besondere oder ausschließliche Rechte
für die Erbringung des gemeinwohlorientierten Dienstes in Form von Konzessionen,
die aufgrund einer Ausschreibung für einen bestimmten Zeitraum vergeben
werden.
Wettbewerb soll
bei der Erteilung des Zuschlags sicherstellen, dass der Gemeinwohlauftrag
unter möglichst geringer Belastung der öffentlichen Haushalte erfüllt
wird.
Wenn die Gemeinwohlverpflichtung
durch keine der beschriebenen Optionen zufriedenstellend erfüllt werden
kann, muss gegebenenfalls ein einzelner Anbieter oder eine kleine Gruppe
von Anbietern mit der betreffenden Aufgabe betraut werden, wofür der Staat
besondere oder ausschließliche Rechte neu gewährt oder verlängert.
In diesem Fall
kann der Staat wie bei der Gewährung ausschließlicher Rechte im Rahmen
einer Ausschreibung eine angemessene Finanzierung sicherstellen, die den
betreffenden Unternehmen die Erfüllung der ihnen zugewiesenen Gemeinwohlaufgabe
ermöglicht.
Die Einhaltung
von Vorschriften des EG-Vertrags, insbesondere der wettbewerbs- und binnenmarktrechtlichen
Bestimmungen, ist voll und ganz mit der gesicherten Bereitstellung von
Leistungen der Daseinsvorsorge vereinbar (siehe: Artikel 86 EG-Vertrag).
(vgl. Mitteilung
der Kommission 2000/580, Punkte 14, 15, 17, 18, 19)
Die Anerkennung
des Subsidiaritätsprinzips und insbesondere der Gestaltungsfreiheit des
Mitgliedsstaates bei der Bestimmung, was eine Leistung der Daseinsvorsorge
ausmacht, erfordert eine sorgfältige Untersuchung der Rollenverteilung
zwischen den verschiedenen Regierungsebenen bei der Regulierung solcher
Dienste.
Im neuen Artikel
16 EG-Vertrag wird die Rolle, die Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem
Interesse für den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt
spielen, ausdrücklich anerkannt und der Gemeinschaft die Aufgabe übertragen,
diesen Diensten die Erfüllung ihrer Aufgaben zu erleichtern.
In diesem Sinne
wird die Kommission weiterhin die europäische Dimension von Leistungen
der Daseinsvorsorge zum Vorteil der Bürger in partnerschaftlicher Zusammenarbeit
auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene fördern, indem sie
1.
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den größten Nutzen
aus der Öffnung der Märkte zieht, |
2.
|
die Koordinierung
und Solidarität in Europa stärkt und |
3.
|
andere Beiträge
der Gemeinschaft zur Förderung gemeinwohlorientierter Leistungen entwickelt. |
(vgl. Mitteilung der
Kommission 2000/580, Punkte 55 - 57)
|
7. Grundsätze des
EU-Rechts (Artikel 86 EG-Vertrag) für staatliche Entscheidungen zur Versorgung
der Bürger mit bestimmten Dienstleistungen der Daseinsvorsorge
Neutralität
Die Neutralität
im Bezug auf die Form der Unternehmensorganisation - öffentlich-rechtlich
oder privatrechtlich - wird durch Artikel 295 EG-Vertrag gewährleistet.
Die Kommission
macht also keine Vorgabe dahingehend, dass Leistungen der Daseinsvorsorge
von öffentlichen oder von privaten Unternehmen zu erbringen sind und verlangt
auch nicht die Privatisierung öffentlicher Unternehmen.
Gleichzeitig
gelten aber die Vorschriften des Vertrags und insbesondere die wettbewerbs-
und die binnenmarktrechtlichen Bestimmungen ungeachtet des (öffentlich-
und privatrechtlichen) Status eines Unternehmens.
Gestaltungsfreiheit
Gestaltungsfreiheit
bedeutet, dass für die Definition dessen, was ausgehend von den spezifischen
Merkmalen einer Tätigkeit als Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem
Interesse zu gelten hat, vorrangig die Mitgliedsstaaten zuständig sind.
Diese Definition
darf nur einer Kontrolle auf offenkundige Fehler unterworfen werden.
Sie können besondere
oder ausschließliche Rechte gewähren, die die Unternehmen zur Erbringung
der ihnen übertragenen Aufgaben benötigen, sie können deren Tätigkeit
reglementieren und sie können sie erforderlichenfalls finanzieren.
Wo es noch
keine gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften gibt, haben die Mitgliedsstaaten
bei der Gestaltung ihrer einschlägigen Politik großen Spielraum; hier
unterliegen sie lediglich einer Kontrolle auf offenkundige Fehler.
Die Frage, ob
ein Dienst als Leistung der Daseinsvorsorge anzusehen ist und wie er organisiert
werden soll, wird zuallererst auf nationaler Ebene entschieden.
Die Kommission
muss ihrerseits drauf achten, dass die zu diesem Zweck eingesetzten Mittel
mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind.
Damit die Ausnahme
nach Artikel 86 Absatz 2 EG-Vertrag auch greifen kann, muss der Versorgungsauftrag
in jedem Fall klar definiert und ausdrücklich durch Hoheitsakt (Verträge
eingeschlossen) aufgetragen sein.
Verhältnismäßigkeit
Der Grundsatz
der Verhältnismäßigkeit in Verbindung mit Artikel 86 Absatz 2 EG-Vertrag
besagt, dass die Mittel, die zur Erfüllung des Versorgungsauftrags eingesetzt
werden, keine unnötigen Handelshemmnisse erzeugen dürfen.
Konkret ist
sicherzustellen, dass Einschränkungen gegenüber den EG-Vertragsbestimmungen
und insbesondere Einschränkungen des Wettbewerbs oder der Binnenmarktfreiheiten
nicht über das zur tatsächlichen Erfüllung des Auftrags erforderliche
Maß hinausgehen.
Die Dienste
von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse müssen leistungsfähig sein
und die damit betrauten Unternehmen müssen in der Lage sein, den besonderen
Aufwand und die zusätzlichen Nettokosten auf sich zu nehmen, die mit der
Wahrnehmung der ihnen übertragenen Aufgaben verbunden sind.
Zur Frage der Finanzierung solcher Leistungen (Leistungen der Daseinsvorsorge)
hat das europäische Gericht erster Instanz geurteilt, dass der Ausgleich,
den ein Staat einem Unternehmen für die Erfüllung von Gemeinwohlverpflichtungen
gewährt, eine staatliche Beihilfe im Sinne des Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag
darstellt (vgl. EuGeI, Urteil vom 27.02.97, Rechtssache T - 106/95 und
Urteil vom 10.05.00, Rechtssache T - 46/97).
Sofern keine
der in Artikel 73 oder 87 vorgesehenen Ausnahmen einschlägig ist, kann
eine Beihilfe dennoch aufgrund von Artikel 86 Absatz 2 mit dem EG-Vertrag
vereinbar sein.
Letzteres trifft
zu, wenn alle Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt sind, d.h. konkret,
wenn der Ausgleich nicht über die mit der anvertrauten Aufgabe verbundenen
Nettokosten hinausgeht.
Nach Ansicht
der Kommission kann in den Fällen, in denen ein solcher Ausgleich im Anschluss
an ein offenes, transparentes und nicht diskriminierendes Verfahren für
einen angemessenen Zeitraum festgesetzt wird, davon ausgegangen werden,
dass die staatliche Hilfe mit den beihilferechtlichen Bestimmungen des
Vertrags im Einklang steht.
(vgl. Mitteilung
der Kommission 2000/580, Punkte 21 - 23, 26)
|
8. Anwendung der Gemeinschaftsvorschriften
auf Leistungen der Daseinsvorsorge
Bei der Klärung dieser
Frage sind folgende Aspekte zu berücksichtigen:
1.
|
Unterscheidung
zwischen wirtschaftlichen und nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten, |
2.
|
Auswirkungen auf den Handel zwischen Mitgliedsstaaten, |
3.
|
Vorgehen
der Gemeinschaft gegenüber Bagatellfällen. |
Zu 1.
Unterscheidung zwischen
wirtschaftlichen und nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten
Die Bedingungen des
Artikel 86 beziehen sich auf Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem
Interesse.
In aller Regel finden
die Binnenmarktvorschriften und Wettbewerbsregeln grundsätzlich keine
Anwendung auf nichtwirtschaftliche Tätigkeiten und berühren daher auch
nicht Leistungen der Daseinsvorsorge, die keine wirtschaftliche Tätigkeit
darstellen. (Hinweis: Im kommunalen Wirtschaftsrecht Thüringens wurde
die Unterscheidung zwischen wirtschaftlicher und nichtwirtschaftlicher
Tätigkeit durch Änderung der ThürKO im Juli 2000 aufgehoben.)
Hieraus folgt, dass
auf Aufgaben, die per se dem Staat vorbehalten sind (z.B. Wahrung der
inneren und äußeren Sicherheit, Justizverwaltung, Außenpolitik, andere
hoheitliche Aufgaben), die Wettbewerbsregeln und Binnenmarktvorschriften
keine Anwendung finden und somit auch Artikel 86 und seine Bedingungen
nicht greifen.
Nicht anwendbar sind
die Wettbewerbsregeln und Binnenmarktvorschriften auch nicht auf Dienstleistungen
im Zusammenhang mit nationalen Bildungssystemen und mit der Pflichtmitgliedschaft
in Grundversorgungssystemen der sozialen Sicherheit.
Generell werden nach
der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. EuGH, 07.12.93,
Rechtssache C - 109/92) viele Tätigkeiten von Einrichtungen, die weitgehend
soziale Aufgaben ohne Gewinnabsicht erfüllen und deren Zweck nicht in
der Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit besteht, von den wettbewerbs-
und binnenmarktrechtlichen Vorschriften der Gemeinschaft in der Regel
nicht erfasst.
Darunter fallen diverse
nichtwirtschaftliche Tätigkeiten von Einrichtungen wie Gewerkschaften,
politischen Parteien, Kirchen und religiöse Gemeinschaften, Verbraucherverbände,
wissenschaftliche Gesellschaften, Wohlfahrtseinrichtungen sowie Schutz-
und Hilfsorganisationen.
Sobald eine derartige
Einrichtung jedoch bei der Erfüllung eines Gemeinwohlauftrags wirtschaftliche
Tätigkeiten aufnimmt, sind hierauf die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften
unter Berücksichtigung des besonderen sozialen und kulturellen Umfelds,
in dem die betreffenden Tätigkeiten ausgeübt werden, anzuwenden.
Zu 2.:
Auswirkungen auf den
Handel zwischen Mitgliedsstaaten
Das Wettbewerbsrecht
der Gemeinschaft gilt ferner nur dann, wenn der Handel zwischen den Mitgliedsstaaten
beeinträchtigt wird.
Dementsprechend finden
auch die Bestimmungen des Vertrags über die Dienstleistungsfreiheit keine
Anwendung, wenn sich die betreffende Tätigkeit in all ihren Aspekten auf
einen einzelnen Mitgliedsstaat beschränkt.
Was die in den Artikeln
81 und 82 EG-Vertrag niedergelegten kartellrechtlichen Bestimmungen betrifft,
so wird eine Tätigkeit, die sich nur unwesentlich auf den Markt auswirkt,
wie dies bei einer Reihe von Leistungen der Daseinsvorsorge für ein räumlich
begrenztes Gebiet der Fall ist, den Handel zwischen Mitgliedsstaaten normalerweise
nicht beeinträchtigen und daher auch nicht unter die einschlägigen Regeln
des Gemeinschaftsrechtes fallen (vgl. EuGH, 21.01.99, Rechtssachen C -
215/96 und C - 216/96).
Zu 3.:
Vorgehen der Gemeinschaft
gegenüber Bagatellfällen
Es gibt Bagatellfälle,
die gemäß der einschlägigen Bekanntmachung der Kommission (vgl. Bekanntmachung
über Vereinbarungen von geringer Bedeutung, die nicht unter Artikel 81
Absatz 1 EG-Vertrag fallen - ABl. C 372 vom 09.12.97, S. 13) nicht weiter
nach Maßgabe der gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln untersucht werden.
Dies dürfte wiederum
bei vielen lokal angebotenen Dienstleistungen der Fall sein, so dass die
Kommission hier von der Verfolgung mutmaßlicher Verstöße (z.B. gegen kartellrechtliche
Vorschriften) absehen wird.
(vgl. Mitteilung
der Kommission 2000/580, Punkte 27 - 32)
|
9. Beihilfeprüfungen
der Gemeinschaft bei Leistungen der Daseinsvorsorge
Was die Prüfung nach
Maßgabe der Bestimmungen des EG-Vertrags über staatliche Beihilfen anbelangt,
so trifft es zwar zu, dass ein verhältnismäßig kleiner Beihilfebetrag
oder die relativ geringe Größe eines begünstigten Unternehmens für sich
genommen eine etwaige Beeinträchtigung des innergemeinschaftlichen Handels
nicht ausschließt.
Dennoch ist das Kriterium
"Beeinträchtigung des Handels" nach ständiger Rechtsprechung nur dann
erfüllt, wenn das begünstigte Unternehmen wirtschaftliche Aktivitäten
entfaltet, die den Handel zwischen Mitgliedsstaaten berührt.
Die Kommission hat
ferner Schwellenwerte festgelegt, bis zu denen die Beihilfevorschriften
keine Anwendung finden (vgl. Mitteilung über "De-minimis"-Beihilfen; ABl.
C 68 vom 06.03.96, S. 9, an deren Stelle neue Verordnung, Entwurf siehe
ABl. C 89 vom 28.03.00, S. 6).
Damit dürften viele
lokal erbrachten Dienstleistungen vom Anwendungsbereich der beihilferechtlichen
Vorschriften ausgenommen sein.
Werden Dienstleistungen
von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse mit öffentlichen Mitteln in
einer Weise gefördert, die geeignet ist, den Handel zwischen Mitgliedsstaaten
zu beeinträchtigen, ist außerdem nach Maßgabe der beihilferechtlichen
Vorschriften des Vertrags zu prüfen, ob diese Förderung nicht dennoch
zulässig ist.
Neben der Ausnahmebestimmungen
des Artikel 86 Abs. 2 gibt es mehrere Möglichkeiten der Ausnahme bzw.
Freistellung solcher Fördermaßnahmen vom grundsätzlichen Beihilfeverbot.
Von besonderem Interesse
sind in diesem Zusammenhang die in Artikel 73 vorgesehenen Ausnahmen für
Beihilfen im Bereich Verkehr und die Freistellung von Beihilfen zur Förderung
der Kultur und der Erhaltung des kulturellen Erbes gemäß Artikel 87, Absatz
3, Buchstabe b.
Gleiches gilt auch
für:
|
Beihilfen für
klein und mittelständige Unternehmen (KMU), |
|
Beihilfen an
Unternehmen in benachteiligten Stadtvierteln, |
|
Beschäftigungsbeihilfen, |
|
Ausbildungsbeihilfen, |
|
Einzelstaatlichen
Regionalbeihilfen, |
|
Umweltschutzbeihilfen,
und |
|
Forschungs- und
Entwicklungsbeihilfen. |
(vgl. Mitteilung der
Kommission 2000/580, Punkte 33 - 35 )
|
10. Subsidiarität
und kommunale Daseinsvorsorge
Zur Steuerung der
wirtschaftlichen Betätigung der Kommunen enthalten die Kommunalverfassungen
in der Regel so genannte Funktionssperren oder Subsidiaritätsklauseln.
Danach sind wirtschaftliche Unternehmen der Gemeinden nur dann zulässig,
wenn der Zweck nicht besser und wirtschaftlicher auf andere Weise erfüllt
werden kann. Zudem muss das Unternehmen durch einen öffentlichen Zweck
gerechtfertigt sein. Diese Regelungen bezwecken, dass sich die Kommunen
auf ihre eigentlichen Aufgaben konzentrieren, unternehmerische Risiken
nur in sehr begrenztem Maße eingehen und insbesondere eine wirtschaftliche
Betätigung zu Lasten der Privatwirtschaft vermeiden. Eine etwaige Vereinheitlichung
oder Verschärfung dieser Regelungen steht nicht in der Kompetenz des Bundes.
(vgl. DS DBT 14/6249,
Antwort 5)
Nach den Gemeindeordnungen
der Länder ist die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden an einen (dringenden)
öffentlichen Zweck gebunden. Innerhalb dieses gesetzlichen Rahmens liegt
es in der alleinigen Zuständigkeit der Gemeinden und Gemeindeverbände,
über eigene wirtschaftliche Tätigkeit im Bereich kommunaler Aufgabenerfüllung
zu entscheiden.
Aufgaben der Daseinsvorsorge
und im Übrigen auch der Infrastrukturverwaltung werden dabei häufig mit
Hilfe wirtschaftlicher Unternehmen der Gemeinde wahrgenommen.
Eine sich auf alle
Bereiche kommunaler Aufgabenerfüllung beziehende, allgemein gültige und
exakte Grenzziehung zwischen öffentlichem und privatem Sektor ist hierbei
nicht sachgerecht und auch gar nicht möglich.
Denn das, was auch
von einem Privatunternehmer erfüllt werden könnte, unterliegt wechselnden
sozialen Anschauungen und sich wandelnden Problemlagen, nicht zuletzt
auf Grund technologischer Entwicklungen.
Hingewiesen sei beispielhaft
auf den öffentlichen Nahverkehr und die Energieversorgung, die den Gemeinden
erst allmählich zugewachsen sind.
Umgekehrt können traditionelle
Kommunalaufgaben wie z. B. die Entsorgung und die Straßenreinigung durch
Privatisierung oder - wiederum - die Energieversorgung durch Liberalisierung
in den Bereich privatwirtschaftlicher Betätigung überwechseln.
Die Länderwirtschaftsministerkonferenz
hat im Mai 2000 einen Beschluss zur wirtschaftlichen Betätigung der Kommunen
gefasst, in dem der Innenministerkonferenz u. a. dringend empfohlen wird,
das in den Ländern jeweils geltende Kommunalrecht so auszulegen, dass
der ordnungspolitisch gebotene Vorrang privatwirtschaftlicher Tätigkeit
deutlich in den Mittelpunkt gerückt und im Wege der Kommunalaufsicht konsequent
durchgesetzt wird.
Die Bundesregierung
befürwortet eine solche Auslegung des Kommunalrechts, da so mögliche Wettbewerbsverzerrungen
zu Lasten der privaten Wirtschaft und insbesondere eine Verdrängung kleiner
und mittlerer Unternehmen sowie die Gefährdung von Arbeitsplätzen vermieden
werden können.
Es ist jedoch das
Recht der Länder, den Rahmen für die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen
in eigener Verantwortung abzustecken.
Die Bundesregierung
kann hier nur beispielhaft handeln (siehe § 7 BHO) und Empfehlungen geben.
Die Bundesregierung
begrüßt ausdrücklich Anstrengungen der Bundesländer, die auf eine Modernisierung
des Kommunalwirtschaftsrechts im Energiebereich zielen.
Die Bundesregierung
hat sich in diesem Zusammenhang unter anderem für eine vertretbare Lockerung
des Örtlichkeitsprinzips für gemeindeübergreifende Energiehandelstätigkeiten
der Kommunen ausgesprochen.
Der Deutsche Städtetag
und die Bundesvereinigung der Kommunalen Spitzenverbände als Dachorganisation
haben mehrfach zu den Auswirkungen der Liberalisierungs- und Wettbewerbspolitik
der EU auf die Daseinsvorsorge Stellung genommen.
Dabei haben sie auch
zum Ausdruck gebracht, dass sie die jüngste Mitteilung der Kommission
vom 20. September 2000 zu Diensten von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse,
die vor allem auf Drängen der Bundesregierung zustande gekommen ist, "als
wichtigen Schritt, in Europa neben dem Wettbewerb auch die Grundversorgung
der Bevölkerung mit wichtigen Dienstleistungen zu garantieren", werten.
Sie sehen jedoch
weiteren Klärungsbedarf.
Die Bundesregierung
nimmt die Besorgnisse der Kommunalen Spitzenverbände, dass durch die Liberalisierungspolitik
der EU der kommunale Versorgungsauftrag in Frage gestellt werden könnte,
ernst.
Auch sie betrachtet
die Mitteilung der Kommission als wichtigen Zwischenschritt zur Erreichung
von mehr Rechtsicherheit und als gute Grundlage für die weiteren notwendigen
Diskussionen mit der Kommission und den EU-Partnern. Sie wird dabei die
Auffassung der Kommunalen Spitzenverbände berücksichtigen.
Die Bundesregierung
teilt durchaus die Befürchtungen der kommunalen Spitzenverbände, dass
mit einer Liberalisierung die Gefahr verbunden sein kann, dass oligopolistisch
bestimmte Märkte entstehen.
Dem ist durch die
Art und Weise der Liberalisierung so entgegenzuwirken, dass im Vordergrund
das verbesserte Leistungsangebot durch mehrere Wettbewerber steht. In
diesem Zusammenhang ist das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)
von besonderer Bedeutung.
Seine Aufgabe ist
es, die positiven Wirkungen einer Liberalisierung durch Offenhaltung der
Märkte und Verhinderung von Wettbewerbsverzerrungen nachhaltig zu sichern.
Dafür hält es insbesondere
die Instrumente der Fusionskontrolle und des Missbrauchsverbots für marktbeherrschende
Unternehmen bereit.
In Hinblick auf mögliche
Auswirkungen auf Qualität und Umwelt nimmt die Bundesregierung die Befürchtungen
der Kommunalen Spitzenverbände ebenfalls ernst und wird ihnen Rechnung
tragen.
Die Bundesregierung
hat ein Gutachten vergeben, in dem mögliche Marktöffnungsmodelle für den
Trinkwasserbereich auf ihre Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit
sowie den Gewässer- und Umweltschutz untersucht werden.
Im Hinblick auf die
Länderkompetenz für kommunale Angelegenheiten sind derartige Modelle allerdings
lediglich als Angebote zu betrachten.
Die Besorgnis, mit
einer Liberalisierung könne der Verlust von Arbeitsplätzen verbunden sein,
wird in dieser allgemeinen Betrachtung nicht geteilt.
Werden alle Auswirkungen,
wie Steigerung der Effektivität und Effizienz, sinkende Kosten, gesteigerte
Wettbewerbsfähigkeit auch anderer Wirtschaftsbereiche und damit verbundene
Steigerung der verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte mit einbezogen,
kann damit gerechnet werden, dass bei einer Gesamtbetrachtung der volkswirtschaftlichen
Auswirkungen per Saldo eher von einer steigenden als von einer sinkenden
Zahl von Arbeitsplätzen ausgegangen werden kann.
Die Bundesregierung
ist der Auffassung, dass eine Liberalisierung im Bereich der Daseinsvorsorge
nicht zwingend zu einem substanziellen Verlust kommunaler Rechte führen
muss. Denn die notwendig flächendeckende und umfassende Versorgung der
Bürgerinnen und Bürger mit Leistungen der Daseinsvorsorge wird auf längere
Sicht Raum lassen für ein Nebeneinander privater und öffentlicher Strukturen.
Die Bundesregierung
stützt sich dabei auch auf die Mitteilung der Kommission zu Leistungen
der Daseinsvorsorge vom 20. September 2000. Diese aktualisierte Mitteilung
trägt wesentlich zur Klarstellung der Rechtslage in der EU bei.
Nach Auffassung der
Bundesregierung muss aber die Rechtssicherheit im Rahmen der Daseinsvorsorge
noch weiter erhöht werden, denn die bewährten Formen der Daseinsvorsorge
in der Bundesrepublik Deutschland dürfen nicht verdrängt oder bedroht
werden.
Die Bundesregierung
hielte daher auch eine etwaige Kompetenzausweitung der EU auf dem Gebiet
der Daseinsvorsorge, die in dieser Form in der Mitteilung aber nicht zum
Ausdruck kommt, für unangemessen und nicht mit dem Grundsatz der Subsidiarität
vereinbar.
Im Übrigen könnten
sich auch nach Auffassung der Kommunalen Spitzenverbände durch die Transparenzanforderung
der EU-Kommission zur Verhinderung nicht erlaubter Beihilfen möglicherweise
die Strukturen verändern, in denen diese Leistungen erbracht werden.
Die demokratischen
Mitspracherechte, die über die Steuerungs- und Kontrollinstrumente der
Gemeinde- bzw. Kreisvertretung in den kommunalen Unternehmen wahrgenommen
werden, wären indes nicht direkt berührt.
(vgl. DS DBT 14/6249,
Antworten 18, 19, 20, 21)
|
11. Daseinsvorsorge
und "Public Private Partnership"
Die Bundesregierung
hat die Schaffung rechtlicher Regelungen für "Public Private Partnership"
im Rahmen ihres Programms "Moderner Staat - Moderne Verwaltung" zu einem
Leitprojekt erklärt.
Die Vorschriften zum
öffentlich-rechtlichen Vertrag im Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG)
sollen um Vertragstypen und Vertragsklauseln ergänzt werden, mit denen
Kooperationsverhältnisse zwischen Staat und Privaten gestaltet werden
können.
In Vorbereitung dieser
Gesetzesänderung hat das Bundesministerium des Innern hierzu zwei Gutachtenaufträge
vergeben.
(vgl. DS DBT 14/6249,
Antwort 24)
12. Örtlichkeitsprinzip
und kommunale Daseinsvorsorge
Das so genannte Örtlichkeitsprinzip
in Artikel 28 Abs. 2 GG begrenzt die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen
auf "Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft". Es hat sowohl Bedeutung
für den Inhalt der wirtschaftlichen Betätigung als auch für die räumliche
Reichweite.
Die wirtschaftspolitische
Bedeutung des Örtlichkeitsprinzips besteht in einer Beschränkung der Leistungserbringung
kommunaler Unternehmen auf solche Tätigkeiten, die in der örtlichen Gemeinschaft
wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben. Eine ausufernde wettbewerbsverzerrende
Betätigung wird damit ausgeschlossen.
(vgl. DS DBT 14/6249,
Antwort 6)
13. Kostendeckungsprinzip
und kommunale Daseinsvorsorge
Das abgabenrechtliche
Kostendeckungsprinzip verbietet Gebühren zu erheben, die den Aufwand der
Verwaltung wertmäßig übersteigen. Eine Gewinnerzielung auf Kosten des
Bürgers wird dadurch ausgeschlossen. Die Kontrolle über die Einhaltung
entsprechender kommunalabgabenrechtlicher Regelungen obliegt den Ländern.
Das Kostendeckungsprinzip
gilt außerhalb des Gebührenrechts allerdings weder für die Unternehmen
mit Bundesbeteiligung noch für kommunale Wirtschaftsunternehmen. Diese
Unternehmen sind vielmehr grundsätzlich nach kaufmännischen Grundsätzen
zu führen.
(vgl. DS DBT 14/6249,
Antwort 7)
14. Quersubventionierung
(Querverbund) und kommunale Daseinsvorsorge
Die Bundesregierung
ist der Auffassung, dass die auf europäischer und deutscher Ebene bestehenden
Instrumente (insbesondere im Beihilfe-, Subventions-, Vergabe- und Haushaltsrecht)
ausreichen, um mögliche Quersubventionen aus gemeinwohlbezogenen und mit
staatlichen Mitteln finanzierten Bereichen zugunsten wettbewerblicher
Aktivitäten zu überwachen und erforderlichenfalls zu verhindern.
Die neue Transparenzrichtlinie
sieht u. a. vor, dass Unternehmen, die sowohl subventionierte "Leistungen
im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse" erbringen als auch im eigenen
wirtschaftlichen Interesse tätig sind, ab dem 1. Januar 2002 getrennte
Konten für die unterschiedlichen Geschäftsfelder (öffentliche Aufgabe/marktwirtschaftlicher
Bereich) führen müssen. Wo dies zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie
erforderlich ist, sind die zuständigen staatlichen Stellen also vor die
Aufgabe gestellt, den genauen Umfang der im "rein privat-wirtschaftlichen
Bereich" wahrgenommenen Tätigkeiten zu bestimmen. Insoweit kann die neue
Transparenzrichtlinie mittelbar zur Konkretisierung des Begriffs der Daseinsvorsorge
beitragen.
Der Anwendungsbereich
der neuen Transparenzrichtlinie wird durch eine Reihe von Voraussetzungen
und Ausschlussvorschriften in praktisch bedeutsamer Weise eingeschränkt.
Erhebungen auf Bundes-
und Landesebene deuten darauf hin, dass die Richtlinie infolgedessen nur
für eine begrenzte Anzahl von öffentlichen Unternehmen neue Pflichten
mit sich bringen wird. Die Transparenzpflichten müssen beispielsweise
nicht von Unternehmen beachtet werden, die marktbezogene Leistungen im
öffentlichen Interesse, aber ohne Subventionen und im freien Wettbewerb
erbringen.
Infolge der Liberalisierung
ist das heute etwa im Telekommunikations- und Energiesektor der Fall.
In einigen anderen Bereichen (z. B. im Verkehrs- und Postsektor) existieren
EG-rechtliche Spezialvorschriften zur getrennten Kontenführung für unterschiedliche
Geschäftsfelder, die den Pflichten aus der neuen Transparenzrichtlinie
vorgehen.
Schließlich sind auch
kleinere Unternehmen mit einem Nettoumsatz bis zu 40 Mio. Euro p. a. ausgeschlossen,
so dass zahlreiche kommunale Unternehmen nicht betroffen sein werden.
Diejenigen Unternehmen, die nicht den Ausnahmevorschriften der neuen Transparenzrichtlinie
unterfallen, sind teilweise bereits jetzt auf Grund verwaltungsrechtlicher
Vorgaben zu einer getrennten Kontenführung verpflichtet und insoweit gut
auf die neue Transparenzrichtlinie vorbereitet.
(vgl. DS DBT 14/6249,
Antworten 10, 11, 12)
Im Rahmen ihrer Organisationshoheit
haben die Kommunen das Recht, die gemeindlichen Einrichtungen einschließlich
der Wirtschaftsbetriebe in geeigneter Weise zu organisieren, insbesondere
auch mehrere Sparten oder Dienstleistungen in einem Betrieb oder einer
Einrichtung zusammenzufassen (Querverbund).
Der kommunale Querverbund
hat auf Grund seiner technischen, betriebswirtschaftlichen und z. T. auch
steuerlichen Synergieeffekte eine lange Tradition.
Nach Auffassung der
Europäischen Kommission, die von der Bundesregierung geteilt wird, ist
die Quersubventionierung aus Tätigkeitsbereichen außerhalb der Daseinsvorsorge
in Bereiche, in denen Aufgaben der Daseinsvorsorge wahrgenommen werden,
wettbewerbsrechtlich unproblematisch.
Der umgekehrte Weg
unterliegt der beihilferechtlichen Kontrolle.
(vgl. DS DBT 14/6249,
Antwort 23)
15. Öffentlicher Auftrag
und kommunale Daseinsvorsorge
Es ist das Anliegen
der Bundesregierung, die Handlungs- und Entscheidungsspielräume von Ländern
und Kommunen im Bereich der Daseinsvorsorge zu stärken. Deren Aufgabe
ist es, die Chancen und Gestaltungsmöglichkeiten insbesondere durch Konkretisierung
des öffentlichen Auftrages zu nutzen.
(vgl. DS DBT 14/6249,
Antwort 16)
16. Kommunale Beschäftigungsgesellschaften
und Daseinsvorsorge
Kommunale Beschäftigungsgesellschaften
bieten Personen Arbeit, die im Regelfall bei privaten Unternehmen keine
Beschäftigung finden.
Dabei ist darauf zu
achten, dass Beschäftigungsgesellschaften nicht in Konkurrenz zu privaten
Unternehmen treten und reguläre Arbeitsplätze verdrängen.
Deshalb war und ist
die Zusätzlichkeit der von Beschäftigungsgesellschaften durchgeführten
Arbeiten ein wichtiges Kriterium für deren Tätigwerden.
Daneben darf aber
nicht vergessen werden, dass Beschäftigungsgesellschaften nicht nur der
Produktion von Gütern und Diensten dienen, sondern ihre Beschäftigten
für die Aufnahme von regulärer Arbeit weiter qualifizieren.
Dies ist eine Leistung,
die in privaten Betrieben oftmals gar nicht erbracht werden kann, weshalb
Beschäftigungsgesellschaften auch weiterhin ein wichtiges Instrument aktiver
Arbeitsmarktpolitik bleiben.
(vgl. DS DBT 14/6249,
Antwort 22)
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